Moments (8)

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Bens Erzählperspektive:

Wie schön es doch wäre, wenn dieser Abend einfach ganz schnell an mir vorüberziehen würde. Ich wusste, weshalb ich den Kasack auch weiterhin lieber trug als die Hemden, die nunmehr seit meiner Beförderung zum Oberarzt in meinem Kleiderschrank ihren Platz gefunden hatten. Er war einfach viel, viel bequemer. Diejenigen, die täglich in Hemd, Anzug und Krawatte umherliefen, mussten echt einen gewissen Hang zum Selbstmasochismus haben. Nichtsdestotrotz war ich sicherlich stolz hier sein zu dürfen. Es ging schließlich um einen der größten medizinischen Preise, die es in unserem Berufsfeld gab. Den Ernst-Jung Preis. Es war meine Hautforschung, die ich damals mit den Kollegen in London begonnen hatte, in Erfurt perfektioniert und nunmehr hier, wo alles begonnen hatte, zu einem Ende gebracht hatte, welche die Revolution der Brandverletztenversorgung bedeutete, die heute mit auf der Liste der diesjährigen größten Forschungserfolge stand. Dennoch schwang mit der Zeit, die ich hier nunmehr alleinig begleitet vom Forschungsleiter Professor Stevenson und einem seiner Mitarbeiter momentan vor allem die Wehmut in mir. 

Vorgestern wäre vielmehr mein letzter Tag im Forschungskomplex hier in London gewesen. Die experimentelle Forschungsreihe war zu Ende. Die Ergebnisse zur Zulassungsprüfung eingereicht. Die Taschen hatte ich bereits schon einige Tage im Voraus gepackt, ein Ticket für den erstbesten Flug nach Erfurt gebucht, ein kleines Geschenk für Raya gekauft und mich einfach nur der Vorfreude hingegeben, nunmehr endlich zurück zu meiner Familie zu reisen. Auch wenn ich hier mit so spezialisierten und fachlich perfekt ausgebildeten Menschen arbeiten durfte, so vermisste ich doch bereits von Anfang an mein gewohntes Umfeld, wo ebendem Zeit dafür blieb, auch mal über alltägliche und persönliche Dinge zu sprechen. Sein Handeln zwischen privaten und beruflichen aufzugliedern. Hier in England hatte ich immer mehr das Gefühl bekommen, dass der Beruf das Zentrum des Lebens sei, alles andere spiele nur eine Nebenrolle. Eine Denkweise, die ich vielleicht vor einigen Jahren gleichwohl unterschrieben hätte, aber derweil war ich Ehemann und Vater. Seitdem konnte ich meine Wertvorstellung bezüglich des Lebens doch noch einmal deutlich anpassen. Definitiv zum Besseren. Die Gedanken an Leyla und Raya waren es, die mich in dem letzten Monat hier weitermachen ließen. Gott bewahre, sollte es irgendwann einmal notwendig werden, dass bei ihnen Brandwunden versorgt werden müssten, dann sollten sie die bestmögliche Behandlungsform erhalten und die war ebendem die Anzucht von Präparaten aus patienteneigenen Hautzellen. Daher trieb ich mich selbst an, weiter an dieser Vorgehensweise zu werkeln, auch wenn das Heimweh überhand gewinnen wollte. Das alles war nun ebendem geschafft und so sehr ich meine Arbeit auch schätze, nach nunmehr vier Monaten der Trennung und Entbehrung wurde es Zeit nach Hause zu kommen. Doch wie ich an meinem eigentlichen Abreisetag erfahren durfte, funktionierte ein weiteres Mal nicht alles in dem Rahmen, wie ich es mir wünschen würde. 

'Tja, Herr Ahlbeck, Sie sind schließlich auch nur ein Zahnrad im großen Getriebe der Menschheit', schoss es mir soeben in einer perfekt imitierten Moreau Stimme durch den Kopf. Langsam ging es nun wirklich mit mir durch! Professor Stevenson hatte mir vor zwei Tagen also eröffnet, dass die Hautforschungsreihe für den Ernst-Jung Preis nominiert sei, der in diesem Jahr hier in London vergeben werden würde. Ebendem aber erst an dem heutigen Freitag. Und da ich Hauptverantwortlicher der Erarbeitung war, konnte ich nicht einfach in den Flieger steigen, selbst wenn die Chancen so minimal waren, dass die Entscheidung schließlich auf diese Arbeit fallen würde. Das würde ein viel zu schlechtes Licht auf all das werfen, was wir in den letzten Jahren entwickeln konnten. Demnach kam es so, dass ich daraufhin all meine gefassten Pläne erneut umdisponieren musste und meinen Aufenthalt um weitere drei Tage nach hinten schob. Über das Telefonat, welches ich mit meiner kleinen Bohne an dem besagten Abend, meiner eigentlichen Heimkehr führen musste, möchte ich an dieser Stelle definitiv nicht einmal mehr nachdenken. 

Der Stich, wenn ich nur im Entferntesten daran zurückdachte, war einfach zu schmerzlich und aufwühlend. Denn trotz der Tatsache, dass Raya grade einmal zwei Jahre alt war, hatte sie ebendem eine emotionale Auffassungsgabe weit über ihr eigentliches Alter hinaus, was dafür sorgte, dass dieses Telefonat dementsprechend in einer sehr tränenreichen Diskussion geendet hatte, die schlussendlich von Leyla notgedrungen unterbrochen werden musste. 

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