CARLA
Als Mamá und Papá uns erzählt hatten, dass die Zwillinge verschwunden waren, brachen wir auf, um den Weg nach Medellín noch einmal abzusuchen. Ich versuchte meine Gabe verzweifelt einzusetzen und die Zwillinge zu finden, aber nichts klappte. Ich konnte sie nicht hören und das machte mich so langsam wirklich nervös. Luca und ich ritten den langen Weg über die weiten Ebenen ab, während Mamá und Papá noch einmal ihren Weg absuchten. Ich kratzte mich unsicher am Arm, weil ich wirklich Angst um meine Schwestern hatte. Es wurde bereits dunkel und wir konnten nicht mal mehr die Hand vor Augen erkennen! Wie sollten wir die beiden da nur finden? Die beiden waren wegen mir in Gefahr! Weil ich abgehauen war! Ich hätte nicht gehen dürfen, ich hatte doch nicht gewollt, dass meine Schwestern sich in Gefahr brachten! Was hatte ich nur wieder angestellt? Wieso musste ich auch immer nur so stur und rebellisch sein?! Ich hasste mich im Moment selbst, aber jetzt mussten wir Luna und Estrella erstmal finden. Wir ritten über die weite Ebene, aber sie war so riesig, dass wir die beiden selbst am Tag wahrscheinlich nicht hätten finden können. Diese Ebene war nicht zu überblicken! Luna hätte es bestimmt gekonnt, aber wir konnten nicht fliegen und konnten auch nirgends einen Anhaltspunkt für den Aufenthalt meiner Schwestern finden. Nicht einmal Rauch oder Feuer waren zu sehen! Sie konnten doch nicht nachts alleine in dieser Kälte sitzen! Wo waren sie bloß? Hoffentlich war ihnen nichts passiert! Ich sah mich immer wieder panisch um und rief nach meinen Schwestern, Luca tat es mir gleich, aber es schien nicht zu helfen. Es kam nie eine Antwort zurück. Ich schrie immer lauter, bis meine Stimme heiser war und Luca mich unterbrach, indem er meine Hand nahm und sie beruhigend drückte.
"Carla, schone deine Stimme!", bat er. "Du wirst noch heiser und dann kannst du auch nicht mehr nach den beiden rufen. Komm, trink einen Schluck." Er hielt mir seine Wasserflasche hin, worauf ich einen gierigen Schluck nahm. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie durstig ich war, meine Sorge war einfach zu groß gewesen, um meine eigenen Bedürfnisse zu bemerken. Meine Schwestern waren jetzt einfach wichtiger! "Sehr gut. Fühlst du dich jetzt etwas besser?"
"Ja, etwas, aber auch nur körperlich. Ich bin schuld daran, dass Luna und Estrella vielleicht in Gefahr sind! Wenn ich nie weggelaufen wäre, wären die beiden jetzt zuhause in Sicherheit!", antwortete ich verzweifelt und schüttelte den Kopf. "Ich hasse mich, Luca. Ich bin eine schreckliche Schwester!"
"Nein, das bist du nicht! Du hast ja nicht gewollt, dass die beiden dir einfach nachlaufen! Wir finden sie, versprochen", versuchte er mich zu beruhigen, aber das klappte leider nicht. Ich nickte nur knapp und zog meine Hand zurück, um unsicher an dem Zügel meines Pferdes zu spielen.
"Trotzdem. Wenn ich nicht weggelaufen wäre, wären sie noch zuhause. Ich war so stur und egoistisch, dass ich gar nicht an die Folgen meines Verschwindens gedacht habe!", widersprach ich ihm verzweifelt.
"Carla, das konntest du nicht ahnen! Woher solltest du wissen, dass die beiden dir einfach nachlaufen? Das hätte keiner ahnen können!", konterte er und sah mich ernst an. "Du bist nicht daran schuld, hörst du? Und Schuldzuweisungen helfen uns jetzt auch nicht weiter. Ich weiß, es ist schwer, aber versuch positiv zu bleiben, ja? Das wird besser für dich sein, als wenn du dich fertig machst." Ich nickte abwesend und sah mich weiter um, konnte aber nichts sehen.
"Ich kann sie nicht einmal hören. Und normalerweise sind ihre Stimmen die lautesten von allen! Ich habe keine Ahnung, wie wir sie finden sollen! Und es wird dunkel, ich habe Angst, dass sie auf irgendwelche Raubtiere stoßen! Gegen die können sie sich unmöglich wehren!", wandte ich besorgt ein.
"Sie können vielleicht nicht kämpfen, aber sie haben ihre Gaben. Luna kann in Sicherheit fliegen und Estrella kann sich in alle mögliche Tiere verwandeln! Sie werden bestimmt einen Weg finden in einer solchen Situation in Sicherheit zu kommen", beruhigte er mich und lächelte mich an. "Sie sind sehr klug, Carla. Sie schaffen das. Und wir werden sie finden!" Ich seufzte und sah ihn an.
"Danke, Luca. Es tut mir leid, ich bin einfach nur total verzweifelt", erwiderte ich, er lächelte und nahm wieder meine Hand, um sie zu drücken.
"Das weiß ich, Carla. Wenn es um Lucía und Andrea ginge, würde ich genauso reagieren wie du jetzt, das ist vollkommen normal. Aber wir müssen versuchen rational zu bleiben, so finden wir die beiden sicherlich schneller", meinte er. "Lass uns mal in Richtung des Berges reiten, ja? Vielleicht denken die zwei ja, dass das euer Berg ist und sind dorthin gelaufen." Ich nickte.
"Ja, gute Idee", stimmte ich zu, als wendeten wir die Pferde und ritten in Richtung des Berges, vor dem auch ein großer Wald gelegen war. Hoffentlich hatten die beiden sich dort nicht verirrt!
Eine gute Stunde später kamen wir am Wald an und ritten hindurch. Ständig schlugen uns Äste ins Gesicht, also stiegen wir ab und führten die Pferde durch den Wald, um uns nicht zu verletzen. Ich konzentrierte mich wieder auf die Stimmen meiner Schwestern und glaubte, etwas leises, verzweifeltes zu hören, aber ganz sicher war ich mir nicht. Trotzdem lotste ich Luca in diese Richtung, in der Hoffnung, dort meine Schwestern zu finden. Nach und nach wurden die Stimmen immer lauter und ich begann zu rennen und das Pferd hinter mir herzuziehen. Luca folgte mir schnell, als wir auf eine kleine Lichtung kamen, die in der Mitte mit tiefem Schlamm bedeckt war. Luna und Estrella schienen darin festzustecken, während ein Jaguar versuchte, an die beiden ranzukommen. Oh nein! Ich sah Luca an.
"Du holst die Zwillinge mit den Pferden und diesem Seil hier raus, ich kümmere mich um den Jaguar!", beschloss Luca und hielt mir ein Seil hin, bevor er ein kleines Messer zückte und auf den Jaguar zuging. Er lenkte die Aufmerksamkeit des Tieres auf sich, das sich sofort auf ihn stürzte. Ich war sehr besorgt um ihn, aber ich musste erst meine Schwestern retten, die langsam aber sicher im Schlamm zu versinken drohten. Sie waren schon bis zu den Achseln versunken und ich musste schnell handeln, um sie zu retten.
"Lita, Lunita! Haltet euch an dem Seil fest!", schrie ich ihnen zu und warf das Seil in ihre Richtung, worauf die beiden es fest umklammerten.
"Carla, du hast uns gefunden!", rief Luna erleichtert.
"Natürlich!", erwiderte ich und band das Seil um den Sattelknauf meines Pferdes. "Und jetzt mache ich es wieder gut, dass ihr wegen mir in Gefahr gekommen seid!" Ich saß auf und zog das Pferd rückwärts, also lief es zurück und meine Schwestern wurden langsam aus dem zähen Schlamm gezogen. Zum Glück! Als die beiden wieder auf sicherem Boden waren, sprang ich vom Rücken des Pferdes und umarmte meine Schwestern. "Es tut mir so leid! Ich bin so froh, dass es euch gutgeht!"
"Schon gut, danke, Carla!", erwiderte Estrella, als Lucas Schrei mich aufschrecken ließ. Ihm lief Blut über sein Gesicht, da der Jaguar ihn an der Stirn mit seiner Kralle gekratzt hatte. Sofort rannte Estrella zu ihm und verwandelte sich in einen riesigen Drachen. Sie stieß einen Schrei aus und packte den Jaguar mit ihren Krallen, der daraufhin leise winselte. Sie warf ihn über die Baumkronen davon, bevor sie wieder landete und ich zu Luca rannte, der sich eine Hand auf seine blutende Stirn hielt.
"Luca! Ist alles gut?", rief ich besorgt, er nickte.
"Ja, es geht schon. Es ist nur noch eine Stunde bis nach Encanto, dahin sollten wir gehen. Ich könnte die Hilfe eurer Tante gebrauchen", antwortete er, ich nickte.
"Kriegst du. Komm, schnell!", erwiderte ich und ging mit ihm zu meinem Pferd. Er konnte unmöglich alleine reiten, ich musste ihm helfen! Und zwar schnell, bevor er verblutete!
DU LIEST GERADE
Ich brauche dich, Bruno 4 - Die verlorene Tochter - Carlas Suche
FanfictionEs sind einige Jahren vergangen und Carla hat gelernt, mit ihrer Gabe sehr gut umzugehen. Im Dorf ist sie mittlerweile zwar immer noch als seltsam und komisch verschrien, aber darum kümmert sie sich nicht mehr. Sie kümmert sich lieber um ihre Schwes...