Kapitel 5

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CARLA

"Carla, ich helfe dir!" Ich drehte mich zu Luna um, als sie zu mir gestürmt kam. Sie grinste breit, worauf ich den Tisch an die richtige Stelle rückte.
"Musst du nicht, Luna. Ich schaffe das ganz gut alleine", lehnte ich ab, weil ich genau wusste, dass sie mit ihrem stürmischen Temperament nur alles durcheinander bringen würde. Sie sah mich enttäuscht an.
"Aber Estrella und ich sind doch extra gekommen, um zu helfen! Und Mamá und Papá haben auch gesagt, dass ich dir helfen soll!", wandte sie beinahe schon enttäuscht ein.
"Das mag ja sein, aber... Na ja, nichts gegen Estrella oder dich, aber ihr seid manchmal ziemlich ungestüm und ich weiß nicht, ob es nicht vielleicht besser wäre, wenn ihr einfach spielen geht", versuchte ich es vorsichtig, worauf sie die Mundwinkel nach unten zog und ihre Lippe zu zittern begann. Oh nein, nicht der Hundeblick! Ich seufzte. "Na gut, ok, du kannst mir helfen! Aber fang bloß nicht an zu weinen, ja?" Sie grinste. Das kleine Monster wusste eben genau, wie sie mich überreden konnte.
"Danke, Carla. Was kann ich machen?", fragte sie neugierig nach.
"Hilf mir mal, die Tische da in einen Halbkreis zu stellen. Tía Julieta will da später etwas Essen und Trinken draufstellen", antwortete ich und stellte mit ihr die Tische in einem Halbkreis auf.
"Muss Estrella auch tanzen?", fragte Luna nach, worauf ich sie verwirrt ansah. Wie kam sie denn darauf?
"Wie kommst du denn darauf?", hakte ich verwirrt nach. Sie zuckte die Schultern.
"Estrella möchte nicht tanzen, das hat sie mir vorhin gesagt, aber sie will es Mamá und Papá nicht sagen. Sie mag tanzen nicht, weißt du? Sie bekommt die Schritte nämlich nicht hin", antwortete sie. Ja, richtig, da war ja etwas. Estrella war keine sonderlich gute Tänzerin und ich konnte verstehen, dass sie sich nicht traute zu tanzen, aber das musste sie ja auch gar nicht.
"Das macht nichts, Luna. Sie muss nicht tanzen, wenn sie nicht will, das kannst du ihr sagen, ja? Ich kann aber auch noch gerne mal mit ihr üben, wenn sie das will. Sie muss aber natürlich nicht tanzen, wenn sie das nicht will. Es reicht, wenn ihr zwei einfach Spaß habt", beruhigte ich sie, sie nickte.
"Ok, das sage ich ihr", stimmte sie zu und half mir dann dabei, noch weitere Tische aufzustellen.
Oh wow, dieses Mädchen ist unglaublich hübsch!
Ich drehte mich verwirrt um. Woher kam diese Stimme? Ich sah mich neugierig auf dem Marktplatz um, aber es war keiner da, der sich seltsam verhielt oder irgendwen anstarrte. Was war das für eine Stimme gewesen? Wer hatte das gedacht? Und wer war gemeint gewesen?
"Carla?" Ich sah Luna an, die mich am Zipfel meines kurzen Kleides zupfte.
"Gleich, Luna", murmelte ich konzentriert und sah mich weiter um, aber ich fand niemanden, der mir fremd oder seltsam vorkam.
"Carla!"
"Was denn?" Ich sah meine kleine Schwester an.
"Ich hab dich gefragt, ob du uns heute Abend beim Fertigmachen helfen kannst! Estrella und ich wollen im Partnerlook gehen und die Leute verwirren! Das wird total lustig! Nicht nur Camilo kann das!", antwortete sie, ich nickte.
"Klar, ja, ich helfe euch. Übertreibt nur nicht, hört ihr? Ihr müsst niemanden ärgern an so einem wichtigen Abend. Sonst wird Abuela nur sauer", stimmte ich schnell zu. Mir war es eigentlich egal, was die Kleinen heute Abend machten, ich wollte nur wissen, was das für eine Stimme vorhin gewesen war. Ich hatte sie noch nie gehört und sie hatte definitiv keinem der Bewohner des Dorfes gehört. Aber wem gehörte sie dann?

Abends beim Fest waren alle auf der Tanzfläche und hatten Spaß, aber ich stand etwas abseits des Geschehens und beobachtete die Leute. Ich wollte diese Stimme von heute Mittag wiederfinden, aber das war leichter gesagt als getan. Es gab hier so viele Gedanken, dass es beinahe unmöglich war, eine einzelne Stimme aus diesem Gewirr herauszuhören. Und dazu noch eine, die ich nur ein einziges Mal kurz gehört hatte! Trotzdem versuchte ich mich zu konzentrieren und die Stimme zu hören. Ich bekam Kopfschmerzen von den vielen Stimmen, aber ich gab nicht auf. Ich wollte wissen, wer hier wen attraktiv fand. Ich war einfach zu neugierig, um es zu vergessen!
Sie sieht immer noch so schön aus. Meine Güte, diese Haare und ihr Kleid! So ein hübsches Mädchen habe ich noch nie gesehen!
Da! Da war sie wieder! Ich lief schnell in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war und sah mich neugierig um. Am Brunnen stand ein Junge, den ich hier noch nie gesehen hatte. Er war ungefähr so groß wie ich, hatte braun gebrannte Haut und braune, wilde Locken. Er lehnte am Brunnen, direkt neben Carlos und seinen Freunden. Wer war er? Er starrte mich an.
Sie ist wirklich umwerfend! Sollte ich sie zum Tanzen auffordern?
Ich lächelte. Er meinte mich. Er fand mich hübsch. Verlegen lächelnd ging ich auf ihn zu. Wenn er sich nicht traute mich anzusprechen, dann würde ich ihm das abnehmen.
"Ich würde nicht Nein sagen, wenn du mich zum Tanzen auffordern würdest", sagte ich, worauf er mich verwirrt ansah.
"Woher wusstest du, dass...?", fragte er perplex nach, worauf Carlos zu lachen begann.
"Oh, tut mir leid, Luca! Hab ich dir vergessen zu sagen, dass Carla Gedanken lesen kann?", spottete Carlos und lachte fies.
"Haha, sehr witzig, Cousin. Niemand kann Gedanken lesen", erwiderte dieser Luca beleidigt, worauf ich ihn anlächelte.
"Tja, ich kann das wirklich. Lass es mich dir erklären, ja? Du kommst augenscheinlich nicht von hier", wandte ich ein, was mir noch einen verwirrten Blick von Luca einbrachte. Ich mochte seinen ahnungslosen Blick, der machte ihn irgendwie süß.
"Ja, das wäre nett. Mein Cousin hat offensichtlich heute seine Manieren vergessen", stimmte Luca schließlich zu, also zog ich ihn von Carlos weg, damit wir zum Gemälde meiner Familie gehen konnten, das an eine der Hauswände gemalt worden war. Ich erklärte Luca unsere ganze Geschichte und stellte ihm alle auf dem Bild vor und wenn ich die jeweilige Person auf dem Fest sah, zeigte ich sie Luca persönlich. Er hörte schweigend, aber interessiert zu und als ich mit meiner Erklärung endete, holte er tief Luft. "Wow, das... waren eine Menge Informationen."
"Ja, ich hoffe, dass es nicht zu viel für dich war", erwiderte ich verlegen und strich mir eine Strähne zurück, war aber bedacht darauf, meine Narbe verdeckt zu lassen. Wenn Luca die sah, würde er bestimmt sofort davonrennen!
"Nein, es geht schon. Gib mir bloß eine Minute, um das alles zu verarbeiten", bat er, ich nickte.
"Natürlich, kein Problem. Wollen wir solange tanzen?", schlug ich vor, er nickte.
"Gerne, ja", stimmte er zu, also gingen wir auf den hinteren Teil der Tanzfläche, damit uns keiner sah. Während wir tanzten, spürte ich Lucas Herzschlag, der recht schnell war. Er war wohl genauso nervös wie ich. Ich strich mir eine Strähne zurück, worauf er den Kopf zur Seite legte und mich forschend ansah. "Hey, was hast du da an der Wange?" Oh nein, er hatte meine Narbe gesehen! Ich zuckte weg und wollte meine Hände wegziehen, aber er hielt mich fest. Also schüttelte ich den Kopf, sodass meine Haare mir über die Wange fielen.
"Nichts", antwortete ich ihm schließlich ausweichend.
"Ist das eine Narbe?", fragte er weiter nach, worauf ich mich abwandte. "Das muss dir nicht peinlich sein. Ich mag die Narbe, sie steht dir. Sie macht dich... besonders." Ich sah ihn verwirrt an. Das hatte noch nie jemand zu mir gesagt. Alle hatten meine Narbe bisher immer gruselig gefunden, wie ein zweites, dämonisches Grinsen, aber Luca war der Erste, der sich nicht daran störte. Das verwirrte mich doch sehr. Meinte er das wirklich ernst?

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Sooo... das war Carlas erste Begegnung mit Luca😊. Wie findet ihr ihn so? Schreibt gerne Anregungen, Feedback oder Kritik in die Kommentare, ich würde mich darüber sehr freuen! 🤗

Ich brauche dich, Bruno 4 - Die verlorene Tochter - Carlas Suche Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt