Kapitel 16

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CARLA

Luca und ich verbrachten in den folgenden zwei Wochen so gut wie jede freie Sekunde miteinander. Meine Familie vertraute ihm mitterweile, er war auch oft zum Essen bei uns gewesen und wirklich jeder liebte ihn. Besonders die Zwillinge! Die beanspruchten ihn allerdings extrem, weil sie ständig mit ihm spielen wollten, aber irgendwie schaffte Luca es, die beiden jedes Mal zu beruhigen und ab und an eine kleine Spielsession einzufädeln, ohne, dass ich mich allzu sehr zurückgesetzt fühlte. Er mochte mich wirklich, das spürte ich, und ich mochte ihn auch. Es graute mir vor dem Tag, an dem er wieder abreisen musste, aber er konnte ja leider nicht ewig in Encanto bleiben. Er musste schließlich in Medellín seine neue Arbeit antreten! Also genoss ich unsere gemeinsame Zeit umso mehr und als wir wenige Tage vor seinem Abschied bei uns im Hof saßen, sah ich Luca an und drückte seine Hand. Ich wollte ihm noch etwas Besonderes zeigen, bevor er abreiste und das tat ich am besten jetzt.
"Komm mit, ich will dir noch etwas Besonderes zeigen", sagte ich und stand auf, worauf Luca mich verwirrt ansah.
"Ach ja? Was denn?", fragte er neugierig nach.
"Das wirst du dann schon sehen", wich ich geheimnisvoll aus, bevor ich ihn in den Wald zog. Ich wollte ihm unbedingt unsere geheime Lichtung zeigen und dort einige ruhige Minuten mit ihm verbringen.
"Darf ich dich mal etwas fragen?", fragte Luca, während wir zusammen durch den Wald liefen.
"Na klar, was denn?", erwiderte ich neugierig.
"Du hast doch gesagt, dass dein Vater Visionen von der Zukunft haben kann, oder? Meinst du, er könnte auch in unsere Zukunft sehen? Ich habe um ehrlich zu sein, etwas Angst vor dieser Fernbeziehung. Versteh mich jetzt bitte nicht falsch, ich will unsere Beziehung auf keinen Fall beenden, dafür haben wir zu hart dafür gekämpft! Ich habe nur Angst, dass die Entfernung uns auseinander reißt, weil wir uns nicht regelmäßig sehen können", antwortete er, worauf ich stehen blieb und ihn ansah. Ich musste zugeben, dass es mir genauso ging. Ich hatte auch Angst, dass wir das mit unserer Fernbeziehung nicht hinbekamen und dass Luca sich in Medellín vielleicht in ein anderes Mädchen verlieben würde. Ich wollte ihn nicht verlieren! Ich seufzte leise.
"Ich verstehe dich, mir geht es genauso", gab ich zu und sah ihn an. "Aber ich meine, wir können uns doch Briefe schreiben, oder? Das machen wir doch?" Er lächelte mich an und gab mir einen Kuss auf den Handrücken.
"Natürlich machen wir das, das ist fest versprochen!", stimmte er schnell zu und zog mich an sich, um mir einen Arm um die Schulter zu legen. "Aber könntest du trotzdem deinen Vater fragen, ob er eine Vision über unsere Zukunft haben könnte? Ich habe zu große Angst, dich zu verlieren und ich muss wissen, was passiert!" Ich nickte.
"Ja, so geht es mir auch. Keine Sorge, ich frage ihn. Er macht das zwar nicht gerne, aber ich bin mir sicher, dass er es für uns tun wird", gab ich zu und zog ihn hinter einen Busch. "Er wird uns sicherlich helfen, wenn wir ihn darum bitten. Aber erstmal will ich dir das hier zeigen!" Wir standen nun auf der Lichtung, auf der Luca sich staunend umsah.
"Wow, diese Lichtung ist der Wahnsinn!", sagte er begeistert und lächelte mich an. "Wie hast du sie gefunden? Sie ist doch so versteckt!"
"Ich habe sie auch nicht entdeckt, das haben meine Eltern getan. Sie haben mir die Lichtung damals gezeigt, bevor meine Schwestern geboren wurden und jetzt wollte ich sie dir zeigen", erklärte ich ihm und setzte mich mit ihm auf den Baumstamm am kleinen Bach. "Sie ist der Platz, an dem ich mich am besten entspannen kann und ich denke hier auch oft über Sachen nach."
"Das glaube ich dir, die Lichtung ist auch wirklich toll", erwiderte er und gab mir einen Kuss auf die Wange. "Aber sie ist nicht mal halb so toll wie du!" Ich lächelte verlegen und erwiderte seinen Kuss auf die Wange.
"Das ist sehr süß von dir, mi amor! Du bist auch unglaublich toll", sagte ich und lehnte mich an ihm an.
"Danke, mi amor. Ich liebe dich."
"Ich dich auch."
Nach einer Stunde, in der wir nur schweigend auf dem Baumstamm gesessen und die Ruhe genossen hatten, liefen wir zurück zu Casita. Ich zog Luca die Treppe hinauf und ignorierte Isabela und Dolores, die auf der Galerie standen und tuschelnd zu uns hinüber sahen. Sie waren wohl noch eifersüchtig auf mich, weil ich mit Luca ausging und nicht sie. Ich klopfte gegen Papás Tür und öffnete sie dann. Er saß mit Estrella und Luna auf dem Schoß an seinem Schreibtisch, während die Zwillinge wild auf ihn einredeten und auf ein paar Blätter kritzelten. Sie waren also gerade dabei ihre Kleider zu entwerfen. Hoffentlich konnte Papá trotzdem eine kurze Vision haben! Er sah auf, als wir reinkamen.
"Na, ihr zwei? Wie geht es euch?", fragte er, während die Zwillinge auch aufsahen.
"Gut, danke. Wir wollten dich um etwas bitten, Papá", antwortete ich ihm, während meine Schwestern aufsprangen und mit ihren Bildern zu uns kamen.
"Luca, Carla, schaut mal! Wir haben unsere Kleider gemalt!", riefen sie begeistert und hielten uns ihre Kritzeleien hin. Beide Kleider waren schwarz und halblang, aber auf Estrellas waren viele verschiedene Tiere zu sehen, während Lunas mit kleinen Flügeln am Rand verziert war.
"Wow, die sehen toll aus! Ihr zwei seid wirklich begabt!", lobte Luca die zwei.
"Worum wollt ihr mich denn bitten? Ich kann bestimmt eine kleine Pause einlegen", fragte Papá neugierig nach.
"Wir wollten dich fragen, ob du vielleicht eine kleine Vision über unsere Zukunft haben könntest", bat ich, Papá nickte.
"Das kann ich machen. Estrella, Luna, ihr zwei malt mal weiter, ja? Ich gehe solange mit Carla und Luca hoch", willigte Papá ein, die Zwillinge nickten, also gingen wir gemeinsam nach oben in Papás Visionsraum. Er erklärte Luca auf dem Weg nach oben, wie das funktionierte und dass er keine Angst haben musste, Luca nickte und hörte interessiert zu. Oben setzten wir uns in den Sand und Papá nahm unsere Hände. Ich lächelte Luca an, der ebenfalls nervös lächelte. Papá schloss die Augen und konzentrierte sich, worauf der Sand um uns herum aufwirbelte. Luca zuckte kurz erschrocken zusammen, aber als ich bestärkend seine Hand drückte, lächelte er mich an und entspannte sich wieder. Papá öffnete seine Augen wieder, die jetzt grellgrün leuchteten. Ich sah mich neugierig im Sand um und entdeckte dann Luca und mich im Sand. Luca schien uns auch zu sehen, denn er starrte in den Sand und beobachtete uns dabei, wie wir uns umarmten.
"Papá, ist da noch mehr?", fragte ich meinen Vater.
"Ich versuche es, amor!", antwortete er und konzentrierte sich stärker, worauf die Vision wie weiterzulaufen schien. Ich ließ Luca los und er lief davon. Wir trennten uns? Es dauerte nur wenige Sekunden, bis ich ihm nachrannte, doch gerade, als ich mich darüber freuen wollte, sah ich, wie meine Schwestern aus Casita gerannt kamen, aber dann wie zu verblassen schienen. Was bedeutete das? Sie würden doch wohl nicht verletzt werden oder Schlimmeres, oder? Wegen unserer Beziehung? Ich sah Papá schockiert an und auch Luca wirkte fassungslos und besorgt.
"Was heißt das, Papá?", fragte ich verwirrt und geschockt nach, aber da fiel der Sand in sich zusammen und die grüne Tafel erschien in den Händen meines Vaters.
"Ich weiß es nicht, mi vida. Ich weiß es wirklich nicht. Aber es macht mir Angst."

Ich brauche dich, Bruno 4 - Die verlorene Tochter - Carlas Suche Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt