24 | Bellingham x Haaland

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„I don't wanna talk right now
I just wanna watch TV
I'll stay in the pool and drown
So I don't have to watch you leave "

Plötzlich ist die Wand der Kabine interessanter als die Personen, die sich in ihr befinden. Interessanter als Mats, der seinen Kopf schüttelt. Interessanter als Gio, der traurig seine Hände beobachtet. Interessanter als Marco, der nur seufzt, als wäre es sowieso klar gewesen und interessanter als Erling, der uns gerade allen mitgeteilt hat, dass nächste Woche sein letztes Spiel für den BVB sein wird. Dass er es uns mitteilen wollte, bevor wir es durch die Medien oder durch andere Quellen erfahren. Dass sein Zukunftsverein das blaue Manchester City ist.

„I put on Survivor just to watch somebody suffer
Maybe I should get some sleep
Sinking in the sofa while they all betray each other
What's the point of anything? "

England. Er zieht nach England. In nicht einmal einem Monat zieht Erling nach England. Es hätte mir klar sein können, nein, es hätte mir klar sein MÜSSEN. Es war klar, dass er nicht bei mir bleiben wird, es war klar, dass wir nicht in Dortmund zusammen alt werden. Deutschland war nie sein Ziel, nie sein Wunsch gewesen. Er wollte schon immer weg. Er wollte nie hierbleiben. Und trotzdem trifft es mich wie einen Messerstich ins Herzen. Als würde man mein Herz rausreißen und darauf rumtrampeln.

„All of my friends are missing again
That's what happens when you fall in love"

In der Kabine ist Ruhe eingekehrt. Keiner spricht, keiner traut sich auch nur hörbar zu atmen. Die Blicke meiner Mitspieler sind gesenkt, keiner will den anderen ansehen, keiner will ihn ansehen. Keiner kann ihn ansehen. Sie wussten es alle. Jeder wusste es. Aber wir haben es alle verleugnet, alle gehofft, dass es sich doch noch ändern könnte. Wir haben uns alle eingeredet, dass Erling nicht gehen wird. Dass wir ihm zu wichtig sind. Dass er den Verein liebt. Ich habe mir eingeredet, dass er mich liebt. Dass ich ihm wichtiger bin als irgendein Verein in England. Aber dabei habe ich mich anscheinend deutlich getäuscht.

"You don't have the time, you leave them all behind
You tell yourself it's fine, you're just in love"

Ich bin der erste der aufsieht, zumindest sehe ich keinen anderen, der seinen Kopf hebt. Die anderen starren alle ihre Hände an, sind in Gedanken, trauen sich nicht was zu sagen. Meine Augen treffen direkt auf die von Erling, welcher aufgrund seiner Trikotnummer mir gegenübersitzt, und sein Blick trifft meinen. Er muss mich beobachtet haben, beobachtet haben, wie ich reagiere. Wie ich auf die Nachricht reagiere, dass er mich verlässt. Die Nachricht, dass er mich im Stich lässt. Natürlich sind wir Fußballer. Natürlich freundest du dich als Fußballer nicht zu sehr mit anderen Fußballern an, weil du weißt, dass sie möglicherweise bald wegziehen. Du freundest dich nicht mit dem Gedanken an, Freunde in einer Stadt zu haben. Als Fußballer hängst du auch nicht zu sehr an einer Stadt oder an Erinnerungen an eine Stadt. Oder an Personen in einer Stadt. Ich habe diese Regel gebrochen. Erling und ich haben hunderte von Erinnerungen hier in Dortmund, selbst wenn wir erst eine kurze Zeit zusammen hier sind. Wir haben Geschichte geschrieben. Ich hatte Wünsche, ich hatte Träume mit Erling hier. Wenn man von seinen Erzählungen ausgeht, hatte er auch Träume mit mir hier. Wir haben oft über unsere Träume gesprochen, stundenlang von ihnen geschwärmt, und uns stundenlang neue Träume ausgedacht. Seine Augen haben gestrahlt, wenn er mir von seinen Wünschen erzählt hat. Sie haben geglänzt, wenn wir über die kommende Saison und die dadurch aufkommenden Möglichkeiten gesprochen haben. Wenn wir über die Chance gesprochen haben, irgendwann alles zusammen gewonnen zu haben.

„Don't know where you are right now

Did you see me on TV?I'll try not to starve myselfJust because you're mad at me"

Träume, mit Erling hier was zu erreichen. Träume, mit Erling die Meisterschaft gewinnen, mit ihm die Schale in den Händen zu halten. Träume, mit ihm den Champions League Pokal zu bekommen, zu feiern wie einst, als wir zusammen den DFB-Pokal gewonnen haben. Träume, es den anderen Menschen zu zeigen. Wir hatten Träume zusammen. Wir wollten Sachen zusammen erreichen. Wir wollten es schaffen, und wir wollten es zusammen schaffen. Irgendwann hatten wir vor, einen Hund zu adoptieren und wenn unsere Karrieren beendet sind, vielleicht eine Familie zu gründen. Wir haben darüber nachgedacht, uns als die ersten Fußballspieler zu outen – und danach die Saison zu rocken. Alles zu gewinnen, was wir können. Und uns ohne Probleme, nach einem Tor oder nach einem Sieg, küssen zu dürfen. Wir wollten gewinnen, wir wollten lieben, wir wollten uns küssen. Und jetzt erzählt er mir vor allen anderen, dass er wegzieht. Ohne mit mir darüber zu sprechen. Was war aus unseren Träumen geworden?

"And I'll be in denial for at least a little while
What about the plans we made?
The internet's gone wild watching movie stars on trial
While they're overturning Roe v. Wade"

Ich schnappe mir meine Trainingstasche und bin der erste, der sich in Bewegung setzt. Ohne ein Wort zu sagen, ohne auch nur einen Atemzug zu entlassen, stürme ich aus der Kabine und knalle die Tür mit einer Lautstärke zu, dass man sie womöglich bis nach Gelsenkirchen knallen hört. Aber sollen sie. Soll nur jeder meinen Frust, meinen Schmerz hören und spüren. Sollen sie merken, dass meine Träume gerade zerbrochen sind. Zerplatzt, wie eine Seifenblase auf einem Stein, wie ein Luftballon, der die Spitze einer Nadel berührt.

Was war aus unseren Träumen geworden, Erling?
Aus unseren Wünschen?
Aus unserer Zukunft?
Was war aus unseren Plänen geworden?
Gewinnst du jetzt mit Jack Grealish und Phil Foden die Meisterschaft?
Ist das lustiger?
Bin ich dir einfach nur zu langweilig geworden?

Wenn ja, dann tut es mir leid. Ich wollte dich nie unglücklich machen. Mein Ziel war es immer, dich in den Vordergrund meines Lebens zu stellen. Aber vielleicht stimmt es ja, was Marco sagt. Eine Beziehung zwischen zwei Fußballern kann nicht halten. Immerhin hat er Erfahrung in dem Gebiet. Erschöpft lehne ich mich an irgendeine Wand und lasse mich an ihr herabsenken. Du bist mir nicht einmal gefolgt, hast dir nicht einmal die Mühe gemacht, mir nachzulaufen. Die Tränen rinnen unkontrollierbar über meine Wange runter, und ich kann mich nicht zusammenreißen, sie zu stoppen. Mit den Knien angezogen sitze ich an der Wand gelehnt, wie ein Häufchen Elend. Wie ein kleines Reh, dessen Mutter gerade vor seinen Augen erschossen wurde, und ich kann mich nicht beruhigen.

Ich kann nicht sagen, wie spät es ist, als ich zwei Arme um meinen Körper spüre und eine Decke, die die Person über mich legt. Ich weiß nicht, wie lange ich da auf dem Boden saß, bis Marco mich an sich drückt und mir nur durch die Haare streicht. Und ich weiß nicht, wie lang Erlings Ansage her ist, bis Marco mir leise zuflüstert, dass die Zeit irgendwann alle Wunden heilt.

-- Authors Note --

Irgendwie lassen sich die traurigen OS momentan besser schreiben als die glücklichen, ich hoffe, ihr verzeiht mir, und sie gefallen euch trotzdem 😅

Heute mal ein OS zu einem Thema, dass schon etwas länger her ist, und welches glaub ich jedes Herz hier gebrochen hat.

Song für die heutige Geschichte ist: TV - Billie Eilish

Zu dem Song fallen mir übrigens zu viele Storys ein, also gerne melden, wenn ihr interessiert daran seid.

Lasst gern nh Review da 🫶

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