- Kapitel 2 -

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Clara tat sich wie immer schwer, auch nur einen Fuß vor die Tür zu setzen. Die wöchentlichen Spaziergänge empfand sie immer wieder als sehr anstrengend. Wünschte sie sich doch einfach nur in ihrer Festung der Trauer und Einsamkeit verweilen zu können und Zeit und Raum völlig hinter sich zu lassen. Doch Jessica war stets darauf bedacht, mindestens einmal in der Woche, Clara  aus ihrer Festung zu holen, auch wenn ihr das nicht immer gelang. Auch heute viel es ihr wieder sehr schwer, sich auf den anstehenden Spaziergang vorzubereiten. Doch sie wusste, dass sie heute Jessicas Gesellschaft benötigen würde, da es für sie an der Zeit war, endlich ihrem Sohn einen Besuch abzustatten. Ohne Jessi wäre dies für Clara jedoch nicht möglich. Das wusste sie.

Und so setzte sie langsam einen Fuß vor ihre eigene Haustür, atmete erneut tief ein, sog die warme Sommerluft tief in ihre Lungen, setzte den anderen Fuß ebenfalls vor die Tür und atmete tief aus. Clara zog die Tür hinter sich ran und hakte sich bei ihrer Freundin ein, die langsam mit ihr auf das Gartentor voranschritt. Die beiden Freundinnen setzten ihren Weg durch das kleine Dorf fort, kamen an einer kleinen Kirche in der Dorfmitte vorbei, blieben einen kurzen Moment davorstehen und hielten einen momentlang inne. „Wollen wir weiter?", fragte Jessica und lächelte Clara dabei sanft in ihr Gesicht. Mit einem Nicken zeigte sie, dass sie bereit war, weiterzugehen. Ihr Weg führte weiter durch das kleine Dorf, vorbei an einer kleinen Bäckerei, in der sich Jessica noch schnell einen Kaffee to go holte. Wenn man darüber nachdachte, konnte man meinen, dass Jessica ein regelrechter Kaffeejunkie war. Ohne Kaffee lief bei Claras neuer Freundin einfach garnichts.

Sie gingen schweigend mit langsamem Schritt weiter, bis sie an einem kleinen Blumenladen mit dem Namen „Fleur de la Mer" ankamen. Clara blieb kurz davorstehen und blickte in das Innere des Ladens. Bis auf einen Mann an den Blumenständen und einer pummeligen, bereits in die Jahre gekommene Kassiererin, war der Laden leer. Clara mied Menschenansammlungen, da sie mit Konfrontationen nicht in Berührung kommen wollte. Zu sehr hatte sie Angst davor, von den Dorfbewohnern, die sie nach ca. 4 Jahren hier mittlerweile fast alle kannte, mit Beileidsbekundungen und Anteilnahme konfrontiert zu werden. Da der Laden aber so gut wie leer war, entschied sich Clara kurzerhand hineinzugehen. „Warte kurz, ich komme gleich wieder.", gab sie ihrer Freundin zu verstehen und öffnete die Tür zu dem kleinen Blumenladen. Im Inneren erfüllte sich der Laden mit einem herrlichen blumigen Duft, den Clara direkt in ihre Lungen sog. Das Klingeln des kleinen Glöckchens an der Eingangstür, welches bedeutete, dass ein neuer Kunde in den Laden kam, ebbte langsam ab, als sie mitten im Laden stand. Unzählige Blumen, Sträuße und Pflanzen jeglicher Art breiteten sich vor Claras Augen aus. Der Mann, der eben noch bei den weißen Lilien stand, hatte sich auf den Weg zur Kasse gemacht und zahlte seine 3 ausgesuchten Blumen. Da Clara zu weit weg stand, konnte sie das in Englisch Gesprochene nicht verstehen. Lediglich das kurze „thank you" nahm sie wahr, bevor der Fremde sich umdrehte und den Laden verließ. Clara selbst lief weiter zu einem Topf mit unzählig vielen Sonnenblumen und entschied sich, eine Sonnenblume für ihren Sohn mitzunehmen.

Als Clara aus dem Laden trat, blickte ihre Freundin sie mit fragenden, hochgezogenen Augenbrauen an. „Jessi, würdest du mir einen Gefallen tun?", weiter schaute Jessica ihre Freundin fragend an. „Würdest du mich auf den Friedhof begleiten? Ich würde heute gerne Finn besuchen." Jessica nahm ihre Freundin kurzerhand in den Arm und drückte sie. „Natürlich.", lächelte Jessica ihr kurz darauf zu. Erleichtert atmete Clara auf. Doch bevor sie auf den Friedhof gingen, entschieden sie sich, noch einen Abstecher in den nahegelegenen Wald zu machen. Clara liebte die Natur hier. Den kleinen Bach, der sich mitten durch den Wald zog. Die verwilderten Pfade mit den kleinen Brücken, die sich in gewissen Abständen über das kleine Bächlein streckten. Sie genoss die Ruhe und atmete immer wieder die frische Waldluft in ihre Lungen. Während ihres Waldspaziergangs unterhielten die zwei Freundinnen sich kaum. Auch Jessica genoss die Ruhe und konnte ihren stressigen Arbeitsalltag hinter sich lassen. Am späten Nachmittag, als die Sonne schon langsam die Abenddämmerung vorbereitete, machten sich die beiden auf den Weg zum nahgelegenen Friedhof.

Safe Hands - Wie weit der Wind dich trägt...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt