Komplizierte Freundschaften

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Mir wurde stets gesagt, dass ich ein Mensch sei, der sich wahnsinnig gut in die Gefühle anderer hineinversetzen konnte

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Mir wurde stets gesagt, dass ich ein Mensch sei, der sich wahnsinnig gut in die Gefühle anderer hineinversetzen konnte. Angeblich wäre ich ein sehr guter Zuhörer und wisse immer auf alle Probleme dieser Welt eine klare Antwort. Und vielleicht war ich das auch. Doch das galt nur für die anderen.

Ja, ich konnte mich wahnsinnig gut in die Gefühle hineinversetzten, bei meinen eigenen jedoch war ich völlig planlos. Ja, ich hörte gerne anderen zu, doch wenn es um mein Herz ging, tat ich so, als sei ich vollkommen taub. Ja, ich hatte schon vielen meiner Freunde bei ihren Problemen durch einen guten Rat helfen können, aber war bei meinen eigenen völlig hilflos. In Wirklichkeit war ich genauso verloren wie viele andere auch und war nicht in der Lage, so Sachen wie den Sinn des Lebens zu erklären.

An manchen Tagen fiel mir sogar das Aufstehen besonders schwer, auch wenn überall draußen die Sonne schien. Mir schmeckte das Essen von meiner Mutter nur solange, bis ich mir dessen bewusst wurde, wie viel neue Kilokalorien ich auf die Hüften bekommen würde.

Ich fand jeden Menschen, so wie er war, wundervoll und trotzdem konnte ich nicht die Schönheit in mir sehen. Irgendwie glaubte ich an die große Liebe und war dabei nicht in der Lage, mir vorzustellen, jemals die Freundin von irgendwem zu sein. Ich glaubte an den Satz ,,jeder Topf findet seinen Deckel'' und bezweifelte zugleich, dass dies ebenso für mich galt.

Ich hatte alles, was man sich wünschen konnte. Eine großartige Familie (darunter Tiere inbegriffen), die mir jeden Tag ihre bedingungslose Liebe schenkte und ein mehr als schönes Zuhause. Drei tolle beste Freunde, die ich auf keinen Fall missen wollte.

Ich war gesund und körperlich sehr fit, weil ich in meiner Freizeit viel Sport trieb und trotzdem hatte ich mich nie in meiner Haut besonders wohl gefühlt. Ich war jung und hätte eigentlich meine Zeit als Teenager zu der Zeit meines Lebens machen sollen.

Es gab so viele Dinge in meinem Leben, für die ich hätte dankbar sein sollen. Doch meine eigenen Selbstzweifeln hielten mich davon ab, der Mensch zu sein, der ich sein wollte und zu sehen, welches Glück ich doch hatte, Ashley Cooper sein zu dürfen.

***

,,Das übliche?'', wurden wir von Nick gefragt, als er uns unsere Kinokarte aushändigte.

Nick Cole und ich waren schon immer gute Freunde gewesen. Wir kannten uns schon seit dem Kindergarten, wo wir ziemlich oft zusammen im Sandkasten gespielt hatten. Als dann in der ersten Klasse die Phase kam, in der sich Jungen und Mädchen einander angeblich nicht leiden durften, waren wir kurzzeitig getrennte Wege gegangen und hatten so gut wie gar nichts miteinander gemacht.

Weil man mit dem Alter reifer wurde, hatten wir uns in der vierten Klasse wieder allmählich angenähert. In der fünften Klasse, wo Jungs merkwürdigerweise doch interessant wurden, hatte ich gemerkt, dass ich mehr als nur mit ihm befreundet sein wollte. Und dennoch hatte ich es nie gewagt, ihm meine Gefühle zu gestehen, weil ich auf keinen Fall unsere Freundschaft aufs Spiel setzen und verlieren wollte.

Mit 14 wurde mir das erste Mal in meinem Leben von einem Jungen das Herz gebrochen, als Nick mir freudestrahlend seine erste richtige Freundin vorgestellt hatte. Glücklicherweise hatte er sich nach ein paar Wochen von ihr getrennt. Wir waren praktisch miteinander aufgewachsen und groß geworden. Es war schon immer selbstverständlich gewesen, dass er ein guter Freund von mir war, aber nie mein Freund. Je mehr Zeit verging, desto besser lernte ich vor ihm zu verstecken, was ich wirklich für ihn empfand.

,,Yep, eine Tüte süßes Popcorn, eine Packung Snickers, zwei Colas und einmal Chips'', bestätigte Selina.

Sie war meine beste Freundin und wusste als eine der wenigen, dass ich auf Nick stand. Als wir herausgefunden hatten, dass Nick jeden Dienstag und Donnerstag im Kino arbeitete, hatte ich sie schon einige Male überreden können, mit dort während seiner Arbeitsschicht einen Film anzusehen. Mittlerweile waren wir schon so oft hier gewesen, dass er unsere Bestellung bei ihm schon auswendig kannte.

,,Ich werde mal bei Gelegentlich mit meinem Chef sprechen. Ihr seid ja so oft hier, dass ihr einen Rabat bei uns definitiv verdient hättet'', bot er großzügig an.

,,Das wäre wirklich nett von dir'', brachte ich nur mit Mühe heraus.

Verlegen strich ich mir eine Strähne hinters Ohr. Meine Knie wurden ganz weich, mein Kopf schaltete sich in Form einer Kurzschlussreaktion einfach aus und normal zu sprechen, fiel mir unglaublich schwer.

Selbst normal zu atmen, fiel mir in solchen Momenten schwer. Geschickt bediente Nick die Popcornmaschine und füllte eine leere Tüte mit dem Popcorn auf, die er uns dann in die Hand drückte. Danach gab er uns unsere Getränke und die Snickers und Chips Packung.

Als wir bezahlt und uns von ihm verabschiedet hatten, liefen wir in den etwas dunklen Kinosaal, wo wir uns auf unsere zugewiesenen Plätze setzten.

,,Das kann doch nicht ewig so weitergehen, Ashley'', meinte Selina vorwurfsvoll zu mir.

,,Was meinst du?'', tat ich unwissend, obwohl ich genau wusste, worauf sie hinauswollte.

,,Das mit dir und Nick. Warum fragst du ihn nicht, ob er Zeit mit dir alleine verbringen und sich mit dir treffen möchte? Es ist es doch nicht Wert, jedes Mal ins Kino zu gehen, nur damit du ihn ein paar Minuten lang an der Kasse sehen kannst. ''

,,Früher war das kein Problem gewesen, weißt du. Früher hatte ich stundenlang mit Nick alleine sein können, ohne das es sich unangenehm für uns beide angefühlt hat. Doch leider sind wir nicht der Nick und die Ashley von damals und unser Verhältnis momentan kompliziert.''

Ich hasste mich selbst dafür, dass ich die Gefühle, die ich für ihn hatte, nicht einfach abstellen konnte.

,,Ich bin mir sicher, dass er sich sehr darüber freuen würde, wenn du ihn fragen würdest, ob ihr euch nicht mal auf einen Kaffee oder so verabreden sollt.''

Sagte ausgerechnet diejenige, die sich genauso wenig trauen würde. Wenn es um Jungs ging, war Selina mindestens genauso schüchtern wie ich. In unserem Biokurs gab es einen Jungen der Brice hieß, welchen sie fast schon vergötterte.

,,Du würdest dich doch selbst nicht trauen, so etwas deinen Brice zu fragen.''

,,Das ist doch etwas völlig anderes, Ashley. Ich kenne Brice so gut wie kaum bis gar nicht. Dich und Nick hingegen verbindet eine jahrlange Freundschaft. Was ist daran so schlimm mehr zu wollen, wenn das auf Gegenseitigkeit beruht?''

Auf Gegenseitigkeit?

Das konnte ich mir absolut nicht vorstellen. Auf keinen Fall. Niemals hatte Nick auch bloß eine geringste Andeutung gemacht, dass ich für ihn mehr sehr könnte als bloß eine Freundin.

,,Und woher willst du wissen, dass das auf Gegenseitigkeit beruht? Woher willst du wissen, dass Nick genauso wie ich empfindet?''

,,Ich weiß es einfach. Wenn er dich bloß ansieht, steht es ihm praktisch ins Gesicht geschrieben'', war sie überzeugt.

Band 4 der Living Reihe - Living my best life ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt