Wenn Wahrheiten ans Tageslicht kamen

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Manchmal kamen Dinge ans Tageslicht, von denen man gehofft hatte, dass sie im Verborgenen blieben und es ausreichte, dass man diese mit sich selbst ausmachte

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Manchmal kamen Dinge ans Tageslicht, von denen man gehofft hatte, dass sie im Verborgenen blieben und es ausreichte, dass man diese mit sich selbst ausmachte.

Doch meistens war es nicht so. Das Schicksal mischte sich mit ein und sorgte dafür, dass genau diese Sachen plötzlich sichtbar für andere wurden.

Für einen Augenblick glaubte man, dass mit der Wahrheit die Welt zusammenbrach, sie tat es nicht. Als der Junge, den ich liebte, zum ersten Mal sah, wie schlecht es mir ging, verließ er mich nicht.

Er blieb bei mir und zeigte mir damit, dass ich auch mit meiner Dunkelheit liebenswert war. Und genau das war ein Geschenk, welches ich ihm wahrscheinlich niemals zurückzahlen konnte.

***

,,Ashley, du musst doch in deinem T-Shirt schwitzen. Zieh es einfach über den Kopf. Du hast schließlich einen Bikini an. Dann brauchst du es hier nicht mehr'', versuchte mein Freund mich zu bearbeiten, als wir eines Nachmittags draußen einen Ausflug machten.

Ich dachte nicht groß darüber nach, als ich mir mein Oberteil über den Kopf zog. Denn Nick hatte wirklich recht. Am Strand war es gerade unglaublich heiß und ich wollte die warme Sonne unbedingt direkt auf meiner bloßen Haut spüren. Aber als ich dann Nicks Blick sah, wurde mir ganz anders. Ich hatte vollkommen vergessen, dass so nun die Narben auf meinen Armen sichtbar waren und er sie auf diese Weise direkt sehen konnte, weil ich keinen schützenden Stoff mehr trug.

Verdammt, was habe ich da nur getan und warum habe ich das bloß vergessen!!!!

Ich bin die dümmste Person auf Erden!

Der geschockte Gesichtsausdruck spricht Bände ...

Ich rechnete damit, dass Nick aufstehen, abhauen und nie wieder etwas mit mir zu tun haben wollen würde. Er blieb jedoch und stellte nicht direkt die offensichtlichen Fragen wie ,,Verletzt du dich selbst? Bitte sag mir nicht, dass du das machst! Du hast doch keinen Grund dazu! Wie lange tust du das schon? Warum, Ashley? Verdammt, so etwas macht man einfach nicht! Hasst du dich selbst so sehr?''

Nick schluckte und ich konnte ihm nicht mal in die Augen blicken, weil die Scham in mir zu groß war. Er musste mich jetzt bestimmt für völlig verrückt halten. Mich machte es noch viel wahnsinniger, dass er versuchte, Ruhe auszustrahlen, obwohl der Anblick meiner Narben ihn schockierten, weil er sie so deutlich anstarrte.

Ich überlegte, ob ich mir nicht einfach eine plausible Ausrede ausdenken sollte, doch ich tat es nicht. Es fühlte sich unglaublich falsch an, wenn ich Nick da anlügen würde. Es wäre ihm gegenüber alles andere als gerecht.

,,Ich hatte recht gehabt'', hörte ich ihn murmeln und ich zog die Stirn kraus.

,,Was genau meinst du damit?'', fragte ich ihn und probierte die innere Angst in mir ganz weit nach hinten zu schieben.

,,Bei unserer ersten Nachhilfestunde meintest du, dass du zweifelst, ob du das hinbekommst. Irgendetwas in mir hatte damals schon geahnt, dass du damit mehr meinst als nur Mathe.'' Und da konnte ich nicht mehr die Tränen an mich halten. Er hatte mich durchschaut und es gab nichts mehr, mit dem ich die ,,Mir geht es gut'' Maske aufrecht halten konnte. Nick nahm mich in den Arm und irgendwie hasste und liebte ich ihn zugleich dafür. Ich hasste ihn dafür, dass er es geschafft hatte, die wahre Ashley Cooper herauszulocken. Und ich liebte ihn dafür, dass er ihr Trost spenden wollte, als sie diesen mehr als brauchte. ,,Ash, bitte weine nicht. Es ist in Ordnung. Du musst es mir auch nicht erklären, wenn du das nicht möchtest, okay? Und am wenigsten solltest du dich für dich selbst oder deine Gefühle schämen.''

Gott, dieser Junge war einfach ...

Selbst in so einer Situation sagte er irgendwie genau das Richtige.

,,Ich ... ich habe vergessen, dass man die so sehen kann. Bitte ... bitte entschuldige.''

Ich wollte mir wieder das T-Shirt drüberziehen, doch Nick hielt mich auf, indem er nach meinen Armen griff.

,,Mach das nicht. Du musst sie nicht vor mir verstecken.'' Ich atmete tief durch und versuchte, mich zu beruhigen. ,,Mach dir keine Sorgen. Ich gehe nirgendwohin, versprochen. Und ich liebe dich jetzt auch nicht weniger, wenn du das denkst. Du bist für mich immer noch genauso schön wie davor.''

Ist klar ...

Du findest mich also auch mit den Narben schön?

Das wage ich sehr zu bezweifeln ...

,,Du musst mich nicht anlügen, Nick. Ich weiß, dass es nicht so ist.''

Mein Freund ließ jedoch so schnell nicht locker. Er griff nach meinem Gesicht und sorgte damit dafür, dass ich ihn wieder ansah.

,,Du hörst mir jetzt mal gut zu, Ashley Cooper. Ich liebe dich so, wie du bist. Mit und ohne Narben. Ich weiß nicht, was das Leben mit dir gemacht hat und warum du es getan hast. Ich weiß nicht, warum du so unsicher im Bezug zu dir selbst bist. Ich jedenfalls sehe in dir einfach nur dieses wunderschöne Wesen, das mich jeden Tag so glücklich macht. Bitte gebe mir die Chance, dir etwas von deinem Glanz zu spiegeln, damit du erkennen kannst, wie toll du bist. Lass mich deine Wunden flicken und sie mit neuen Gefühlen übermalen.'' Noch nie in meinem Leben hatte ein anderer Mensch etwas so Schönes zu mir gesagt. Wenn ich noch schreiben würde, dann hätte ich mir seine Worte notiert und sie für einer meiner Geschichten verwendet. Ich hätte genau diese Stelle dann dick und fett markiert und sie immer wieder gelesen, wenn mich meine Selbstzweifel heimsuchten. Ich wollte seine Worte auf meiner Haut verewigen, damit ich sie nie mehr vergaß. Und weil ein einfaches Danke niemals ausgereicht hätte, streckte ich meine Hände nach ihm aus, um ihn zu küssen, damit er wusste, wie sehr mich das gerade berührte, was er da zu mir gesagt hatte. Ich presste mich an seine Brust und fand in der Nähe zu ihm Geborgenheit, nach der ich so lange gesucht hatte. Das Wort Glück hatte mit ihm eine neue Definition bekommen, die wirklich wundervoll war. ,,Versprichst du mir, dass du es wenigstens probieren wirst, es nicht mehr tun? Und wenn du wirklich das Bedürfnis danach hast, dann lass uns gemeinsam nach einer Alternative suchen. Meine Tante zum Beispiel benutzt immer ein Antistressband, wenn sie ihre eigenen Gedanken und Emotionen nicht mehr unter Kontrolle hat.''

,,Deine Tante macht das auch?'', rief ich geschockt aus und begriff nun, warum er extra so ruhig geblieben war.

Nick hatte, wie es schien Erfahrung damit und deshalb war der Schreck bei ihm nicht so groß gewesen.

,,Ja, sie hat sehr darunter gelitten, als ihr Sohn letztes Jahr gestorben ist. Aber mittlerweile geht es ihr besser und sie kommt damit klar. Sie hat sich Hilfe gesucht und macht es nicht mehr.''

,,Wirst du mich auch, dazu überreden, nach Hilfe zu suchen?'', fragte ich ihn und war erneut etwas angespannt.

Nick schüttelte den Kopf.

,,Man muss sich selbst dazu entscheiden, nach Hilfe zu suchen, Ashley. Natürlich würde ich mir wünschen, dass du das machen würdest, aber ich kann dich dazu nicht zwingen. Und ich werde es auch nicht. Wenn du meinst, dass du klarkommst, dann ist es okay. Und wenn nicht, dann rede wenigstens mit mir darüber. Das allein hilft schon sehr. Dein Geheimnis ist sicher bei mir. Ehrenwort.''

,,Ich liebe dich, Nick Cole'', platzte es einfach so aus mir heraus.

Ich hatte es ihm noch nie ins Gesicht gesagt. Und nun war ich umso froher, dass ich ihm das mal offen kommuniziert hatte. Er sollte wissen, was er mir bedeutete.

,,Ich liebe dich auch, Ashley Cooper. Genau so, wie du bist.''

Band 4 der Living Reihe - Living my best life ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt