- Kapitel 8 -

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Es mussten mehrere Minuten vergangen sein, in denen Clara auf das routinierte, fließende Wasser des Baches starrte und versuchte, die richtigen Worte zu finden. „Ich glaube... da muss ich etwas ausholen...", begann sie. Auch wenn sie Patrick nicht angesehen hatte, so konnte sie sein leicht schiefes Lächeln auf sich spüren. „Ich hab Zeit.", gab er ihr kurz zu verstehen. Clara holte einmal tief Luft und entschied sich, ein Teil ihres Inneren, ihres jetzigen Zustandes an Patrick preiszugeben, sodass er vielleicht, und wenn auch nur ein wenig verstehen konnte, warum sie so war, wie sie eben war. Jedenfalls hoffte Clara es insgeheim.

„Vor knapp vier Monaten musste ich das schlimmste erleben, was man als Mutter erleben kann. Ich hab meinen Sohn verloren..." Clara fiel es sichtlich schwer, überhaupt einen Anfang zu finden. Als sie die ersten Worte aussprach, hatte sich bereits ein kleines Bächlein aus Tränen in ihren Augen gefüllt. Doch noch hatte sich dieses Bächlein nicht über die Ufer gewagt. Patrick selbst fixierte Clara, während sie versuchte, sich zu erklären. „Finn war eben erst 3 geworden und im April wurde er von einem Auto überfahren..." Sie hatte es nicht mehr geschafft, ihre Tränen zurückhalten zu können und das Bächlein in Ihren Augen ergoss sich flutartig über ihre Wangen. Patrick schien ihr leises Schluchzen zu hören. „Oh wow.. shit." Scheinbar unsicher, wie er mit dem Erzählten umgehen sollte, stützte er sich mit seinen Händen auf die Brüstung der kleinen Brücke, auf der sie beide standen, ließ seinen Blick auf das fließende Wasser vor ihm fallen und pustete seine Backen leicht auf, um seine Betroffenheit auszudrücken.

Nachdem Clara sich etwas hatte fangen können, erzählte sie leise weiter. „Ich hab noch nie so einen Schmerz gefühlt und ich heule, jeden Tag, seit Monaten. Er fehlt mir so sehr." Erneut rannten die Tränen über ihre Wangen. Patrick schwieg und wollte scheinbar Clara den Raum und die Zeit geben, den Schmerz, den sie tagtäglich fühlte, rauszulassen. Trotz ihres Schmerzes, den sie in diesem Moment preisgab, konnte Clara seine Unsicherheit, wie er mit der Situation umgehen sollte, deutlich spüren. Nachdem er  wohl bemerkte, dass sie sich etwas gefangen hatte, überwand er sich, sie nun doch zu fragen, wie es passieren konnte, dass ihr kleiner Mann von einem Auto angefahren wurde. Clara erzählte ihm von dem Kindergartenausflug, von dem freilaufenden Hund, der mitten auf der Straße gestanden haben musste. Wie Finn unbemerkt hinrannte und so dann von dem Auto angefahren und über die Straße geschleudert wurde. Ihr fiel es sehr schwer, darüber zu sprechen, da es sich für Clara anfühlte, als würde sie an diesen schrecklichen Tag zurück katapultiert werden.

„Gosh...", entsetzt darüber, rieb sich Patrick im Nacken. Als er bemerkte, dass Clara erneut in Tränen ausbrach, überwand er die Distanz zwischen ihnen, legte seine Hand auf ihren Arm und drückte diesen sanft, um sichtlich seine Anteilnahme auszudrücken. „Das tut mir so leid.", flüsterte Patrick.

Clara brauchte einen Moment, um ins Hier und Jetzt zurückzukehren und sich die Tränen aus dem Gesicht zu wischen. „Naja und seitdem reagiere ich ziemlich... wie soll ich sagen... sensibel, wenn ich einen unangeleinten Hund sehe."

Patrick erstarrte und sein Gesicht verfärbte sich urplötzlich rötlich. „Oh shit... und dann kommt Maja auch noch direkt auf dem Friedhof auf dich zugerannt. Wenn ich das gewusst hätte...", versuchte Patrick sich zu erklären und hatte scheinbar direkt ein schlechtes Gewissen. „I'm so sorry. Ich dachte du hättest einfach Angst vor Hunden. Aber jetzt verstehe ich, warum du damals so ausgerastet bist." Mit bedauern hielt Patrick sich die Hand vor den Mund.

„Das konntest du ja nicht wissen.", erwiderte Clara ihm, ließ ihren Blick über seinen bedrückten Gesichtsausdruck schweifen und zwang sich zu einem ganz leichten schiefen Lächeln, dass ihr nicht wirklich gelingen wollte.

„Naja und du wolltest ja wissen, weshalb ich letztens die Flucht ergriffen hab." Erneut setzte Clara an, um sich ihm zu erklären. „No, it's ok... you don't have to..." „Doch ich will es aber." Clara unterbrach ihn direkt und Patrick schwieg, um ihr wieder den Raum hierfür zu schaffen.

Safe Hands - Wie weit der Wind dich trägt...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt