Kapitel 20

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BRUNO

Ich begleitete Maria, der ich ihre Zukunft vorhergesagt hatte, zurück ins Dorf, um Lia und Julieta mit dem Stand zu helfen. Es war richtig heiß draußen heute und deswegen arbeiteten wir lieber im Schatten am Brunnen, um genug Wasser zu haben. Ständig kam jemand, der sich unabsichtlich dehydriert hatte und musste deshalb entweder Julietas Arepas essen oder sich von Lia und mir Wasser geben lassen. Am Abend waren wir total geschafft und durchgeschwitzt und freuten uns deshalb auf eine erfrischende Dusche und das Abendessen, das heute Pepa, Mira und Mamá zubereiten wollten. Wir mussten uns also bloß noch an den gedeckten Tisch setzen, als wir ankamen. Alle anderen warteten schon auf uns, nur eine Person fehlte - Carla. Wo war sie denn? War sie etwa immer noch so sauer auf uns, weil wir ihr verboten hatten nach Medellín zu gehen, dass sie nicht mal zum Abendessen kommen wollte? Ich sah meine Familie an.
"Habt ihr Carla gesehen?", fragte ich verwirrt nach, aber alle schüttelten die Köpfe.
"Nicht mehr seit heute Mittag, als sie aus dem Dorf zurückkam", antwortete Milo und zuckte die Schultern. "Seitdem hat sie sich auf ihrem Zimmer verschanzt." Das war recht ungewöhnlich für sie. War sie etwa so in ihrem Liebeskummer, dass sie jetzt nicht mal mehr vor die Tür gehen wollte? Hoffentlich nicht! Ich sah Lia besorgt an, die ebenso besorgt um Carla schien.
"Ich gehe sie mal holen", entschied ich und stand wieder auf. "Vielleicht hat sie nur nicht mitbekommen, dass es Essen gibt."
"Ich hab es ihr gesagt", meinte Luisa.
"Schon gut, ich sehe trotzdem nach ihr", erwiderte ich und stand auf, um nach oben zu gehen. Ich klopfte gegen Carlas Tür, aber es kam keine Antwort zurück, also öffnete ich die Tür und betrat das Zimmer. Es war niemand zu sehen oder zu hören, aber vielleicht lag Carla ja auch in ihrem Bett und schlief. Ich konnte ihre Ebenen nicht kontrollieren, also versuchte ich etwas mühselig auf die Ebenen zu klettern und zum Bett zu gelangen. Doch zu meiner Überraschung war auch dort keiner. Wo war Carla nur? Vielleicht noch im Bad? Ich wollte gerade wieder nach unten klettern, aber da fiel mir ein kleiner Zettel auf ihrem Bett auf. Ich ging zum Bett und hob den Zettel auf.

Mamá, Papá,

Ich weiß, ihr habt mir verboten nach Medellín zu gehen, aber ich kann nicht länger ohne Luca leben! Ich liebe ihn einfach und halte es ohne ihn nicht mehr aus! Ich bin nur wenige Tage weg, also macht euch bitte keine Sorgen! Ich kann das, ich bin fünfzehn Jahre alt! Vertraut mir bitte einfach mal ein bisschen!

Ich hab euch lieb!
Carla

Oh nein, Carla war wirklich nach Medellín gegangen! Was brachten Verbote, wenn sie am Ende doch missachtet wurden?! Wir mussten ihr sofort nach und sie finden! Wer wusste denn schon, wie lange sie schon verschwunden war! Sie konnte schon angekommen oder noch im Dorf sein, wir hatten absolut keinen Anhaltspunkt! Ich nahm den Zettel mit und kletterte wieder mühselig nach unten, um zurück ins Esszimmer zu gehen. Das hatte meine Vision also gemeint! Luca ging und Carla rannte ihm nach. Hoffentlich blieb wenigstens die Sache mit dem Verblassen der Zwillinge aus! Die machte mir nämlich wirklich Angst! Als ich in die Küche kam, sah Lia verwirrt zu mir auf.
"Wo ist Carla?", fragte sie verwirrt nach, worauf ich den kleinen Zettel hochhielt.
"Auf dem Weg nach Medellín", antwortete ich ihr, worauf sie erschrocken nach Luft schnappte. Mamás Gesicht verdunkelte sich und sie stand auf.
"Wieso muss deine Tochter immer weglaufen?!", fuhr sie mich an, worauf ich sie gereizt ansah.
"Ich weiß es nicht, Mamá, aber es wird auch nicht besser, wenn du mich deswegen anschreist!", antwortete ich ihr gereizt. "Ich gehe ihr nach, ihr bleibt hier."
"Bruno, warte!" Lia stand auf und hielt mich am Arm fest, als ich gerade gehen wollte. "Es ist zu dunkel, du kannst jetzt nicht gehen! Du wirst dich außerhalb des Dorfes verirren und die Jaguare haben Jagdzeit! Das ist zu gefährlich! Ich mache mir genauso große Sorgen um sie wie du, und ja, ich bin auch sauer, weil sie einfach gegangen ist, aber jetzt überstürzt loszureiten, wird uns nichts bringen! Dazu ist es zu dunkel! Lass uns morgen bei Sonnenaufgang aufbrechen, ja? Damit haben wir definitiv mehr Erfolg als in dunkler Nacht!" Ich seufzte. Sie hatte ja recht, aber ich war wirklich enttäuscht von Carla, weil sie einfach abgehauen war. Liebeskummer hin oder her, aber einfach in eine fremde Stadt zu flüchten, die sehr weit weg war, ging einfach nicht! Sobald wir sie gefunden hatten, würde sie etwas zu hören bekommen!
"Ist gut, du hast ja recht, Lia", sagte ich schließlich. "Aber wenn wir sie in Medellín finden, kann sie sich auf etwas gefasst machen! Sie kann nicht einfach ständig abhauen!"
"Ja, ich weiß!", erwiderte Lia beruhigend. "Aber jetzt beruhige dich bitte erstmal! Tun kannst du jetzt sowieso nichts!" Sie zog mich zurück auf den Stuhl, ich starrte nur unsicher auf mein Essen. Ich war zu sauer und zu enttäuscht von Carla, um etwas essen zu können. Sie hatte sich uns absichtlich widersetzt und war weggelaufen! Mal wieder! Das konnte doch nicht wahr sein! Was dachte sie sich nur ständig dabei?! Ich verstand ja, dass sie Luca vermisste, aber weglaufen war doch auch keine Lösung! Manchmal waren Teenager wirklich anstrengend! Besonders, wenn sie verliebt waren!

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Ist jetzt leider wieder ein recht kurzes Kapitel, aber das nächste kommt bald :)! Hoffe, ihr könnt es mir nachsehen, dass das Kapitel kürzer ist und es gefällt euch trotzdem. Lasst wie immer gerne Kritik, Feedback oder Vorschläge da :)!

Cassy

Ich brauche dich, Bruno 4 - Die verlorene Tochter - Carlas Suche Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt