Kapitel 7

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BRUNO

"Mamá! Papá!" Estrella und Luna kamen aufgeregt durch die Menge auf uns zugerannt. Es war klar gewesen, dass sie nicht lange tanzen würden, sondern lieber rumrannten und mit ihrem Partnerlook einige Leute verwirrten, aber als sie jetzt so durch die Menge gerannt kamen, hatte ich das Gefühl, dass sie etwas gesehen hatten, das sie absolut interessant fanden.
"Was gibt es denn, ihr zwei?", fragte Lia, während wir immer noch versuchten zu tanzen, aber es war schwierig, sich der Menge anzupassen und gleichzeitig mit den Zwillingen zu reden.
"Carla sitzt hinten in der Gasse mit einem Jungen! Er heißt Luca und die beiden sind verliebt!", rief Luna aufgeregt, Estrella verzog das Gesicht.
"Das ist voll eklig, Jungs sind eklig!", wandte sie angeekelt ein, worauf ich lachte.
"Hey, Vorsicht! Ich bin auch einer von diesen ekligen Jungs!", mahnte ich grinsend.
"Du bist nicht eklig, Papá, aber die meisten anderen Jungs", wandte Estrella ein und umarmte mich. "Du bist toll, ich hab dich lieb!" Ich lächelte.
"Ich dich auch, mi amor."
"Ihr müsst die beiden aufhalten, bevor sie sich küssen!", wandte Luna beinahe schon panisch ein, Lia lachte.
"Mi vida, deine Schwestern ist fünfzehn! Da macht man so etwas schon mal, da verliebt man sich! Ihr werdet das irgendwann auch tun", erklärte Lia grinsend.
"Iihh, niemals!", rief Luna angeekelt. Ich lachte.
"Wisst ihr was? Wenn ihr euch solche Sorgen um eure Schwester macht, dann zeigt mir diesen Jungen doch mal", schlug ich vor, weil ich zugeben musste, dass ich doch gerne wüsste, mit wem Carla sich da abseits des Festes rumtrieb. Ich kannte keinen Luca, also musste er entweder neu im Dorf sein oder jemanden hier besuchen.
"Ja, das machen wir!", stimmte Luna zu und bevor Lia etwas sagen konnte, zogen die Zwillinge mich schon davon. Sie zerrten mich in Richtung einer Seitenstraße. "Dahinten auf der Bank sitzen sie!"
"Ist gut, ihr zwei. Geht ihr mal zurück zu Mamá und tanzt mit ihr", erwiderte ich, die beiden nickten und gingen zurück zum Fest, worauf ich auf Carla zuging, die mit einem braunhaarigen Jungen in ihrem Alter auf einer Bank saß und lachte. "Hey, Carlita, da bist du ja. Willst du mir nicht deine Begleitung vorstellen?" Carla drehte sich beinahe erschrocken zu mir um, doch nickte dann.
"Ähm... klar. Papá, das ist Luca aus Medellín, er besucht seine Familie hier. Und Luca, das ist mein Vater", antwortete sie, worauf Luca aufstand, mich anlächelte und mir die Hand hinhielt.
"Hola, freut mich, Sie kennenzulernen", sagte er höflich, ich schüttelte seine Hand.
"Mich ebenso", erwiderte ich.
"Ich hoffe, es ist nicht schlimm, dass ich Carla kurz entführt habe", meinte er, während er meine Hand losließ, ich schüttelte den Kopf.
"Ist schon in Ordnung, Luca. Ich habe mich nur gefragt, wo sie hin ist", wehrte ich ab, weil ich ihn eigentlich ganz nett fand. Zumindest war er höflich.
"Schön, dann haben sich jetzt ja alle kennen gelernt, oder?", wandte Carla schnell ein und zog Luca etwas zurück. "Wir gehen noch eine Runde tanzen, bis später, Papá. Und sag den Zwillingen, dass sie uns nicht immer hinterher spionieren sollen!" Damit zog sie Luca in Richtung des Marktplatzes und ließ mich verwirrt auf der Straße stehen. Ich hätte mir denken können, dass sie es nicht sonderlich toll fand, dass ich sie einfach unterbrach, aber ich musste schließlich wissen, mit wem sich mein Mädchen so rumtrieb. Ich folgte ihr zurück zum Fest, wo Carla und Luca in einer der hinteren Ecken tanzten. Ich suchte nach Lia und den Zwillingen, die mitten in der Menge tanzten. Oder zumindest versuchten sie es. Luna und Estrella waren nicht gerade gut im Tanzen und brauchten definitiv noch Übung, also hüpften sie einfach unkontrolliert herum und rissen Lia mit sich, die sich nur lachend über den ganzen Platz ziehen ließ. Lachend ging ich zu den dreien.
"Na, habt ihr Spaß?", fragte ich lachend nach, Lia nickte.
"Also ich auf jeden Fall! Aber so langsam habe ich keine Luft mehr!", antwortete sie grinsend.
"Darf ich euch eure Mutter mal abnehmen?", fragte ich meine Töchter, die nickten.
"Ja! Dann gehen wir Mirabel und Camilo suchen und tanzen mit denen!", antworteten sie, bevor sie lachend davonstürmten. Ich lachte und zog Lia an mich.
"Und? Wie ist dieser Luca so?", fragte sie neugierig nach, während wir langsam zur Musik tanzten.
"Sehr höflich. Carla hat mich nur sehr schnell abgewürgt, deswegen konnte ich nicht allzu viel rausfinden", antwortete ich ihr und nickte unauffällig in Carlas Richtung. "Dahinten tanzt sie mit ihm, wenn du ihn dir mal ansehen willst." Ich drehte uns um, sodass Lia Luca sehen konnte.
"Er sieht wirklich nett aus", gab sie zu.
"Ja, das war er gerade auch", erwiderte ich.
"Dann schaue ich ihn mir später mal genauer an", beschloss sie. "Ich muss doch sichergehen, dass er unsere Carla gut behandelt."
Nach einem weiteren Tanz zogen Lia und ich uns an die Tische mit den Getränken zurück. Wir nahmen uns einen Kaffee und lehnten uns dann an den Brunnen, während wir beobachteten, wie alle anderen noch tanzten. Estrella hatte sich an Mirabel geheftet und versuchte ihr ihre seltsame Choreographie beizubringen, die man nur geradeso als Tanzen bezeichnen konnte und die absolut nicht zum Takt passte. Aber die beiden schienen trotzdem Spaß zu haben. Luna hatte sich Camilo geschnappt, der sich in Luna verwandelt hatte, um besser mit ihr tanzen zu können. Auch bei ihnen war es eher ein choreographiertes Herumspringen, aber sie lachten, also war auch alles gut. Carla und Luca tanzten etwas abseits und unterhielten sich dabei. Wir sahen ihnen neugierig zu und ich musste zugeben, dass die beiden sich wirklich gut verstanden. Carla hatte nicht viele Freunde (na ja, eigentlich gar keine) und es freute mich, dass sie sich gut mit jemandem verstand und Spaß hatte. Ich gönnte es ihr, sie hatte das wirklich verdient.
"Ich will die beiden nur ungern stören, aber so langsam werde ich wirklich neugierig auf diesen Jungen", sagte Lia neben mir und sah mich an. "Was meinst du? Sollen wir die beiden doch mal unterbrechen?"
"Carla wird uns dafür hassen, aber sobald die Musiker kurz aufhören, können wir das ja tun", willigte ich ein, sie nickte.
"Gute Idee." Sobald die Musiker ihr Lied beendeten, gingen wir auf Carla und Luca zu, die sich zu uns umdrehten, als sie uns bemerkten. Carla verdrehte die Augen und ihre Augen leuchteten auf, als sie wohl versuchte, unsere Gedanken über Luca zu lesen. Ich mochte ihn. Hoffentlich beruhigte sie das. Ihre Augen hörten auf zu leuchten und sie lächelte mich knapp an, während Luca sich Lia vorstellte.
"Woher kommst du, Luca?", fragte sie neugierig nach.
"Aus Medellín, ich besuche hier meinen Cousin Carlos", antwortete er.
"Und wie gefällt dir Encanto? Medellín ist ja doch eine recht große Stadt", hakte Lia weiter interessiert nach.
"Mir gefällt es hier sehr gut, es ist so schön ruhig. In Medellín ist immer so viel Trubel!", antwortete er.
"Ich hab Luca übrigens zur Gabenzeremonie von Estrella und Luna eingeladen, ich hoffe, das ist in Ordnung", wandte Carla ein, wir nickten.
"Natürlich, dazu sind alle eingeladen", stimmte ich schnell zu.
"Das freut mich, ich würde mir das gerne ansehen", meinte Luca. "Danke für die Einladung."
"Gerne. Freunde von Carla sind immer willkommen."

Ich brauche dich, Bruno 4 - Die verlorene Tochter - Carlas Suche Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt