Clara spürte die feinen Sandkörner auf ihrer Haut, der Wind der durch ihre offenen Haare peitschte und sie roch das salzige Wasser, das in gleichmäßigen Abständen an den Strand schwappte. Sie saß ganz alleine am Strand, genoss die wohlige Wärme der Sonnenstrahlen, die sie umgab und hatte die Augen geschlossen. Vom gleichmäßigen Meeresrauschen ließ Clara sich vollkommen einlullen, als sie plötzlich ein herzliches Kinderlachen hörte. Es war ein Lachen, welches sie schon unzählige Male gehört hatte. Sie kannte es ganz genau und es war unverkennbar SEIN Lachen. Clara riss die Augen auf und wirbelte mit dem Kopf in die Richtung, in der sie das Kinderlachen hörte. Tief im Inneren wusste sie, dass es nicht sein Lachen sein konnte und doch musste sie sich vergewissern. Clara spürte, wie die Bruchstücke ihres Herzens an Fahrt aufnahmen und unaufhörlich mit mittlerweile rasendem Tempo in ihrer Brust schlugen, während sie den Strand mit ihren Blicken nach dem Kinderlachen absuchte.
Sie erstarrte und konnte sich keinen Millimeter mehr bewegen, als sie das Lachen ausfindig machen konnte. Jeder Muskel in ihrem Körper schien wie versteinert. Kleine Schweißperlen hatten sich blitzartig auf ihrer Stirn ausgebreitet und sie hörte, wie ihre Atmung automatisch schneller ging.
Unweit von ihr spielte ein kleiner Junge mit einem Hund mit schokobraunem Fell. Claras Augen weiteten sich immer mehr und sie fixierte den Jungen mit den goldblonden Haaren. Das Kinderlachen drang immer tiefer in Claras Gehör und sie war immer noch nicht fähig sich zu bewegen. -Das kann nicht wahr sein!-, dachte Clara innerlich und hatte das Gefühl, ihr Herz würde jede Sekunde aus der Brust springen.
Der kleine Junge warf immer wieder einen Stock in den Sand, den der braune Labrador mit Vergnügen apportierte. Sobald der Hund losrannte, ertönte erneut dieses wunderschöne und herzliche Kinderlachen.
„Das ist er. Das ist mein Sohn...", kam es Clara flüsternd über die Lippen und starrte den Jungen mit leerem Blick weiter an.
„Finn!" Clara begann seinen Namen zu rufen. Erst leise, bevor sie immer lauter wurde und schlussendlich seinen Namen aus voller Kraft aus sich herausschrie.
„FINN!!!" Doch es schien, als würde der kleine Junge sie nicht hören. Auch Clara bemerkte, wie ihre Stimme immer leiser wurde, obwohl sie seinen Namen inbrünstig aus sich herausschrie. Mit aller Kraft stand sie auf und wollte zu ihm rennen aber schaffte es nicht, sich von der Stelle zu bewegen. Sie rannte und rannte, und kam doch keinen Zentimeter voran. Ihre Gedanken fuhren eine wilde Achterbahnfahrt mit unzähligen Loopings. Das Adrenalin in ihrem Blut kochte immer mehr, weshalb ihr Puls immer weiter raste und sie das Gefühl hatte, ihr Herz würde jeden Moment stehen bleiben. Clara weinte und schrie Finns Namen immer weiter aus sich heraus, doch niemand konnte sie hören.
Schweißgebadet schrak Clara in ihrem Bett hoch, atmete sichtlich schwer und sie spürte, wie ihr ganzer Körper bebte.
Ohne weiter darüber Nachzudenken was gerade passiert war, schossen ihr die Tränen in die Augen und sie fing bitterlich zu weinen an. Sie hatte dabei ihr Gesicht automatisch in ihre Hände vergraben. Clara schluchzte unaufhörlich und es dauerte mehrere Minuten bis sie realisierte, dass sie geträumt hatte. Sie versuchte sich selbst zu beruhigen indem sie mehrmals tief ein und ausatmete.
„Es war nur ein Traum.", flüsterte Clara sich selbst zu, um sich weiter zu beruhigen. Und doch war sie fürchterlich enttäuscht und wünschte sich, dass es nicht NUR ein Traum gewesen wäre. Wie sehr wünschte sie sich ihren kleinen Wirbelwind zurück, wünschte sich, ihn in ihre Arme nehmen zu können. Mit ihm am Strand rumzutoben.
Clara richtete sich einen kurzen Moment später gänzlich auf, setzte sich auf die Bettkannte, rieb den Schlaf aus ihren Augen und streckte ihren ganzen Körper, um die Anspannung aus ihren Muskeln zu bekommen. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es bereits kurz nach Fünf Uhr morgens war und Clara war, nach diesem für sie doch so turbulenten Traum, hellwach. Unfähig überhaupt nochmal einzuschlafen, entschied sie sich aufzustehen und einen Tee zur Beruhigung zu trinken. Sie schlich in die Küche, setzte den Wasserkocher auf und schlich dann auf Zehenspitzen weiter in das kleine Bad zur Morgenwäsche, um ihre Freundin nicht zu wecken, die im Zimmer nebenan noch seelenruhig schlief und scheinbar nicht mitbekommen hatte, was mit Clara eben passiert war.
Nachdem sie sich gewaschen und das heiße Wasser in ihre Tasse gegossen hatte, setzte sie sich mit ihrem Tee auf die Terrasse des Bungalows und atmete die noch frische Ostseeluft tief in ihre Lungen ein. Für sie war es immer das Schlimmste gewesen, solche Träume erleben zu müssen. Zwar konnte sie Finn in ihren Träumen klar und deutlich vor sich sehen, jedoch war es immer wieder eine bittere Enttäuschung gewesen, sobald sie schweißgebadet aufwachte und ihr bewusst wurde, dass es wieder nur einer dieser fürchterlichen Träume war. Seltsam empfand sie es, dass in ihrem Traum auch noch ein Hund vorkam, der genauso aussah wie Patricks. Urplötzlich tauchten seine dunklen, ozeangleichen Augen vor Claras geistigem Auge auf und sie stellte sich die Frage, was er wohl gerade machte. Sie dachte kurz an ihren Spaziergang zurück und wie er ihr mitteilte, dass er für ein paar Wochen unterwegs sei.
Clara schob den Gedanken an Patrick jedoch direkt wieder beiseite und wollte sich nicht in derartige Gedanken fallen lassen. Nicht nachdem sie gerade wieder solch einen Traum erlebt hatte. Zu sehr war sie noch damit beschäftigt, diesen zu verarbeiten.
Während sie in dem Gartenstuhl saß, konnte Clara die ersten Vögel zwitschern hören und sah, wie der Horizont langsam erwachte, um einen weiteren sonnigen Tag zum Leben zu erwecken. Kurzentschlossen zog sie sich eine Vliesjacke über, und machte sich auf den Weg zum Strand, da sie gerne den Sonnenaufgang miterleben wollte.
Es hatte nicht lange gedauert und schon stand Clara mit ihren nackten Füßen in dem naturbelassenen Strand und konnte die Kühle des Sandes, der über Nacht abgekühlt war, unter ihren Füßen spüren. Der Ostseewind war noch frisch, strich ihr immer wieder durch ihr hochgebundenes Haar und Clara fröstelte ganz leicht, weshalb sie ihre Arme vor ihrer Brust verschränkte. Während die Sonne sich ganz langsam am Horizont erhob und dieser sich rötlich färbte, hätte man das Glitzern ihrer Tränen in ihren Augen sehen können, wäre jemand vorbeigelaufen. Clara dachte unaufhörlich an Finn, an diesen schönen und gleichzeitig alptraumhaften Traum und wünschte sich innerlich, dass er in Erfüllung gehen würde. Aber sie wusste, dass dies niemals passieren würde.
Clara genoss die Einsamkeit, die ihr an diesem Morgen am Strand von Börgerende dargeboten wurde. Immer wieder sog sie die salzige Luft in ihre Lungen, legte dabei ihren Kopf in den Nacken und schloss die Augen.
Von weitem hörte sie ein Hundebellen, welches immer näher auf sie zukam und ihr Puls schoss erneut in die Höhe als sie sah, dass ein großer Hund direkt auf sie zugerannt kam. Instinktiv huschten ihre Augen über den Strand. Insgeheim erhoffte sie sich, dass ihr Traum doch in Erfüllung ginge und Finn plötzlich in der Nähe auftauchte, um dem Hund ein Stöckchen zuzuwerfen. Aber sie wusste, dass das nicht möglich war und sie wusste auch, dass sie diesmal nicht träumte. Als der Hund näherkam und Clara bemerkte, dass seine Fellfarbe schokobraun war, schoss ihr mit einem Mal Patrick in den Kopf und erneut huschte ihr Blick suchend über den Strand. „Ich glaub ich werd langsam verrückt.", flüsterte sich Clara selbst zu und wusste, dass es ein gewaltiger Zufall sein musste, Patrick hier tatsächlich am Strand von Börgerende zu treffen. Sie schüttelte mit dem Kopf, beobachtete den Hund, der an ihr vorbeirannte, eine große Kurve zog und dieselbe Strecke wieder zurückrannte. Tatsächlich hätte Clara meinen können, dass es Maja gewesen sein könnte. Dieselbe Größe und Statur, dieselbe Fellfarbe und dasselbe unbeschwerte und freudige Verhalten. Ihre Blicke folgten dem sichtlich aufgeregten und vor Freude im Sand tobenden Hund, als Clara von weitem einen Mann wahrnahm, der langsam am Strand und in ihre Richtung spazierte, und mit einem lauten Pfiff seinen Hund zu sich zurückholte.
Claras Muskeln verkrampften sich erneut, als der Mann sich langsam näherte.
„Das kann nicht sein.", flüsterte Clara und spürte wie die aufsteigende Nervosität langsam durch ihre Adern floss und ihr brüchiges Herz erneut an Tempo aufnahm.
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Safe Hands - Wie weit der Wind dich trägt...
Fanfic**TRIGGERWARNUNG** In dieser Geschichte geht es um den Verlust eines jungen Menschen. Solltest du davon betroffen sein, wird empfohlen, diese Geschichte nicht zu lesen. --- Clara Larson steht als Mutter eines 3-jährigen Sohnes mit beiden Beinen fes...