CARLA
Ich sah Luca verwirrt an, aber er lächelte. Meinte er das wirklich ernst? Störte ihn meine Narbe wirklich nicht? Abgesehen von meinen Schwestern und meinen Cousins, die mich nur mit Narbe kannten, gab es niemanden, der meine Narbe nicht gruselig fand. Aber Luca lächelte und strich mir die Strähne zurück, die die Narbe verdeckte.
"Willst du mir erzählen, was passiert ist?", fragte er besorgt nach. Ich schüttelte den Kopf und legte mir meine Haare wieder über die Narbe.
"Nein, vergiss bitte, dass du Narbe gesehen hast, ja? Ich mag es nicht, wenn Leute sie ansehen. Alle finden sie gruselig und ich glaube nicht, dass du jemanden mögen kannst, der wie ein Monster aussieht", wandte ich ein und ließ seine Hand los. "Hab noch einen schönen Abend." Ich wollte gehen, aber er hielt mich fest und drehte mein Gesicht zu sich, damit ich ihn ansehen musste. Er lächelte sanft und wirkte überhaupt nicht so, als fände er mich gruselig.
"Carla, du bist hübsch, auch mit dieser Narbe. Du siehst nicht aus wie ein Monster, hörst du?", wandte er ein, ich zuckte nur die Schultern. Er seufzte. "Darf ich dir etwas zeigen?"
"Ja", antwortete ich, war allerdings recht verwirrt über diese Frage. Er nahm meine Hand und führte mich weg vom Festplatz. In einer dunklen Seitenstraße, die nur von wenigen Kerzen erleuchtet wurde, blieb er stehen. Wortlos ließ er meine Hand los und knöpfte sich sein Hemd auf. Er zog es sich aus, worauf ich sah, dass sich eine riesige Narbe über seinen ganzen Oberkörper zog. Ich war geschockt davon, wie groß sie war und musste dem Drang widerstehen, sie zu berühren und mit der Hand nachzufahren. "Was ist passiert?"
"Unser altes Haus hat vor einigen Jahren mitten in der Nacht Feuer gefangen, als wir ausversehen eine Kerze unten angelassen haben. Ich bin drinnen geblieben und hab meine Schwestern rausgeholt, mich dabei aber sehr stark verbrannt. Meinen Schwestern geht es zum Glück gut, aber ich hab eben diese riesige Brandnarbe", erklärte er. "Du kannst sie ruhig berühren, ich spüre dort gar nichts mehr." Unsicher musterte ich die riesige Narbe, die sich wirklich komplett über seinen kompletten Oberkörper zog. Zumindest seine ganze Brust war verbrannt und als ich die Narbe vorsichtig berührte, spürte ich die harte, vernarbte Haut, die sich mehr wie Leder und nicht wie Haut anfühlte. Ich sah Luca an, doch der war absolut emotionslos.
"Macht es dir nichts aus, diese Narbe zu sehen? Ich meine, sie muss dich doch an diese schreckliche Nacht erinnern!", fragte ich neugierig nach, konnte meine Hand aber nicht von seiner Brust nehmen.
"Tut sie, aber ich versuche trotzdem immer das Positive zu sehen. Meine ganze Familie hat überlebt und ich habe meine Schwstern gerettet", antwortete er und zuckte die Schultern. "Willst du mir jetzt erzählen, was bei dir passiert ist? Du musst nicht, aber es wäre nur fair, wenn wir quasi schon Narben-Geschwister sind." Ich seufzte. So ehrlich konnte ich zu ihm sein, wenn er mir auch seine Geschichte erzählt hatte. Also zog ich meine Hand zurück und während er sich sein Hemd anzog, begann ich davon zu erzählen, wie mein Großvater mich damals entführt und geschnitten hatte, er hörte schweigend zu. Nachdem ich fertig war, nahm er meine Hand, drückte sie und umarmte mich dann. "Das tut mir wirklich leid, Carla! Das muss schrecklich gewesen sein!"
"Ja, das war es", gab ich zu. "Ich habe heute noch manchmal damit zu kämpfen."
"Das glaube ich dir", sagte er und ließ mich wieder los. Er sah mich lieb an und ich hatte das seltsame Gefühl, ihm alles sagen und vollends vertrauen zu können. "Aber weißt du was? Du hast deine Abuela und deinen Vater gerettet, du kannst also auch stolz auf deine Narbe sein. Sie zeigt nur, dass du unglaublich mutig gewesen bist." Ich lächelte verlegen und sah auf den Boden.
"Danke, das sagen meine Eltern auch immer", erwiderte ich und sah ihn an. "Und danke, dass du mich nicht so verurteilst wie die anderen Leute."
"Wie könnte ich?", erwiderte er und drückte wieder meine Hand. "Du bist das mutigste Mädchen, das ich je kennen gelernt habe!"
"Danke, und du der mutigste Junge", gab ich das Kompliment zurück. "Aber jetzt mal zu etwas weniger Traurigerem. Erzähl mir was über dich. Woher kommst du? Und was machst du hier in Encanto?" Luca schien froh über den Themenwechsel zu sein, denn er lachte und setzte sich mit mir auf eine kleine Bank.
"Ich komme aus Medellín und besuche hier nur meinen Cousin Carlos. Na ja, gezwungenermaßen. Meine Mutter möchte, dass ich dem Rest meiner Familie näher stehe und hat mich deshalb hierher geschickt, aber in zwei Wochen gehe ich wieder zurück und fange eine neue Stelle in einem Restaurant in der Stadt an. Ich darf es alleine verwalten und bin dabei der jüngste Restaurant-Verwalter von ganz Medellín", erklärte er. "Du darfst mich gerne mal besuchen kommen, wenn du möchtest."
"Sehr gerne", stimmte ich zu. "Kannst du dann auch gut kochen, wenn du ein Restaurant leitest?" Er lachte und schüttelte den Kopf.
"Nein, kochen kann ich nicht, aber das muss ich auch nicht. Ich muss nur nett und höflich und gut mit Zahlen sein", antwortete er. "Und wenigstens bin ich ganz annehmbar in Mathe."
"Das hast du mir voraus", erwiderte ich. "Aber wenn du noch zwei Wochen hier bist, musst du unbedingt zum Geburtstag und zur Gabenzeremonie meiner Schwestern kommen! Sie ist in ein paar Tagen."
"Das mache ich gerne. Euer Haus ist wahrscheinlich das auf dem Hügel, oder?", fragte er nach, ich nickte.
"Genau, unsere Casita", stimmte ich zu. "Du wirst sie lieben, da bin ich mir sicher!"
"Ja, das..."
"Carla!" Ich stöhnte genervt, als ich Lunas Stimme hörte. Sie kam mit Estrella auf uns zugerannt und musterte Luca genau. "Wer ist das? Und wieso bist du weggegangen?"
"Das ist Luca und wir unterhalten uns gerade, Luna! Wir wollten eben kurz unsere Ruhe!", antwortete ich ihr, in der Hoffnung, dass sie den Wink mit dem Zaunpfahl verstand, aber so clever war sie dann doch nicht.
"Ist er dein neuer Freund?", fragte Estrella weiter neugierig nach.
"Nein! Wir haben uns nur gerade kennen gelernt! Und jetzt lasst uns in Ruhe, hört ihr? Wir wollen uns in Ruhe unterhalten!", wehrte ich schnell ab, aber meine Schwestern grinsten daraufhin.
"Du bist total verliebt! Carla ist verliebt!", riefen sie, worauf ich von der Bank aufstand und die beiden wegschob.
"Haut jetzt ab! Geht zurück zu Mamá und Papá und lasst euch tanzen beibringen, anstatt uns zu nerven!", fuhr ich die beiden gereizt an. Sie rannten lachend davon, worauf ich den Kopf schüttelte und Luca entschuldigend ansah, bevor ich mich wieder zu ihm setzte. "Tut mir leid, die beiden sind nur verdammt neugierig." Er lachte.
"Schon gut, ich finde es süß. Meine Schwestern wären genauso. Sie sind zwar nicht ganz so jung, aber viel besser sind sie trotzdem nicht. Wenn sie jetzt hier wären, würden sie genau das Gleiche machen", wehrte er ab und grinste mich an. "Also mach dir keinen Stress, ich finde es goldig. Und solange wir trotzdem noch Zeit für uns haben, ist mir auch alles egal."
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Ich brauche dich, Bruno 4 - Die verlorene Tochter - Carlas Suche
Fiksi PenggemarEs sind einige Jahren vergangen und Carla hat gelernt, mit ihrer Gabe sehr gut umzugehen. Im Dorf ist sie mittlerweile zwar immer noch als seltsam und komisch verschrien, aber darum kümmert sie sich nicht mehr. Sie kümmert sich lieber um ihre Schwes...