Vergangenheit - OS zu Folge 257

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Leyla's Sicht:

„Bis du sicher, dass es für dich ok ist, dass du mich hierzu begleitest? Für dich ist ein Besuch mindestens genauso lange her, wie für mich. Wenn dir das ganze unangenehm ist, dann können wir auch umdrehen und sofort zurück nach Erfurt fahren und das ganze vergessen.", fragte Matteo gewiss zum zwanzigsten Mal, während das Navi anzeigte, dass wir in wenigen Minuten an unserem Ziel angekommen sein sollten. 

Sicherlich war mir bewusst, dass das kommende nicht leicht für mich oder meinen besten Freund werden würde, aber gleichwohl war ich mir im Klaren darüber, dass es an der Zeit war sich der Vergangenheit zu stellen. Das galt für Matteo wahrscheinlich noch mehr als für mich, aber wir beiden würden in den kommenden Stunden mit Teilen der Vergangenheit konfrontiert werden, die wir lange hinten an gestellt hatten. Fälschlicher Weise sogar verdrängt hatten, bis wir ebendem vom Vergangenen eingeholt worden sind, als Louise und Walter, dann vor einigen Wochen bei uns in der Klinik aufgetaucht waren. Bisher habe ich mit niemanden darüber gesprochen, welche Vergangenheit Matteo und mich miteinander verbindet. Für viele Kollegen und auch meinen Mann schien es so, dass Matteo und ich über die Jahre hinweg, die wir zusammen am JTK praktizierten eine Verbundenheit aufgebaut haben, die ebendem niemand anderes mit Doktor Grummel hier neben mir aufbauen konnte, doch eigentlich lagen die Verbindungselemente zwischen uns viel weiter in der Vergangenheit. Sehr viel weiter. Denn was man nicht wusste, war der Umstand, dass ich vor etlichen Jahren während meiner Schulzeit, Mirjam, Matteos spätere Frau, kennengelernt hatte und wir sehr schnell zu besten Freundinnen geworden waren, die ebendem durch dick und dünn gegangen sind. Auch während der Studienzeit standen wir stetig im Kontakt zueinander, haben uns besucht, uns unterstützt und einfach den Umstand genossen, dass man einen so guten Freund an seiner Seite hatte. Mit der Zeit stieß dann irgendwann Matteo dazu. Mirjam hatte ihn bei einer Studentenparty kennen und vor allem lieben gelernt. Wir wurden zu einer großartigen Truppe, die zusammen durch gute, aber ebendem auch durch die schlechteren Zeiten ging. Ich war an der Seite der Beiden als Mirjam das Kind verloren hat, habe sie getröstet, sie versucht aufzubauen, aber heute weiß ich, dass ich damals auf vollkommene Taubheit gestoßen war, viel zu tief saß der Schmerz, ein Schmerz, der nie geheilt werden konnte. Mich selbst aus der tiefen Traurigkeit herausziehend, wandte ich mich zurück an das Gespräch, welches Matteo in Gang gesetzt hatte. 

„Matteo, es gibt keinen Grund für Zweifel oder wohlmöglich die Umkehr nach Erfurt ohne die Konfrontation mit den beiden. Du leidest darunter, dass du keinen Kontakt mit den beiden gehalten hast, nachdem Mirjam verstorben ist. Jeder ist seiner Trauer auf seine Weise nachgegangen, wodurch ihr euch über die Zeit hinweg entfremdet habt. Und ich für meinen Teil habe dieses Aufeinandertreffen einfach viel zu lange nach hinten verschoben und mich auch viel zu rar gemacht. Diebeiden waren ein wichtiger Teil unserer beide Lebens. Sie haben es verdient, dass man ihnen dennoch die Würde entgegenbringt und über seinen Schatten springt und die Vergangenheit hinter sich lässt. Von hier an kann es nur besser werden.", führt ich meinen Monolog zu Ende, während Matteo vor dem Haus hielt. „Du solltest echt mal darüber nachdenken Motivationscoach oder Mentaltrainer zu werden. Deine Gedankengänge und Sinnsprüche wären dort wohlweislich besser aufgehoben als bei uns im Klinikum.", kam es mit einem leichten Lächeln von Matteo zurück. Es tat gut zu sehen, dass er zumindest etwas seiner harte Fassade fallen ließ und sich damit auch für das kommende bereit machte. Aus dem Wagen steigend, warf ich ein: „Aber wenn ich den Beruf wechseln würde, wer in der Klinik hätte den Mut, den großen Matteo Moreau dann auch mal von seinem hohen Ross herunterzuholen. Ich glaube nicht das irgendwer der Kollegen die Tapferkeit hätte, dir auch mal Paroli zu bieten."

 „Sicherlich nicht, aber vielleicht würde ich es genießen, wenn ich zum alleinigen Regenten der Klinik erhoben werden würde.", kam es witzelnd von Matteo, der derweil den Wein und die Pralinen aus dem Kofferraum geholt hatte und den Wagen abschloss. Den Kopf schieflegend betrachtete ich ihn kritisch: „Träum weiter! Die Medizin ist keine Einzelsportart. Du wirst immer mal wieder eine helfende Hand brauchen und dann wirst du dankbar sein, dass du die Welt nicht vollkommen allein tragen musst." Allein ein Nicken von Matteo erhalten, gingen wir gemeinsam die letzten Schritte hinauf zum Haus, sodass wir uns nach fast fünfzehn Jahren der Vergangenheit stellen würden.

Sekunden nach dem das Klingeln der Haustür zu vernehmen war, wurde diese von Louise geöffnet, die uns mit einem breiten Lächeln empfing: „Leyla, Matteo es ist so schön, dass ihr euch gemeldet und angeboten habt hier her zu uns zu kommen. Kommt rein, legt eure Mäntel ab, dass Essen ist in wenigen Minuten ebenfalls fertig." Leicht erschrocken über die Offenherzigkeit war ich gar nicht in der Lage irgendeine Antwort zu leisten, sondern folgte einfach automatisch den Handlungen von Matteo, der wie geheißen, seinen Mantel an den Haken hing und daraufhin hinüber ins Esszimmer vorging. Über die gesamte Zeit hinweg hatte sich hier kaum etwas verändert, weshalb wir ohne größere Probleme ins Esszimmer gingen, in welchem uns Walter bereits erwartete. Während er Matteo etwas verbissen die Hand schüttelte, zog er mich zur Begrüßung sofort in den Arm, als wären die letzten Jahre einfach nie geschehen und dieser Umstand tat so gut. Die restlichen Stunden zogen wie im Nu an uns vorbei. Nachdem die erste Stunde eine gewisse Distanz zwischen uns hing, wurde es mit der Zeit immer lockerer und es hatte in Ansätzen eine ähnliche Atmosphäre wie in der Vergangenheit. Gegen drei beschlossen Matteo und ich das es an der Zeit wäre, dass wir uns wieder auf den Weg nach Erfurt machten, sodass er pünktlich zum Dienst kommen würde und ich am Abend noch etwas Zeit mit Raya verbringen konnte. Doch viel wichtiger war, dass wir uns mit Louise und Walter darauf einigen konnten, dass es nicht bei diesem Besuch verbleiben sollte. Sicherlich würde man das Vergangene nicht vollkommen vergessen können und das Fernbleiben von Matteo und mir war ebenso wenig zu verzeihen, doch wir wollten versuchen, für die Zukunft wieder eine verbesserte Verbindung aufzubauen. Nach einer letzten Verabschiedung stieg ich in den Wagen, schrieb Ben das ich wahrscheinlich in zwei Stunden zu Hause sein würde und ihn liebe. 

„Wirst du Ahlbeck irgendwann mal von der gesamten Vergangenheit erzählen?", kam es leise von Matteo, nachdem er sich gleichwohl in den Wagen gesetzt hatte. Die Frage war sicherlich nicht abwegig, wie häufig war ich versucht gewesen Ben einfach alles zu erzählen, vor allem an Mirjam Todestag war es nicht nur einmal der Fall gewesen, dass ich reinen Tisch machen wollte, doch ich konnte es nicht, zumindest nicht ohne Matteos Einverständnis. „Irgendwann bestimmt. Aber sicherlich nicht ohne zuvor mit dir darüber gesprochen zu haben. Wir haben beide eine wichtige Person unseres Lebens verloren, wenn ich meinem Mann darüber erzähle, dann will ich das es gleichzeitig für dich ok ist. Denn am Ende war Mirjam zwar meine Freundin, doch sie war deine Frau und die Mutter eures ungeborenes Kindes daher würde ich diesbezüglich niemals einen Alleingang wagen.", erklärte ich vollkommen ehrlich. „Danke. Für alles!", kam es im Flüsterton über Matteos Lippen, während wir im Folgenden in Stille zurück nach Erfurt in die Gegenwart fuhren und damit ein Teil unserer Vergangenheit hinter uns ließen und somit in eine bessere Zukunft blicken konnten.

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