Sie liebt dich, wage es ja nicht daran zu zweifeln - OS zu Folge 283

202 8 0
                                    

„Wusstest du, dass Raya gerne Ärztin spielt?", wollte ich von meinem Mann wissen, hoffend, dass dieser ebenfalls ratlos über den Umstand sein würde. Seitdem meine Schwiegermutter mir heute Vormittag eröffnet hatte, dass unser Kind scheinbar ganz andere Interessen hatte, als ich es bisher wahrgenommen hatte, begannen sich immer wieder Zweifel, an meinem Mutter sein, in den Vordergrund zu schieben. 

„Sicherlich habe ich mitbekommen, dass sie beispielsweise Chuchu, ihre Puppe, gerne mit Pflastern behandelt, aber sonstig ist mir nicht weiter in diese Richtung aufgefallen... Obwohl Elias mir vor ein paar Wochen stolz erklärt hat, dass sie seine kleine Schnittverletzung ganz professionell mit einem Pflaster versorgt hat. Unser Tochter halt, die Medizin fließt in ihrem Blut. Hey Leyla, was ist los? Du bist den ganzen Abend bereits schon so schweigsam. Ist irgendetwas zwischen dir und meiner Mutter vorgefallen?", schaute Ben mir mit besorgtem Blick entgegen. Kopfschüttelnd wandte ich meine Konzentration auf das Buch ‚Der größte Schatz der Welt', welches ich derweil verpackte und erklärte Ben: „Nein, das ist es nicht. Ich dachte eigentlich immer unsere Maus mag Tiere! Sie ist immer so fasziniert von den Tiergeschichten, die wir am Abend lesen, dass ich davon ausgegangen war, dass dort ihre Begeisterung gelagert sei. Aber da habe ich mich scheinbar vollkommen getäuscht." 

„Haben du und meine Mutter einen Wettstreit am Laufen? ‚Wer kennt Raya am besten!' oder woher kommen auf einmal deine Selbstzweifel?", wollte Ben, mit einem schiefen Grinsen auf den Lippen, von mir wissen. Ach, wenn es doch nur so einfach wäre. Aber eigentlich lag der Kern der Sache doch ein ganzes Stück tiefer. Seufzend erwiderte ich ein schnelles ‚Nein, haben wir nicht', während ich meinen Blick wiederum auf das kleine Geschenk vor mir richtete und die Schleife noch einmal fest zog. „Bin ich eine schlechte Mutter, weil ich nicht weiß, welche Interessen unsere Tochter verfolgt? Bin ich zu häufig in der Klinik und ebendem nicht zu Hause, wo ich eigentlich sein sollte? Vernachlässige ich meine Tochter, weil ich ebendem weiterhin Vollzeit in der Klinik arbeite?", flüsterte ich vor mich hin, zum einen hoffend, dass Ben die Worte wohlmöglich nicht wahrnehmen würde und zum anderen bangend, dass er sie doch gehört hatte und meine Sorgen nicht innerhalb kürzester Zeit aus dem Weg räumen würde können.

„Leyla, du weißt ganz genau, dass du eine wundervolle und starke Mutter bist! Ich weiß das, Raya weiß das, Zoe würde es dir gegenüber ebenso bestätigen und vor allem tief in deinem Inneren, weiß du auch, dass du die beste Mutter für die beiden bist, die sie sich wünschen könnten. Warum nimmst du dir morgen nicht einfach kurzfristig frei und verbringst den Vormittag ganz allein mit unserer Tochter? Vielleicht geht ihr in den Zoo und schaut ob die Lieblingstiere unserer Tochter noch immer da sind oder ob die Elefanten vielleicht doch schon nach Afrika abgewandert sind?!", versuchte Ben schlussendlich über seine erheiternde Art mich aus meinen negativen Gedanken herauszulösen. Ich konnte meine Bedenken derweil jedoch noch immer nicht vollständig über Bord werfen, schließlich wusste ich, dass Ben zwar aus heutiger Sicht recht hatte, dass Zoe mich ebenfalls als gute Mutter bezeichnen würde, doch war mir durchaus bewusst, dass dies definitiv nicht immer der Fall gewesen war. Sonst wäre sie wohl kaum nach London zu ihrem Vater gegangen, anstatt bei mir in Erfurt zu bleiben. War es damals nicht auch die Tatsache, dass ich zu wenig für die da war, die sich nach England geführt hat. 

„Wie kann ich wissen, dass es wirklich das ist, was Raya sich wünscht? Vielleicht würde sie ja viel lieber ihre Zeit nach der Kita mit ihrer Oma verbringen, mit der sie Ärztin spielen kann.", kam es noch immer zweifelnd als Gegenfrage über meine Lippen „Leyla, sie liebt dich, wage es ja nicht daran zu zweifeln! Der kleine Wirbelwind liebt es Zeit mit ihrer Mama zu verbringen, sie vergöttert dich." Seine Erläuterung als Witz abtuend, wandte ich mich bereits ab, um mit dem Geschenke verpacken, weiterzumachen, als Ben fortfuhr: „Hey, schau mich nicht so an, als würdest du mir nicht glauben. Ich hätte da ein oder zwei Beispiel für dich. Wenn ich Raya abends ins Bett bringe und ihr eine Geschichte vorlesen will, dann höre ich mir immer wieder die gleiche Argumentation an: ‚Papa, du nicht lesen wie Mama! Tierstimmen machen, bitte!' Oder wenn ich mit Raya am Morgen das Frühstück machen möchte, was denkst du, wie häufig ich mir dann anhören darf, dass Mama das aber ganz anders macht. Es sind die alltäglichen Dinge, die vielleicht häufiger in unserem stressigen Sein untergehen, aber sie weiß, dass sie über alles geliebt wird. Sie weiß ganz genau was sie an uns hat und dass wir beiden sie über alles in der Welt lieben. Zweifel bitte nicht daran!" 

Auch wenn noch immer ein kleiner Zweifel tief in meinem Inneren verwurzelt war, so versuchte ich dennoch zumindest vorerst etwas optimistischer dem Ganzen entgegenzutreten. „Ich glaube ich werde mal Matteo schreiben und fragen, ob er sich vorstellen könnte, dass er morgen meinen Frühdienst kurzfristig übernehmen könnte!", kam es mit einem leichten Lächeln als Erwiderung meinerseits. „Da ist das Strahlen in deinen Augen ja endlich wieder!", grinsend beugte sich Ben zu mir hinüber und gab mir einen innigen Kuss auf die Lippen, „Ich liebe dich Leyla Sherbaz! Und vor allem deine ganze Familie liebt dich ebenso sehr, wie du sie! Wage es ja nicht daran zu zweifeln! Und wenn dein Glaube daran mal wieder ins Wanken geraten sollte, ich bin immer hier an deiner Seite, um dich daran zu erinnern, was für eine wichtige Rolle du in unser aller Leben einnimmst."

Im Hintergrund vernahm ich das Klingeln der Eieruhr, welches uns darüber informierte, dass es Zeit wurde die Einhorn-Muffins für die Kita zu verzieren. Damit war der innige Moment vorerst durchbrochen, denn nunmehr war es erst einmal wichtig, dass das Gebäck für den morgigen Tag fertig werden würde, doch ganz konnte ich das Gespräch dann nicht ohne weiteres stehen lassen: „Danke Ben, für alles. Ich liebe dich, über alles in der Welt, vergiss das bitte nie!"

OneShots zu IaF djÄWo Geschichten leben. Entdecke jetzt