Versöhnungen

102 18 66
                                    

Ich war vielleicht nicht aufgrund meiner Launen die unbedingt beste Freundin, die man haben konnte

Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.

Ich war vielleicht nicht aufgrund meiner Launen die unbedingt beste Freundin, die man haben konnte. Aber ich sah ein, wenn ich einen Fehler gemacht hatte. Meine Depressionen wollten vielleicht dafür sorgen, dass ich gerade die Menschen von mir stieß, die mir am wichtigsten waren.

Aber sie war nicht Ashley Cooper.

Sie war nur der Ausdruck ihrer Verzweiflung, ein gefährliches Gedankenkonstrukt ihres Kopfes und ein unsichtbarer Schatten, der sie begleitete. Ich hatte sehr lange gebraucht, um das zu begreifen. Tief in mir drinnen wusste ich, dass du selbst die einzige Person warst, die ihr Einhalt gebieten konnte und dafür sorgen musste, dass sie eben nicht dein Leben zerstörte.

Selbst wenn sie dich mal auf den Boden drückte, musstest du alles dafür tun, um wieder aufzustehen. Du konntest sie nicht gewinnen lassen. Du musstest es dir selbst wert sein, dass du weitermachtest, egal wie schwierig es auch war. Das Leben bestand nun mal aus Höhen und ebenso aus Tiefen und Menschen, die an Depressionen litten, wussten das wahrscheinlich von allen Menschen auf diesem Planeten am besten.

***

Mir waren die Tränen gekommen, als ich Selinas Brief im Briefkasten gefunden und gelesen hatte. Es war eine aufrichtige Entschuldigung, die mich klar machte, dass ihr unsere Freundschaft wichtig war. Ja, sie hatte sich verändert und mit ihrem Austauschpartner ein scheinbar inniges Verhältnis.

Aber das hieß nicht, dass ich keinen Platz mehr in ihrem Leben hatte. Ich hatte mir schon so oft gewünscht, dass sie etwas mehr aus sich herauskommen würde und nun hatte sie es mit Joshs Hilfe tatsächlich getan und ich hatte sie dafür angeschrien und dazu auch noch nicht mal die Chance gegeben, es mir zu erklären.

Das war nicht richtig gewesen. Ich war grundlos sauer auf sie gewesen, hatte die ganze Woche ohne sie verbracht und hatte mich dadurch noch verzweifelter gefühlt. Natürlich hatte ich Zeit mit anderen Menschen verbracht, aber Selina war aus all meinen Freunden meine ganz persönliche Bezugsperson. Und wenn ich den Mut gehabt hätte, hätte ich ihr erzählt, dass es mir in der letzten Zeit nicht sonderlich gut ging. Doch aus Scham hatte ich das nie getan.

Als ich die nötige Kraft hatte, griff ich zum Telefon und rief sie an. Es dauerte gerade mal 20 Minuten bis es an der Tür klingelte und Selina mich in den Arm nahm, als ich öffnete. Wir gingen in mein Zimmer und setzten uns auf mein Bett.

,,Ich habe überreagiert und das tut mir leid'', entschuldigte nun ich mich bei ihr.

,,Nein, das hast du nicht'', wiedersprach mir Selina, doch ich wusste, dass die Wahrheit anders aussah.

,,Doch, ich habe dir nicht mal die Möglichkeit gegeben, mir zu erklären, was gerade los ist und das hätte ich tun sollen. Vielleicht war ich auch eifersüchtig, dass Josh meine Rolle übernommen hat. Ich freue mich echt, dass ihr mittlerweile euch so gut versteht.''

Ich konnte noch nicht ganz benennen, was das für ein Verhältnis zwischen ihr und Josh war. Es konnte natürlich auf Freundschaft beruhen oder mehr sein. Vielleicht wusste sie es selbst noch nicht so richtig. Aber eigentlich war es doch gut, dass sie sich mit dem Typen verstand, den sie anfangs nicht gemocht hatte.

,,Er hätte niemals deinen Platz einnehmen können, Ash'', versicherte mir meine beste Freundin und allein bei diesem Satz hätte ich fast von selbst losheulen können.

Dass sie ausgerechnet mich als ihre allerbeste Freundin sah, war nicht verständlich. Schon gar nicht, wenn ich sie so mies behandelt und den Kontakt zu ihr gemieden hatte, weil ich momentan mit mir selbst nicht klarkam. Ich fand es wunderschön, dass sie so dachte.

,,Da bin ich mir nicht so sicher. Es hat so ausgesehen, als hätte er dich mehr verstanden wie ich es jemals tun könnte.''

Keine Ahnung, woher dieses Gefühl kam. Aber ich spürte, dass da etwas zwischen ihnen in der Luft hing. Das war mir vor allem an unserem Mädelsabend beim Volleyballspiel aufgefallen, als ich die Dynamik zwischen ihr und Josh zum ersten Mal miterleben durfte. Beim anschließenden Lagerfeuer war mir noch viel mehr bewusst geworden, dass irgendetwas sein musste, wo ich noch nicht ganz durchblickte.

,,Nein, das ist nicht wahr. Du verstehst mich genauso sehr, wenn nicht noch mehr.''

Selina gab sich wirklich Mühe, mir das Gefühl zu geben, dass ich gebraucht wurde und ihr wichtig war. Und das tat mir als Mensch, der vor lauter Selbstzweifeln total zerfressen war, unheimlich gut. Sie ahnte es wahrscheinlich nicht mal, wie wichtig das gerade für mich war.

,,Ich habe dich so vermisst, Selina Maus'', sagte ich liebevoll und ich sah die Tränen in Selinas Augen, die sich bei meinen Worten bildeten.

Ich hatte sie offensichtlich mit meinem Verhalten ihr gegenüber verletzt und deswegen war ich so froh, dass wir diesen bescheuerten Streit geklärt hatten. Wir umarmten uns nochmals und meine Depressionen verschwanden für diesen Augenblick ganz weit hinten in meinem Kopf.

,,Heißt das, du vergibst mir?'', wollte ich sichergehen.

,,Natürlich. Beste Freunde bleiben beste Freunde egal was passiert'', beruhigte mich Selina und ich war gerade zu erleichtert.

,,Komm, ich mach uns eine Limonade und du erzählst mir, was während dieser Woche so passiert ist und wie es Riley und Louise geht.''

Ich hatte die beiden nicht gesehen, weil sie die ganze Zeit über Selina Gesellschaft geleistet hatten. Und irgendwie war ich ihnen sehr dankbar dafür. Ansonsten wäre Selina ganz allein gewesen.

Selina berichtete mir, dass dem Kunstkurs unserer Schule beigetreten war, weil es sich Riley gewünscht hätte. Ich musste lachen, als sie mir erzählte, dass sie erst mit dem Malen begonnen hatte, als Riley aus Versehen ihre Leinwand mit Farbe beschmiert hatte. Ich bewunderte Selina dafür, was sie alles konnte. Sie war irgendwie in allem, was sie tat, ein Naturtalent. Wenn ich ihr einen Stift und ein Papier in die Hand gedrückt hätte, hätte sie bestimmt eine tolle Geschichte geschrieben, die meine eigenen bei Weiten übertroffen hätte.

Eventuell lag es auch etwas daran, weil sie zielstrebig war und nicht aufgab, wenn etwas beim ersten Versuch nicht klappte. Und genau dafür bewunderte ich sie, weil es etwas war, was mir mehr als schwerfiel.

Doch dieses Mal wollte ich nicht so schnell aufgeben, weil mir der gestrige Nachmittag gezeigt hatte, dass es jemanden gab, der an mich glaubte. Nick war davon überzeugt, dass Ashley Cooper stärker als ihre Schwächen war und irgendwie gab mir das Motivation, dranzubleiben und allen zu zeigen, dass mehr in mir steckte, als ich jemals geglaubt hätte.

Band 4 der Living Reihe - Living my best life ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt