Wie alles anfing

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Depressionen fühlten sich so an, als hätte dir jemand all dein Glück gestohlen und jede nur erdenkliche Farbe aus allen für dich bedeutsamen Momenten geraubt

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Depressionen fühlten sich so an, als hätte dir jemand all dein Glück gestohlen und jede nur erdenkliche Farbe aus allen für dich bedeutsamen Momenten geraubt.

Sie schlich sich langsam in dein Leben und der Augenblick, wo du es bemerktest, war es meistens leider schon zu spät. Zuerst dachte man, dass es nur Stress war, der dir den Kopf zerbrach oder einfach das Gefühl nie wieder aufstehen zu können. Du redetest dir ein, dass du zu faul seist, obwohl du in Wirklichkeit einfach nicht mehr konntest.

Alles in deinem Kopf belächelte dich dafür, dass du nicht einmal die einfachsten Sachen hinbekamst. Während alle andern Menschen um dich herum ihr Leben in vollen Zügen lebten, wurdest du gestoppt.

Die Depression stieß dich von ihnen weg von allen Dingen und Personen, die du jemals lieb gehabt hattest und verbannte dich in den dunkles Loch.

Ohne etwas, das dich da wieder hinaus holen konnte. Alles Licht war plötzlich weg. Du warst gefangen in deinem eigenen Kopf und hattest das Gefühl, die ganze Welt auf deinen Schultern  tragen zu müssen. Du passtest nicht rein und fühltest dich vollkommen verloren. Es gab nichts anderes mehr, als die düsteren Gedanken, die sich mit ihren gefährlichen Schlingen umgarnten. Sie erzählten dir die Lügen solange, bis du selbst daran glaubtest.

Doch ich wusste, dass es da einen Weg wieder rausgab. Ich war der Beweis dafür, dass er existierte. Und war jede Hürde noch so groß: Man sollte niemals sich selbst aufgeben. Das war keine Option.

***

In meiner Freundesgruppe war ich stets diejenige gewesen, die alles organisierte. Ich lud Selina, Riley, Bianca und Aubry zu mir nach Hause ein und kaufte extra dafür ein paar leckere Sacks. Wir sahen uns einen guten Film an und lackierten währenddessen unsere Fingernägel. Wir quatschten ebenso über Dinge, die Mädchen halt in diesem Alter interessierten. Selina redete uns die Ohren voll über ihren Schwarm Brice. Es war schon unglaublich, wie viel man über eine Person wissen konnte, ohne sie richtig zu kennen.

Riley berichtete uns immer von ihren Kunstwerken und was so als nächstes bei ihr anstand. Seitdem sie zusammen mit Jeremys Hilfe einen Preis bei einer Kunstausstellung erhalten hatte, blühte sie erst recht auf. Ihre Eltern hatten endlich verstanden, dass ihre Tochter eine Künstlerin war und es auch bleiben würde, so lange sie lebte. Für sie war Kunst zu erschaffen wie atmen. Es ging nicht ohne und sie hatte genau darin ihre ganz persönliche Lebensaufgabe entdeckt.

Bianca wollte es nicht laut zugeben, doch ich bemerkte sehr wohl, dass sie eine gewisse Zuneigung gegenüber Aubry empfand. Ich konnte nicht genau sagen, woran ich das festmachte. Vielleicht war es der liebevolle Blick, mit der sie Aubry ansah und ihr damit das Gefühl gab, dass sie wertvoll war. Als die beiden sich bei Wahrheit oder Pflicht geküsst hatten, hatte es alles andere als gespielt ausgesehen. Da war etwas und dennoch sprach es Bianca niemals aus. Stattdessen hatte sie etwas am Laufen mit einem Typen der Toby hieß, doch er schien nicht von so großer Bedeutung zu sein. Sie redete kaum über ihn und wenn sie es tat, war da nicht sehr viel Liebe für ihn aus ihrer Stimme herauszuhören.

Aubry schien es ähnlich wie Bianca gegangen zu sein. Sie sah sie auf die gleiche Art an und aus ihren Worten war sehr deutlich herauszuhören, dass sie Bianca absolut toll fand. Sie ermutigte die Rothaarige jedes Mal, wenn es einen Streit zwischen ihr und ihren Schwestern gegeben hatte und sagte ihr, dass sie, wunderbar war, so wie sie war. Ansonsten erzählte sie uns stets von den durch die Eventkomitee geplanten Partys.

Wenn das Wetter gut war, gingen wir an die Promenade und ließen etwas Sonne auf uns scheinen. Ich sah aufs Meer und für einen Moment fühlte es sich wirklich so an, als wäre ich ganz normal. Als wäre ich nicht das Mädchen, das sich in den Schlaf weinte und sich in der Dusche ritzte. In diesen Augenblick empfand ich keinerlei Last und war einfach nur froh am Leben zu sein. Den Wind in meinen Haaren zu spüren. Auf den endlos weiten Ozean blicken und oben ein wolkenloser Himmel mit einer hell schimmernden Sonne. Neben mir meine Freunde, die ein breites Lächeln im Gesicht hatten. Das war für mich die Definition von Glück.

Doch eines Tages zog Aubry weg und damit waren wir eine Person weniger. Wir verstanden uns natürlich alle immer noch gut, jedoch war bemerkbar, dass ein ganz bestimmter Mensch in der Gruppe fehlte. Da waren nicht mehr diese typischen Aubry-Witze, die einem sofort ein Lächeln ins Gesicht zauberten. Ihre Ruhe bringende Präsenz fehlte und jeder beschäftigte sich mehr mit sich selbst. Wir trafen uns weniger und meine Depression erreichte ihren Höhepunkt. Und es gab nichts, was ich dagegen machen konnte, weil ich mich nicht traute, meinen Freunden zu sagen, dass etwas nicht in Ordnung war.

Ich konnte mir nicht genau erklären, wann es begonnen hatte. Ich wusste aber, dass es mehr als wehgetan hatte, als dein bester Freund plötzlich nichts mehr von dir wissen wollte und dich einfach liegen gelassen hatte. Und wenn dann selbst die Menschen, die hätten bleiben sollen, andere Pläne hatte und ihre eigenen Wege gingen, warst du allein. Es war genau die Sache, vor die ich mich am meisten fürchtete. Denn wenn ich allein war, wurde die Stimmen in mir erst richtig laut. Als ich keine Kraft mehr in mir besessen hatte, gegen diese Stimmen anzukämpfen, war es das erste Mal, dass ich zum Messer griff. Es war nur ein kleiner Schnitt gewesen, doch genau damit hatte es dann letztendlich angefangen. Es war das Streichholz für das lodernde Feuer gewesen.

Und dann noch im Internet seine Vermutung bestätigt zu bekommen, machte es wahrscheinlich nicht besser. Die frühere Ashley Cooper hätte wahrscheinlich daraus dennoch eine wundervolle Geschichte zaubern können, die anderen Mut und Kraft gegeben hätte. Genau das war ja schon seitdem sie klein war ihr großer Traum gewesen.

Doch die Person, die ich heute war, tat es nicht, weil sie nicht mehr an sich selbst glaube und das Schreiben für alle mal aufgegeben hatte. Sie würde niemals jemand sein, der die Farben zum Erleuchten bringen würde.

Also griff ich nicht zum Papier und blieb das Mädchen, das sich so verloren auf dieser Welt fühlte.

Band 4 der Living Reihe - Living my best life ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt