thirteen

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Kurze Zeit später sitzen wir auf den Barhockern vor dem Küchenthresen und ich streiche nachdenklich mit meinen Fingern über die Konturen des weißen Mamors. "Ich weiß, ich hab eine Menge zu erklären. Deswegen bin ich dir umso dankbarer, dass du mir diese Chance gibst und auf mich zugekommen bist." Seine Worte sind aufrichtig. Doch ich schaffe es nicht mein Schweigen zu brechen. "Clara und ich waren von Beginn unseres Studiums an ein Paar. Sie war meine erste große Liebe, ich dachte nichts könnte uns trennen. Im letzten Jahr der Uni habe ich ihr den Antrag gemacht", spricht er mit ruhiger Stimme. Mein Blick richtet sich zu ihm auf und ich spüre bereits die Tränen in meinen Augenwinkeln.

"Ich dachte, sie liebt mich aufrichtig. Doch meine Familie und ich wurden eines Besseren belehrt. Meine Schwester Morgane erwischte Clara in flagranti mit ihrem Ehemann." Bisher habe ich seine Stimme noch nie so brüchig gehört wie gerade jetzt in diesem Augenblick. Seine Augen schließen sich und er seufzt hörbar auf. Ich verspüre einen mitleidigen Stich in meinem Herzen und lege fürsorglich meine Hand auf seine Schulter. "Es tut mir sehr leid, dass dir das alles so widerfahren ist. Das hast du nicht verdient." Ich spüre, wie meine Stimmbändern beim Sprechen leicht zittern. Mir schwebt schon die ganze Zeit über eine Frage im Kopf herum.

"Aber mir stellt sich weiterhin die Frage, wie du trotz allem gestern so locker und vertraut mit ihr umgegangen bist." Entgegen meiner Erwartungen richtet sich Dylan vom Barhocker auf und läuft durch den Raum. Ich beobachte jeden seiner Schritte und muss mich zusammenreißen, meine Frage nicht erneut zu wiederholen. Es dauert eine Weile, doch er findet wieder Worte. "Ich habe sie seit dem Vorfall nicht mehr gesehen. Es hat sich gestern einfach so angefühlt, als wäre die Affäre mit meinem ehemaligen Schwager nie passiert. Ich glaube, ich habe ihr verziehen." Er wirkt selbst sehr überrascht von seinen Worten. Doch mich stimmen diese nicht glücklich. Es ändert nichts daran, dass er mir einen Lebensabschnitt verschwiegen hat. Es verletzt mich sehr, dass er mir anscheinend noch nicht genug dafür vertraut hatte.

"Dylan, ich bin müde. Ich werde ins Gästezimmer gehen und erstmal dort schlafen." Die Gesichtszüge meines Freundes verraten, dass er mit meiner Entscheidung so nicht gerechnet hat. Er schluckt angespannt und nickt abwesend. "Gute Nacht, Mary. Ich hoffe, du wirst mich eines Tages verstehen." Er lässt mir nicht die Möglichkeit zu antworten und verlässt die Küche schnellen Schrittes. Ich höre, wie der Fahrstuhl sich öffnet und kann mir ein Seufzen nicht verkneifen. Ich habe wohl sein Ego getroffen.

Die restliche Woche vergeht wie im Flug und ehe ich mich versehe, ist es bereits Freitag. Seit unserem letzten Gespräch hat Dylan die Wohnung in den Abendstunden größtenteils gemieden. Ob er Überstunden machte oder mit Freunden unterwegs war, kann ich nicht sagen. Wir haben kein Wort miteinander gewechselt. Dementsprechend hatte ich es mir auch im Gästezimmer gemütlich gemacht, doch das muss heute nun ein Ende nehmen. Ich kann ihm nicht ewig böse sein.

Darum mache ich an diesem Freitag bereits früher Feierabend als sonst. Durch meine ganzen Überstunden der letzten Wochen habe ich mir das auch mehr als verdient. So langsam sollte ich auch mal meine Kündigung einreichen, doch der ganze Stress mit Dylan und Brian lässt mich kaum einen klaren Gedanken fassen. Ein Schritt nach dem anderen. Heute werden die Differenzen zwischen Dylan und mir beiseite gelegt.

Auf dem Heimweg schaue ich noch schnell im Supermarkt vorbei. Ich besorge neben den Zutaten für Enchiladas, noch eine Packung Pralinen und einen kleinen Strauß roter Rosen. Nach dieser schwierigen Zeit habe ich das Bedürfnis Dylan meine Liebe für ihn zu verdeutlichen. Meine gute Laune wird durch den in rosa getauchten Himmel noch verstärkt. In New York gibt es immer so unglaublich schöne Sonnenuntergänge. Ich kann mir ein Summen nicht verkneifen, als ich den Fahrstuhl betrete und auf den Knopf drücke. In den nächsten zwei Stunden bereite ich ein romantisches Abendessen für uns zwei vor. Auf den Tisch platziere ich eine Vase  mit den roten Rosen und die Pralinen. Auf dem Fußboden und auf den umliegenden Regalen im Esszimmer zünde ich etliche Teelichter an.

Zufrieden stemme ich beide Hände in die Hüften und flitze nach oben, um mich schnell umzuziehen. Dylan müsste jeden Augenblick hier sein. Als ich mir gerade ein lockeres Samtkleid überstreife, höre ich bereits Fußstapfen aus dem Flur. "Warte, Dylan", rufe ich ihm eilig entgegen und stürme aus dem Schlafzimmer. Hoffentlich verpasse ich seine Reaktion nicht. Mit einem riesigen Grinsen auf den Lippen stürme ich ins Esszimmer, wo mich bereits Dylan erwartet. Doch dieser ist zu meiner Verwunderung nicht allein. Mein Herz rutscht mir in die Hose und ich starre Brian überfordert an.

"Hi Mary", bricht Brian als Erster die Stille und kratzt sich nervös am Hinterkopf. Ich hebe sprachlos meine Hand zur Begrüßung und wende mich an Dylan. "Ich wusste nicht, dass Brian uns heute Abend besuchen kommt. Meine Überraschung hätte ich wohl ankündigen sollen." Ich erröte peinlich berührt über den kitschigen Aufzug und spiele nervös mit einer Haarsträhne. "Das ist eine sehr schöne Überraschung." Die raue Stimme von Dylan beschert mir eine Gänsehaut und mir fällt ein gewaltiger Stein vom Herzen. "Ich denke, ich mache mich dann auch mal aus dem Staub", kommentiert Brian sein Vorhaben und schlägt bei Dylan zum Abschied ein. Er dreht sich zu mir und ich reiße meine Augen überfordert auf. Doch das Piepen des Backofens unterbricht die Situation. "Die Enchiladas!", fällt mir ein und ich verschwinde schnell in die Küche.

In diesem Moment bin ich so dankbar über die Rettung aus dieser unangenehmen Situation. Nach unserer letzten Begegnung bin ich mir nicht ganz sicher, wie ich mich in der Nähe von Brian fühlen soll. Doch aus dieser Thematik will ich Dylan raushalten. Ich will nicht der Grund dafür sein, dass er Misstrauen in seinen besten Freund entwickelt. Deswegen mache ich mich ans Werk und hole die Enchiladas aus dem Backofen. Es duftet köstlich und ich kann mir ein stolzes Grinsen nicht verkneifen, als ich das Gericht ins Esszimmer trage. Auch Dylan sieht mehr als angetan aus. "Was ein Festmahl", staunt er und berührt mich sachte am Arm. Wir nehmen nebeneinander Platz und sehen uns tief in die Augen.

"Es tut mir leid, dass ich nicht transparent mit dir war. Ich werde das in Zukunft ändern." Seine Worte rühren mich und ich streiche ihm lächelnd über seine Wange. "Es tut mir leid, dass ich so lange gebraucht habe, um wieder zu dir zu finden. Nimmst du mich wieder in deinem Bett auf?" Ich kenne seine Antwort bereits und kann mir ein Kichern nicht verkneifen. Es breitet sich ein Strahlen auf seinen Lippen aus, was sogar seine Augen erreicht. Doch anstatt zu antworten, signalisiert er mir seine Zustimmung mit einem sanften Kuss.


Me and my Millionaire 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt