Kurze Zeit später hatte Clara sich in den noch kühlen Sand gesetzt und vergrub darin ihre Hände. Die morgendliche Brise umgab sie und ließ ihr offenes Haar leicht hin und her wedeln. Sie hatte ihrer Freundin nur eine kleine Notiz hinterlassen, auf der stand -Bin am Strand... Muss nachdenken- und machte sich direkt auf den Weg, während Jessica im Bad verschwunden war.
Immer wieder ließ sie den kühlen Sand durch ihre Hände rieseln und lauschte dem angenehmen Meeresrauschen. Sie schloss die Augen und genoss die Ruhe, die sie an diesem Morgen umgab. Sie fühlte sich in Börgerende mittlerweile sehr wohl, da sie auch am heutigen Morgen wieder alleine am Strand gewesen und keine Menschenseele in Sichtweite war. Mittlerweile hatte sich der tiefschwarze Himmel in eine rosa-rötliche Morgenröte verfärbt, als ob jemand mit einem Pinsel den Himmel angemalt hätte. Es schien als würde die Sonne sich langsam aus den Tiefen des Meeres erheben, um einen weiteren Tag in ihren Bann zu ziehen. Clara liebte es, hier ganz alleine am Strand zu sitzen, dem Rauschen des Meeres zu lauschen, die salzige Brise auf ihrer Haut zu spüren und die Morgenröte zu beobachten, die das ganze, fast schon paradiesische Bild abrundete. Hier konnte sie ungestört ihren Gedanken nachhängen und das Erlebte der letzten Tage und Nächte verarbeiten.
Vielleicht hatte Jessica ja doch recht und sie sollte sich Hilfe suchen. Jemanden, der ihr helfen kann, ihr Trauma zu verarbeiten. Sie wünschte sich, dass diese furchtbaren Albträume endlich aufhörten und sie endlich mal wieder durchschlafen könnte. Sie wünschte sich eigentlich ihr ganz normales Leben zurück. Ein Leben in dem sie unbeschwert lachte. In dem sie vor guter Laune das Radio aufdrehte und tanzte. In dem sie unter der Dusche stand und ihr Lieblingslied hinausträllerte. Ein unbeschwertes Leben, so wie sie es einst erlebt hatte. Doch wie sollte sie je wieder ein normales Leben führen können. Hatte man ihr das Wichtigste in ihrem Leben doch einfach so entrissen. Wie sollte sie unbeschwert wieder lachen können, wenn ihr Liebstes nicht mehr da war. Clara fühlte sich so verloren und bei dem Gedanken daran, dass sie nie wieder dieses unbeschwerte Leben führen könnte, fing sie an zu frösteln. Automatisch zog sie sich den Reisverschluss ihrer Vliesjacke bis zum Hals zu und schlang ihre Arme vor ihrer Brust eng zusammen.
Clara saß bereits eine ganze Weile am Strand und genoss die Ruhe, während vereinzelt Möwen über der Ostsee ihre Kreise zogen und laute Schreie hinausposaunten. Im Augenwinkel vernahm sie von Weitem einen Hund, der aufgeregt im Sand seine Kurven schlug und laut bellte. Clara schmunzelte, als sie den Hund sah und musste direkt wieder an den gestrigen Morgen denken, als sie panisch dachte, dass es Maja gewesen war. Doch war dies ja nur ein Einheimischer gewesen, der mit seinem Hund einen morgendlichen Spaziergang am Strand entlang machte. Auch heute würde er wieder seine Runde drehen.
Clara sah, dass in der Ferne jemand immer näherkam. Doch heute hatte sie ihre Muskeln nicht anspannen müssen und ihr Puls hatte sich ebenfalls ruhig verhalten. Sie wusste, dass Patrick schon auf dem Weg nach Dornum gewesen sein musste und er sicherlich hier nicht spazieren gehen würde. Warnemünde lag schließlich ungefähr 20 Minuten von Börgerende entfernt. Sie war felsenfest davon überzeugt, dass es wieder der Einheimische von Gestern war und hatte sich vorgenommen, ihn heute freundlich zu grüßen, anstatt ihn schockiert anzustarren. Bei dem Gedanken daran, wie sie sich gestern Morgen verhalten hatte, musste Clara schmunzeln. -Wie peinlich-, dachte sie sich.
Der Hund kam immer näher in ihre Richtung und hatte wieder sichtlich Freude, dem Stock, den sein Herrchen immer wieder weit von sich schmiss, hinterherzujagen. Auch Clara hatte sichtlich Freude daran, dem Hund bei seinem ausgiebigen Spiel zuzusehen. Mitten im Spiel blieb der Hund plötzlich stehen und es schien, als fixierte er Claras Gestalt, die immer noch im Sand gesessen hatte. Das Fell des Hundes hatte durch die Morgenröte auch einen rötlichen Schimmer angenommen. Hächelnd blickte der Hund in Claras Richtung. Es mussten keine hundert Meter mehr gewesen sein, die die beiden trennten, als der Hund laut aufbellte und plötzlich auf Clara zu rannte. Nun spannten sich Claras Muskeln doch etwas an. Sie wusste nicht wie sie reagieren sollte. Sollte sie aufspringen und wegrennen? Unbewusst blieb Clara jedoch sitzen. Wie angewurzelt und nicht fähig überhaupt aufzuspringen, um die Flucht zu ergreifen, starrte sie den anrennenden Hund an. Sie hoffte nur, dass er sie bloß nicht anfallen würde. Kurz vor ihr wurde der Hund plötzlich langsamer und blieb erneut stehen. Clara starrte weiter den Hund an. „Das kann nicht sein...", flüsterte sie und merkte, wie ihr Puls sich nun doch langsam beschleunigte.
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Safe Hands - Wie weit der Wind dich trägt...
Fanfiction**TRIGGERWARNUNG** In dieser Geschichte geht es um den Verlust eines jungen Menschen. Solltest du davon betroffen sein, wird empfohlen, diese Geschichte nicht zu lesen. --- Clara Larson steht als Mutter eines 3-jährigen Sohnes mit beiden Beinen fes...