Onkel Momo Reihe (2)

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Sicherlich liebte Leyla ihren Job im Krankenhaus. Die Arbeit am Patienten und die Dankbarkeit, die am Ende des Tages ein begleitender Teil ihres Seins war, wollte sie auf Lang gewiss nicht missen. Doch die Zeit, die sie aktuell mit ihren Enkelkindern und vor allem auch mit ihren Töchter verbringen konnte, war es, was sie momentan vielmehr Antrieb. Sie war über viele Jahre hinweg dem beruflichen Erfolg hinterhergelaufen, sodass eine Parallelität zwischen Familie und Beruf notwendig wurde. Doch die Momente, wo man die Familie nun über all das andere stellen konnte, waren wichtiger. Viel wichtiger. Der Weg, um zu dieser Einsicht zu kommen, hatte etwas Zeit in Anspruch genommen, doch inzwischen war es ein Dogma, dem Leyla gerne folgte. 

„Oma, müssen wir wirklich einen Bastelnachmittag machen? Wir können doch lieber in den Park. Oder Raya und ich könnten doch auch in meinem Zimmer weiter mit dem Puppenhaus spielen. Basteln ist am Ende doch aber eher was für Kleinkinder.", meinte Mira leicht bockig, nachdem Leyla die beiden Mädchen aus dem Kinderzimmer geholt und sie um den Esstisch positioniert hatte, sodass man am heutigen Tag etwas Herbstdekoration vorbereiten konnte. Schließlich war der Oktober auch schon fast zur Hälfte herum und noch kein Igel oder Fuchs war in der Wohnung positioniert worden. Bei Mira war sie da jedoch augenscheinlich nicht auf Gegenliebe gestoßen. Während Raya sich hingegen glücklich strahlend an den Tisch gehockt hatte und genaustens untersuchte, was dort alles vor ihr lag, war die älteste Tochter von Zoe innerhalb weniger Minuten zurück ins Kinderzimmer gestampft. Gut dann eben nicht! 

Mit einem schiefen Blick bedachte die Perserin, daraufhin ihre große Tochter, die derweil in der Küche stand, um die Fläschchen für die Zwillinge vorzubereiten und nunmehr mit einem Lächeln auf dem Gesicht ihren Kopf verwundert von links nach rechts schüttelte. „Manchmal frage ich mich echt, wie du es ohne weitere Hilfe geschafft hast mich Groß zu ziehen?!", kam es mit einem leicht reuenden Unterton von Zoe, ehedem sie weiter erklärte, „Wenn ich nur einen Bruchteil dieser Verhaltensweise gezeigt habe, dann muss ich dir das Leben in einigen Momenten äußerst schwer gemacht haben!" „Wie du weißt, ist Einsicht der beste Weg zur Besserung! Und wie ich aktuell ja ganz gut einschätzen kann, wirst du noch einiges von deinen eigenen Verhaltensweisen in den kommenden Jahren aus der gegenüberliegenden Perspektive betrachten dürfen.", kam es schulterzuckend von Leyla zurück. Sicherlich war es nicht auszuschließen, dass auch Raya irgendwann in eine etwas aufmüpfigere Phase übergehen würde, doch solange konnte und wollte sie die kleinen Momente mit ihrer jüngeren Tochter genießen. Während Zoe sich sicherlich ihrer eigenen Verhaltensweisen der Kindheit besehen durfte. 

„Mami, können wir trotzdem basteln? Auch wenn Mira nicht mitmachen möchte?", kam es von Raya, die mit leichten Sorgen in den Augen ihre Mama bedachte, geängstigt, dass daraufhin vielleicht keiner mit den ganzen bunten Blättern, Papptellern und jeglichem Bastelmaterialien, welche auf dem Tisch verteilt lagen, Freude haben würde. Leyla setzte sich daraufhin behände neben ihre kleine Motte und versicherte eilig: „Wir beiden können so viele Dinge malen und basteln, wie du magst. Vor allem müssten wir dem Papa einiges an Herbst-Deko basteln, sodass er in der Wohnung etwas Farbe verteilen kann." Eifrig nickend, zog die Kleine daraufhin einen Pappteller aus dem Stapel und begann diesen mit oranger Wasserfarbe zu bemalen. Während die beiden eine gewisse Zeit still beieinander saßen und ihrer Kreativität freien Lauf ließen, entstanden einige kleine und große Kunstwerke. 

Dennoch wollte Raya von ihrer Mama in Erfahrung bringen: „Mami! Kann ich, nachdem wir den Fuchs für Papi angemalt haben und ihm Wackelaugen gegeben haben, auch noch etwas für Onkel Lias basteln? Der braucht auch was für seine Wohnung!" Eine ganze Zeit saßen die beiden daraufhin am Esstisch. Während Raya vergnügt malte, klebte und schraffierte, genoss Leyla einfach allein den Augenblick der sich ihr bot. Wann würde sie sich im Alltag sonst die Zeit nehmen können, um diese kleinen Momente mit ihrer Tochter genießen zu können? Nachdem einige Igel und Füchse gebastelt waren, wurde Raya hingegen immer leiser und nachdenklicher. Etwas, was man von der Kleinen vielmehr gar nicht kannte. „Was geht dir durch den Kopf, Mäuschen?", wollte Leyla daraufhin von ihrer Tochter wissen, wissend, dass die Kleine, die Angewohnheit hatte, sonstig ihre Bedenken in sich hineinzufressen, aus Sorge vor der Reaktion ihrer Eltern oder anderer. 

„Als du so krank warst und hier bleiben musstest. Hat Onkel Momo ja zwischenzeitlich auf Mira und mich aufgepasst... Einen Tag haben wir Blätter vor dem Krankenhaus gesammelt. Da hat er gesagt, dass der Herbst seine Lieblingsjahreszeit ist und er die bunten Blätter so mag. Mama? Können wir Onkel Momo auch so ein Päckchen, wie Onkel Lias und Papa packen, indem einige Bilder, Bastellein und Kekse drinnen sind, sodass er den Herbst auch in seine Wohnung lassen kann?? Er ist doch mein neuer bester Freund!" Ein Lächeln sprang ihr augenblicklich auf das Gesicht und nachdem sie der Kleinen einen Kuss auf den Scheitel drückte, erklärte Leyla: „Aber natürlich Maus! Wenn du deinem Freund ein Päckchen packen möchtest, dann machen wir das."

Dementsprechend sollten wir einige Tage in die Zukunft springen. Um genau zu sein, in das Oberarztzimmer des JTKs. Nachdem Doktor Lindner vor einigen Minuten damit begonnen hatte, die Post des Tages in die Postkästen zu verteilen, hatte er nur noch eine Sendung übrig, die an den passenden Kollegen gebracht werden musste. Dieses letzte Päckchen, welches er noch in den Händen hielt, passt hingegen leider nicht in das des Empfängers, weshalb er dem Kollegen, dies direkt vor die Nase stellte. 

„Lindner, sind sie jetzt auch noch unter die Briefträger gegangen? Haben sie nicht genug damit zu tun Globuli an ihre Patienten zu verteilen?", kam es herablassend von Matteo, während er dann doch neugierig seine Patientenakten zur Seite schob und das Päckchen öffnete. Heraus kamen einige englische Kekse, aber vor allem bunte Bilder und gebastelte Herbstdekorationen, die die klare Handschrift eines Kindes trugen. 

Mit einem vielsagenden Blick, der den Kollegen am besten in allem Weiteren zum Schweigen bringen würde, zischte Moreau: „Lindner... Sparen sie sich jegliche spitzen Kommentare, die sie wohlmöglich auf der Zunge haben." „Eigentlich wollte ich nur sagen, dass ihre anonyme Brieffreundin einen sehr guten Geschmack für Bilder und Bastelarbeiten hat. Das diese höchste Ähnlichkeit haben mit denen, die Herr Ahlbeck heute Morgen ebenfalls aus seinem Postfach gezogen hat, wollte ich eigentlich nicht erwähnt haben.", ließ Lindner es zwischen ihnen beiden stehen, ehedem er das Oberärztezimmer daraufhin schweigend verließ. 

Selbst wenn Matteo es gewiss niemals offen zugeben würde, doch nach dem Dienst bekam der bunte Baum, den Raya für ihn gebastelt hatte einen Ehrenplatz an seinem Kühlschrank. Dort wo er ihn jeden Morgen sehen konnte, wenn er in die Küche kam. 

Eine stetige Erinnerung an seine kleine beste Freundin. Wie die Mutter, so die Tochter.

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