- Kapitel 7 -

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Einige Tage waren vergangen, als Clara sich mit ihrer Freundin wieder versöhnt hatte. Insgeheim hatte sie gehofft, dass Jessica den ersten Schritt machen würde, da sie nicht in der Lage gewesen wäre, auf sie zuzugehen. Vermutlich lag es an ihrem Stolz. Vermutlich war es aber auch einfach nur die Wut, dass sie ihren Sohn nie wieder sehen würde und das hatte sie an ihrer Freundin ausgelassen, die schon so viel an Claras Verhalten hatte aushalten müssen und dafür schämte sie sich zutiefst. Sie hatte sich an diesem Abend der Versöhnung innerlich geschworen, es besser zu machen. Immer wieder gingen ihr die Worte ihrer Freundin durch den Kopf. -Er wird immer bei dir sein. Ganz tief hier drin.- Instinktiv fasste Clara mit ihrer Hand an ihre Brust, wo sich noch die Bruchstücke ihres Herzens befanden. „Mein geliebter Wirbelwind...", flüsterte Clara zu sich selbst und umklammerte kurz darauf den Bilderrahmen ihres Sohnes, der auf der Kommode in ihrem Wohnzimmer stand. „Ich vermisse dich so sehr!" Clara konnte ihre Tränen nicht mehr zurückhalten und sie begann, das Bild an ihre Brust gedrückt, erneut an zu weinen. Nachdem die Flut an Tränen langsam abebbte, hauchte sie einen zarten Kuss auf das Bild, in dem ihr kleiner Wirbelwind lachend in einer Kinderschaukel saß, und stellte das Bild wieder an seinen gewohnten Platz zurück.

Sie wischte ihre Tränen aus dem Gesicht und füllte sich ein Glas mit kaltem Leitungswasser auf, welches sie in mehreren Zügen leerte. Nachdem sie das leere Glas auf die Anrichte abgestellt hatte, erinnerte sich Clara an den Versöhnungsabend zurück.

- ...du kannst dich nicht für immer in Trauer und Einsamkeit wiegen... Lass es zu!-, hörte sie Jessica innerlich sagen.

Und so fasste Clara nach unendlichem Gedankenkreisen den Entschluss, sich ebenfalls bei diesem Patrick zu entschuldigen. Dafür, dass sie sich auf dem Friedhof wie eine Furie aufführte. Damals hatte sie ihren Frust an ihm ausgelassen, so als ob er schuld daran gewesen wäre, dass ihr kleiner Finn einen streunenden Hund retten wollte und dabei selbst nicht mehr gerettet werden konnte. Doch wusste Clara auch, dass Patrick, nur weil er einen Hund -nein eine Hündin besaß-, die er nicht immer an der Leine hielt, nichts für dieses Unglück konnte.

Auch müsste sie sich bei ihm entschuldigen, dafür, dass sie einfach fluchtartig ihn hat stehen lassen, ohne ihm auch nur einen Grund zu benennen. Vermutlich würde er sowieso nicht mehr mit ihr reden wollen nach dieser Aktion, dachte Clara innerlich und schämte sich ebenfalls dafür, sich damals so Verhalten zu haben.

Früher war Clara von so viel Lebensfreude erfüllt, hatte schnell Freundschaften schließen können, war offen für die Welt und alles Neue, das ihr auf ihrem Weg begegnete. Ihr ganzes Leben hatte Clara in München verbracht, zog mit ihren Freunden, die sie bereits seit ihrer Kindheit kannte, durch die Clubs der Stadt, machte die Nacht zum Tag und genoss das bunte Treiben der bayerischen Metropole. Mit 18 hatte sie das Abi in der Tasche und verfolgte zunächst den, -für Clara heute- wohl naiven Wunsch, die Welt zu bereisen und ein Jahr lang auf Backpacking-Tour zu gehen. Sie hatte sich schon alles ausgemalt, die schönsten Strände der Welt zu bereisen und soziale Projekte in Kinderheimen zu unterstützen. Doch natürlich kam alles anders als geplant. Das eigene Geld zu knapp, die Eltern gänzlich abgeneigt von Claras Plänen, sodass sie von ihnen keine Unterstützung erfahren hatte. Zu groß waren die Ängste ihrer Eltern, ihrer Tochter könnte auf ihren Reisen etwas zustoßen. Wie hatte sie damals als 18-Jährige ihre Eltern dafür verflucht. Doch heute hatte Clara verstanden, weshalb sie sich so wehrten, dass ihre einzige Tochter eine solche Unternehmung plante. Schlussendlich hatte sie sich dann doch für ein FSJ in einem Förderzentrum für Kinder mit geistiger- und körperlicher Behinderung entschieden. Ihren Wunsch, einmal die schönsten Strände zu bereisen, hatte Clara dennoch nicht aufgeben wollen. Nur eben erst einmal nach hinten zu verschieben.

Doch heute wusste sie, dass sie mit dem FSJ die richtige Entscheidung getroffen hatte. Als es um die Studienfrage ging, hatte sich Clara mit 19 fast 20 Jahren für den Studiengang Kindheitspädagogik an der katholischen Stiftungshochschule in München eingeschrieben. Schon während ihrer Tätigkeit im Förderzentrum gefiel Clara es, den Kindern sämtliche Geschichten vorzulesen und mit ihnen gemeinsam in eine andere Welt einzutauchen. Auch in ihrem Studium, machte sie bereits erste Schritte in die Welt des Schreibens. Ihre Eltern waren so unheimlich Stolz auf ihre Tochter, als sie ihr Studium nach drei Jahren mit Erfolg absolvierte. Clara selbst hatte in der Zeit und auch danach an mehreren Workshops teilgenommen, in denen sie lernte, Geschichten zum Leben zu erwecken. Nach ihrem Studium hatte sie direkt eine Vollzeitstelle in dem Förderzentrum angeboten bekommen, wo sie auch damals ihr FSJ absolvierte. Clara schrieb vor, während und nach der Arbeit. Die wildesten Ideen und Geschichten sprudelten förmlich aus ihr heraus, bis sie nach ein paar Jahren, Clara war mittlerweile 26 gewesen, den Mut fasste und ihr erstes Buch im Eigenverlag herausbrachte. Ihre Eltern hatten sie hierbei finanziell unterstützt und waren wie immer stolz auf sie.

Safe Hands - Wie weit der Wind dich trägt...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt