sixteen

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Die folgenden Nächte schaffe ich es kaum ein Auge zuzumachen. Meine Social-Media-Profile werden entdeckt und mit einem Shitstorm nach dem anderen überflutet. Claire erhält meine Erlaubnis, sämtliche Nachrichten und Verbindungen zu Dylan aus meinem Handy zu verbannen. Zusätzlich deaktiviere ich meine Accounts auf allen Plattformen und kommuniziere nur noch mit meiner Familie über mein Handy. Ich fühle mich so erschöpft.

Seit dem spontanen Einzug habe ich Claire's Wohnung nicht mehr verlassen. Auf der Arbeit hatte ich mich krankgemeldet, auch wenn ihre Eltern wahrscheinlich wussten, in welcher Situation ich mich gerade befinde. Ich bin froh, dass mir mein Verhalten nicht vorgehalten wird. Heute ist glaube ich Samstag, sicher bin ich mir auch nicht ganz. Das Schlafzimmer ist durchgehend verdunkelt und ich habe Claire verboten, die Sonne hereinzulassen.

"Mary, das geht so nicht weiter." Das ist nicht das erste Mal, dass sie versucht auf mich einzureden. Doch mein Körper liegt weiterhin regungslos auf ihrem Bett. Sie setzt sich vorsichtig an die Bettkante und seufzt laut auf. "Es schmerzt mich, dich so leiden zu sehen." Ihre Finger streichen mir sanft über die Haare und lösen eine Gänsehaut auf meiner Haut aus. Doch ich fühle mich weiterhin wie eine leblose Hülle.

"Ich gebe dir noch bis Morgen. Dann solltest du wenigstens wieder arbeiten gehen." Also ist doch schon Sonntag. Mit leisen Schritten verlässt sie das Schlafzimmer, zieht die Tür hinter sich zu und lässt mich in der Dunkelheit zurück. Es dauert auch nicht lange, da falle ich erneut in einen traumlosen Schlaf.

Am nächsten Morgen quält mich Claire trotz meines lautstarken Protestes aus dem Bett und schleppt mich sogar zur Arbeit. Sie begründet es zwar damit, dass sie ihren Eltern etwas vorbeibringen will,  aber innerlich bin ich ihr ziemlich dankbar für die Unterstützung. Der Tag geht quälend langsam vorbei. Es scheint sich im Büro die Nachricht verbreitet haben, dass ich auf den Covern sämtlicher Klatschzeitschriften fremdknutschend abgebildet bin. Ich kann die ganzen neugierigen Blicke und Tuscheleien nicht mehr ertragen.

Kathy offenbart sich als meine Retterin, indem sie mich in der Mittagspause in ein Restaurant abseits der üblichen Lokale unserer Kollegen führt. Wir bestellen uns beide Pasta und jede ein Glas Wein. "Wie lange ich schon nicht mehr vernünftig gegessen habe", seufze ich und streiche mir nachdenklich eine Strähne hinters Ohr. Gerade die Shitstorms auf Social Media haben mich aus der Bahn geworfen. "Umso besser, dass du jetzt damit anfängst. Ein Schritt nach dem anderen." Kathy legt ihr Hand vorsichtig auf meine und schenkt mir ein aufmunterndes Lächeln.

Ich erwidere dieses schwach und greife nach meinem Weinglas, um vorsichtig daran zu nippen. "Ich glaube, ich brauche eine Auszeit von New York", erörtere ich ihr meine Gedanken und blicke das Glas ruhig an. Kathys Schweigen lässt mich zu ihr aufblicken. Ihr steht Verwunderung ins Gesicht geschrieben, denn sie hat ihre Stirn in Falten gezogen. "Okay und woran hast du gedacht?", spricht sie nach einer Weile. Ich zucke mit den Schultern und lehne mich in meinem Stuhl zurück.

"Der Gedanke ist mir erst gerade gekommen", grinse ich und schüttle leicht den Kopf.  "Ich glaube ich nehme einen Teil meines Ersparten und fliege für einen Monat in die Sonne", träume ich weiter und falte meine Finger ineinander. "Dann nehme ich halt für mein Studium einen Kredit auf, was soll's. Ich brauche das jetzt." Kathys Mund ist aufgeklappt und sie sieht mich mit aufgerissenen Augen an. "Was hast du bitte mit meiner Sicherheitsbefürftigen Freundin gemacht?" Fassungslos schüttelt sie den Kopf und reißt ihr Weinglas in die Höhe. "Auf überstürzte Entscheidungen!", proste ich ihr zu.

Am Nachmittag setze ich meine Entscheidung in die Tat um und suche das Büro von Mr. Cooperson auf. Mein Beschluss das Unternehmen zu verlassen überrascht ihn sehr. Ihm scheint bisher nicht aufgefallen zu sein, dass ich unglücklich mit der Menge an Arbeitsbelastung war. Ich verkneife mir einen Kommentar und überrede ihn dazu, mir einen Aufhebungsvertrag vorzulegen. Meine Motivation meine Idee auch tatsächlich umzusetzen lässt erfahrungsgemäß ziemlich schnell nach, weswegen ich besser jetzt alles in die Wege leite.

Als ich Claires Wohnung erneut betrete, empfängt mich diese bereits aufgewühlt. "Wie kannst du es wagen?", schreit sie mich mit verheulten Augen an und zieht mich in eine innige Umarmung. Ich muss schmunzeln und drücke sie fest an mich. "Du und ich wissen beide, dass ich mit der Präsenz dieses Schmerzen nicht darüber hinwegkommen werde." Wir lösen uns aus der Umarmung und blicken uns in die Augen.

"Aber Dylan weiß doch gar nicht, was wirklich passiert ist. Das ist doch auch nicht fair, ihm gegenüber." Sie hat recht, doch ich schüttle entschlossen den Kopf. "Dylan wird und soll seinem jahrelangen besten Freund glauben. Ich hätte dich doch auch niemals anzweifeln können. Die Wahrheit wird eines Tages ans Licht kommen, aber ich befürchte, das braucht noch etwas Zeit." Meine Worte sind erstaunlich vernünftig dafür, dass ich erst vor knapp einer Woche von einem meiner engsten Vertrauten hintergangen wurde. Ich dachte, Brian und ich wären gute Freunde gewesen.

"Wo gehst du denn hin?", fragt mich Claire eine halbe Stunde später, als wir dabei sind meine Sachen wieder in den Koffer zu verstauen. "Sonne tanken", grinse ich sie an und zucke mit den Schultern. "Ich glaube, ich gehe einfach zum Flughafen und buche mir einen Flug. Du wirst meinen Standort anhand eines Fotorätsels erraten können", kichere ich zufrieden. "Ich liebe Rätsel", quiekt Claire und schmeißt meine Bikinis auf den Koffer.

"Dann musst du dir aber auch einen Instagram Account machen, auf dem du deine Reise dokumentierst." Ihre Aussage bringt mich zum Lachen und ich kann es kaum fassen, wie mich der Plan zu verreisen entlastet. "Aber nicht mit meinem Gesicht drauf, sonst folgt bald der nächste Shitstorm." Schon eine Stunde später sind meine Koffer gepackt und wir stehen im Türrahmen.

"Du bist dir sicher, dass du jetzt schon gehen willst?", schmollt Claire rum und ich nicke begeistert. "Ja, ich habe vorhin doch bereits im Internet recherchiert und ein super Last-Minute-Angebot gefunden." Meine Worte schießen ihr Tränen in die Augen und sie schließt mich in ihre Arme. "Wenn du mich vermissen solltest, fliege ich sofort nach", schnieft sie und auch ich blinzle eine Träne weg. "Du bist die beste Freundin, die ich mir je hätte wünschen können. Pass auf  meine Eltern und Tommy auf", flüstere ich zum Abschied und mache mich auf den Weg zum Taxi. Ich lasse den Schmerz und die Enttäuschung hinter mir. Eines Tages wird die Wahrheit ans Licht kommen.


Me and my Millionaire 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt