„I guess all the mountains that I moved just weren't enoughAnd all those nights I walked you home from crowded bars when you were drunk
Well they meant nothing 'cause you up and walked away
And I just wonder what it'd take to make you stay"
Mein Blick ist an die Decke von Manuels Wohnzimmer gerichtet. Morgen ist das Saisonende der diesjährigen Bundesliga Saison. Das Spiel gegen Wolfsburg ein krönender Abschluss, aber ein eigentlich extrem unwichtiges Spiel, da wir eh schon Meister sind, geworden bei dem Spiel gegen Dortmund. Trotzdem liege ich hellwach auf dem Sofa meines besten Freundes und kriege seit Stunden kein Auge zu, mein Kopf und Körper zu unruhig um Schlaf zu finden. Ein Blick auf mein Handy zeigt mir, dass es mittlerweile 5 Uhr morgens ist, und weiterschlafen auch nichts bringt, da mein bester Freund, aka Frühaufsteher hoch 3000, gleich mal aufstehen wird. Also zwinge ich mich aus der Wärme des Sofas und stehe auf, um Frühstück zuzubereiten, immerhin ist Manuel so nett und lässt mich in der Zwischenzeit bei sich wohnen.
Aber wie genau kam es eigentlich dazu? Naja, ich war Ende Woche, also genauer gesagt Donnerstag, aus meinem Haus ausgezogen – aus unserem Haus. Beziehungsweise habe ich stürmisch das Gröbste eingepackt und stand mit meiner Tasche, die ich immer für Auswärtsspiele verwende, vor der Tür des Torwarts – er hatte also nicht einmal eine andere Wahl als mich aufzunehmen. Und jetzt sitze ich hier, kann seit zwei Nächten nicht schlafen, weil mich meine Gedanken die gesamte Zeit plagen, und ich frage mich, geht es dir denn genauso beschissen wie mir? Du hast mit allem abgeschlossen, hast mir mitgeteilt, deinen Vertrag nicht verlängern zu wollen – Tage nachdem ich meinen verlängert hatte. Du hast mir gesagt, dass du immer mal nach Spanien, zum FC Barcelona wolltest, und es jetzt noch die Chance dazu gibt, da dein Vertrag nächstes Jahr ausläuft. Du hast meine Hand in deine genommen, dich mit mir hingesetzt und mir erklärt, dass Hasan und Oliver dir nur einen Vertrag bis 2024 anbieten – wie sie es bei mir getan haben – und dir das nicht reicht. Dir reicht ein Vertrag bis 2024 nicht, um in München zu bleiben. Dir reicht unsere Beziehung, dir reicht das „uns" nicht mehr aus, um in München zu bleiben. Und dass du diese Entscheidung alleine getroffen hast. Dass du den Vorstand darüber informiert hast, den Vertrag nicht zu verlängern, ohne etwas mit mir abzusprechen. Mit mir, deinem Ehemann.
Doch gibt es überhaupt noch ein „Uns"? Wurde aus „Wir" mittlerweile ein „Du und Ich"? Was ist mit all den Kämpfen, mit all den Hürden, die wir zusammen bestritten haben? Dein Wechsel nach München, bei dem ja keiner wissen durfte, dass wir schon zusammen waren. Das Outing vor Lisa – und meine folgende Scheidung. Dein Outing bei Anna – und die darauffolgende Scheidung. Deinen Kindern zu erklären, wieso Mama auszieht. Das Outing bei dem Teamkollegen, welches super ankam. Das alles haben wir zusammen durchgemacht – anscheinend jedoch alles umsonst. Ich habe alles für dich getan, alles getan, um dein Lächeln irgendwie zu bekommen. Wenn du auf dem Sofa saßt, Tränen in den Augen, weil du es so unfair fandest, dass alle ihre Freundinnen mit zum Oktoberfest bringen konnten und wir getrennt erscheinen mussten. Wenn die neuen Gesetze zur Homosexualität in Polen begrüßt wurden und ich dich während deines Telefonates mit deiner Mutter beruhigen musste, um ja nichts Dummes zu sagen. Ich war immer für dich da – denn das ist Liebe.
„'Cause when you said jump I said how high. But when I jumped you said goodbye"
Ich höre ein lautes Seufzen und dann Schritte im Gang, und sehe Manu an, welcher im Pyjama im Wohnzimmer steht und mich verschlafen ansieht. „Also ich weiß echt nicht, ob das an meiner Müdigkeit liegt, aber du siehst echt beschissen aus, Thomas", murrt der Keeper, ehe er sich wieder wegdreht.