Seufzend genieße ich das warme Wasser, welches über meinen Rücken läuft. Ich atme tief ein. Julian wollte heute kommen, um etwas zu besprechen, etwas anscheinend sehr Wichtiges. Was auch immer es ist, er wollte es mir nicht sagen. Ich vermute aber, dass es um einen möglichen Wechsel geht, da die Medien in letzter Zeit viel spekulierten. Wechsel innerhalb der Bundesliga, nach Spanien oder sogar nach England. Oder Jule beendet unsere Beziehung, unsere noch sehr frische Beziehung, gerade mal wenige Wochen alt. Leise greife ich nach einem Handtuch und binde es mir um. Gerade als ich meine Haare abtrocknen wollte, hörte ich schon ein Klingeln an der Haustür. Muss wohl Jule sein. Ich öffne ihm die Tür und drücke ihn kurz, aber liebevoll an mich.
„Du musst kurz warten, führe ungern ein ernstes Gespräch nur mit einem Handtuch bekleidet", murmle ich ihm zu. Es wäre ja nicht so, als hätte Jule mich noch nie ohne das Handtuch gesehen. Unter der Dusche, in seinem Bett, in meinem Bett. Nickend schaut er mich an und setzt sich dann auf das Sofa. Mit einem leisen Seufzer ziehe ich mich rasch um und gehe zurück zu meinem Freund. Jule sitzt da, mit der Haut an seinem Finger spielend. Eine Angewohnheit von ihm, wann immer er nervös ist. „Ich habe dir doch gesagt du sollst damit aufhören", seufze ich zu ihm, und er sieht mich kurz erschrocken an, als hätte er nicht damit gerechnet, dass ich mit ihm spreche, nickt dann aber. Ich setze mich neben ihn und mustere ihn leise. Er hat seine Haut in Frieden gelassen, wirkt selber aber gar nicht friedlich, sondern eher ... ängstlich?
Jule fängt an zu sprechen, bricht dann aber wieder ab und setzt wieder zum Wort an. „Ich habe ein sehr gutes Angebot bekommen", sagt er sehr leise. Ich nicke nur, keine Ahnung, was ich dazu sagen soll. „Wo?", flüstere ich leise. „Es ist in der Bundesliga, nicht weit weg von hier, aber ich hätte da mehr Chancen auf Pokale, oder sogar auf die Champions League.". Natürlich. Ich verstehe sehr gut, was er meint. Leverkusen ist toll, keine Frage, die Menschen und die Trainer sind alle super, und wir waren mittlerweile eine kleine Familie, allerdings ist Leverkusen ein eher kleinerer Verein, kein Topverein. Kein BVB, kein FC Bayern. „Dortmund, also der BVB", murmelt Jule und schaut mich an.
Dortmund war nicht weit weg von uns. Seufzend nicke ich und lächle ihn ruhig an, damit er sich beruhigt. Dortmund ist ansich kein Problem. Dortmund ist sehr nah, knapp eine Stunde von hier entfernt, Besuche wären jede Woche drin. Aber es war etwas anderes, gegen Jule zu spielen, anstatt mit ihm. Ein Tor gegen ihn zu erzielen, anstatt mit ihm. Ich kann mich dann nicht mehr vor Freude auf seinen Rücken werfen, unsere Beziehung halb outen oder sonst was. Es würde komisch wirken, wenn ein Leverkusener Spieler einem Dortmunder zum Tor gratuliert.
„Du unterschreibst", sage ich plötzlich mit starker Stimme. Er sieht mich kurz verwirrt an, zieht mich dann aber fest in seine Arme. „Du unterschreibst, wenn du mir versprichst, dass sich nichts bei uns ändert. Wenn du mir versprichst, dass du trotzdem mein bester und fester Freund bleibst. Wenn du mir versprichst, dass wir nichts gegenseitig sauer sind, wenn der andere ein Tor schießt. Wenn du mich trotzdem jede Woche mal besuchst, oder ich dich", murmle ich an seine Schulter, und Julian nickt kräftig. Er zieht mich leise, aber mit einer deutlichen Kraft an sich, und zwingt mich mit seinen Fingern, ihm ins Gesicht zu sehen. Er drückt sanft erst einen Kuss auf meine Stirn, und dann auf meinen Mund. Ich erwidere den Kuss gierig, als würde mir Julian davonrennen, oder als hätte ich Angst vor seiner Antwort.
„Ich liebe dich, Kai. Natürlich treffen wir uns jede Woche. Natürlich bin ich nicht sauer auf dich, sondern stolz und natürlich, wird sich bei uns nichts ändern. Ich brauche dich doch, Harvey. Was soll ich denn ohne dich tun?", flüstert Julian gegen meine Lippen. Ich muss leise lächeln und drücke Julian sofort wieder meine Lippen auf seine. Plötzlich muss ich mittem im Kuss grinsen. Gott, muss das bescheuert aussehen. Wie ein kleiner Junge, dem gerade etwas Süßes geschenkt wurde. „Was grinst du jetzt so blöd? Froh, mich los zu sein?". Ich schüttle den Kopf weiter und mustere Jule.
„Du hast gesagt du liebst mich!". „Oh, äh ja genau, ist das schlimm?", fragt Julian etwas verunsichert, was mich noch mehr grinsen lässt. Ich ziehe ihn zu mir, so dass ich mit meinem Rücken am Sofa lehne und er halb auf mir liegt, und lege wieder meine Lippen auf seine. „Nö, ich liebe dich auch. Aber das hat noch keiner von uns gesagt. Es war Zeit!", grinse ich in den Kuss, und mein Gegenüber muss auch plötzlich grinsen.
Eine Weile später streiche ich Jule durch die Haare, welcher mit dem Kopf auf meiner Brust liegt. Diese unfassbar weichen, blonden Haare, durch die ich am liebsten auch jedes Mal auf dem Spielfeld streichen würde, was jetzt noch weniger geht, weil ich das bei meinem Gegner noch weniger machen kann. Seufzend streiche ich ihm weiter durch die Haare und mustere Jule, welcher sich mehr an mich kuschelt. „Ich glaube, Gelb steht dir richtig gut", flüstere ich ihm ins Ohr, und bekomme nur ein Brummen als Antwort. Auch wenn es einige Nachteile haben wird, dass wir gegeneinander spielen, gibt es bestimmt auch Vorteile. Und so fangen wir auch keinen Streit an, weil wir nicht durchgehend aufeinander kleben. Und wer weiß, vielleicht wechsle ich auch bald. Vielleicht ja auch zum BVB. Bei der Vorstellung musste ich leise grinsen, und drücke Julian stärker an mich.