Maro
„Vanessa.", rief ich. Doch sie blieb nicht stehen. Wer hatte sie denn hinausgelassen? Sofort lief ich ihr nach „Vanessa!", rief ich wieder. Diesmal etwas bestimmter. Atayo würde uns beide töten, wenn sie dieses Haus verlassen würde. Ich sah, wie sie die Haustür öffnete und durch diese verschwand. Kurz bevor ich dort ankam, fiel sie zu, aber ich riss sie wieder auf. Doch das Letzte, was ich sah, war wie sie von einem Auto ergriffen wurde. Ich hörte sie noch schreien.
„VANESSA! "
Das Auto fuhr nach einer kurzen Abbremsung weiter. Das Mädchen mit den roten Haaren lag auf der Straße.
Sofort lief ich zu ihr. Verzweifelt ließ ich mich neben sie fallen und drehte ihren Kopf sanft in meine Richtung. Vorsichtig strich ihr ihr Haar aus ihrem Gesicht und betrachtete die Platzwunde auf ihrer Stirn. „Vanessa.", wimmerte ich.
Ihre grün-braunen Augen sahen mich aus diesem blassen Gesicht an.
Ihre Wimpern waren von Tränen verklebt und ihre Wangen glänzten feucht. Die Nase, die ich so süß fand, war rot und sah kalt aus. Sanft legte ich eine Hand an ihr Gesicht und strich mit dem Daumen über ihre tränennassen Wangen.
Sie biss sich auf die spröden, an manchen Stellen blutenden, Lippen.
Ihre Hände legten sich auf meine Schultern und sie zog sich so näher an mich. Jetzt fehlten nur noch ein paar Zentimeter, bevor sich unsere Nasen berühren würden.
In ihren Augen sah ich ein kleines Funkeln. So klein, dass ich mir nicht mal sicher war, dass es wirklich dort war.
Dann kam ihr Gesicht meinem noch näher. Ihre Augen schlossen sich. Ihre Lippen pressten sich fest auf meine. So als würde ihr Leben davon abhängen.
Vielleicht tat es das auch.
Ihre Finger hatten sich in meinem T-Shirt vergriffen und ließen auch nicht davon ab. Ich legte meinen Arm schützend um ihre Hüfte und hielt sie an meinen Körper gepresst. Ich spürte ihre Tränen auf meiner Wange. Oder vielleicht waren es auch meine. Ich wusste es nicht.
Ihr Brustkorb hob und senkte sich unregelmäßig, schluchzend, doch man hörte keinen Laut. Ich schmeckte den eisernen Geschmack, des Blutes ihrer Lippen, vermischt mit dem salzigen unserer Tränen. Jedoch wusste ich, dass das hier falsch war. Es war einfach nur falsch. Nichts, nicht die allerkleinste Kleinigkeit, war richtig. Ich und sie? Niemals! Auch nicht jetzt, wo alles vorbei sein sollte.
Versteht mich nicht falsch, ich genoss unseren Kuss. Aber diese Situation ... ja diese Situation war schuld. Es war einfach der falsche Moment. Der falsche Moment, in dem ich endlich ihre Lippen auf meinen spüren durfte. Die falsche Konstellation. Der falsche Augenblick. Der falsche Zeitpunkt. Einfach alles nur noch falsch. Nein, es durfte noch nie, und es wird auch nie so sein.
Von einem Schmerz wurde ich aus meinen Gedanken gerissen. Vanessa hatte mir auf die Unterlippe gebissen und mein Blut vermischte sich mit ihrem. Ich schmeckte es und ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie es nicht auch schmeckte.
Kurz darauf sackte sie in sich zusammen. Ich löste mich von ihr. „Vanessa.", wimmerte ich wieder und scannte ihren Körper nach Verletzungen ab. Dabei fiel mein Blick auf ihr Oberteil.
Dieses Hemd. Warum trug sie dieses Hemd? Es war offen und ließ die Sicht auf ihre aufgeschrammte Seite. Die Wunde war verdreckt und tief. Sie blutete zwar, aber es spritzte kein Blut. Doch irgendwo verlor sie sehr viel Blut. Ich roch es.
„Maro!", rief meine Schwester und kam zu mir gelaufen. Ich sah auf und erkannte, wie sie erschrocken stehen blieb, als sie die roten Haare sah. „Was ist passiert?", fragte sie schockiert. Langsam überbrückte sie die letzten Meter und hockte sich neben mich. Langsam hob sie Vanessas Rock an und machte so die Sicht auf ihr aufgerissenes Bein frei.
„Sie wird das nicht überleben.", murmelte Risa. „Doch, das muss sie.", wimmerte ich und zog sie fester an mich. Risa biss sich auf die Unterlippe und sah kurz zu unserem Haus. „Du kannst nichts tun.", erwiderte sie leise und nahm Vanessas Hand. „Selbst wenn es etwas gäbe. Atayo ...", fing sie an, aber ich unterbrach sie. „Nein, Atayo wird nicht über sie bestimmen.", fuhr ich sie an.
„Dennoch muss sie rein. Wir können hier nicht bleiben.", erwiderte Risa. Ich nickte leicht. Also hob ich Vanessa auf meine Arme und ging mit Risa zusammen zurück zu unserem Haus.
Im Hausflur kam uns Atayo schon entgegen.
Anders als gedacht fing er nach an zu brüllen und zu schimpfen, sondern befahl Risa: „Hol Eric. Sofort." Dann scheuchte er mich ins Wohnzimmer. Er ließ mich sie ablegen auf dem Sofa und schob mich dann beiseite. „Wo ist Sorin. Sorin!", brüllte er und sofort kam der dunkelhaarige die Stufen herunter gestolpert und betrat das Wohnzimmer. Oberkörperfrei. Er versuchte sich zwar so gut es ging sich zu bedecken, aber es gelang ihm nicht wirklich.
„Warum trägt sie dein Hemd?", fragte Atayo bedrohlich leise. Sorin fing an hektisch zu atmen und stammelte vor sich rum, aber man verstand nichts von dem, was er sagte. „Was hast du getan?", schrie Atayo ihn an. Er musste nicht sagen, was er getan hatte. Der Geruch, den er mit runtergebracht hatte und welcher auch an Vanessa haftete, sagte sowohl Atayo als auch mir, was passiert war. „Wie kannst du es wagen, deine dreckigen Finger an meine Freundin zu legen!", fuhr ich ihn an und ging auf ihn los. Atayo hielt mich nicht zurück als ich zum Schlag ausholte. Und auch Sorin wehrte sich nicht.
„Maro!"
Ich fuhr zusammen und sah die Treppe hoch. Sanji stand oben und hielt sich zittrig am Geländer fest. „Genug.", sagte er. Diesmal um einiges leiser. Unsicher kam er die Treppe runter und ging dann ins Wohnzimmer. Ich folgte ihm. Atayo hockte neben Vanessa und strich ihr das Haar aus der Stirn. An ihrem Bein war jetzt ein Stofffetzen mit einem dicken Knoten und er hatte ihr das Blut aus dem Gesicht gewischt.
Sorin schlich ebenfalls wieder ins Wohnzimmer. "Was ist passiert?", fragte Sanji. Ich räusperte mich und erwiderte: "Sie hat versucht zu flüchten und wurde angefahren." Atayo sah kurz wieder zu Sorin. "Du hättest lieber aufpassen sollen, anstatt dich an ihr zu vergehen.", knurrt er.
Es klingelte an der Tür. Sofort ging ich hin und öffnete die Tür. Sowohl Risa, Eric als auch Ran und Kenzo standen vor der Tür.
Sobald die Tür offen war, zog Risa Eric ins Wohnzimmer und Ran und Kenzo blieben bei mir stehen. "Wo hast du gesteckt?", fragte ich meinen älteren Bruder. Er deutete nur beschämt auf Ran. Dieser war aber an anderem interessiert. Denn sobald er Sanji durch die Wohnzimmertür erblickte, ging er zu ihm.
"Er ist immer noch hier, oder?", fragte Kenzo. Ich nickte leicht. Er verzog das Gesicht und fing an, nervös mit den Fingern an zu knacken.
Zusammen mit ihm ging ich ins Wohnzimmer. Eric hockte schon an Vanessas Seite und versorgte ihr Bein. Es sah schon nicht mehr so schlimm aus.
"Kenzo.", sagte Atayo und verschränkte die Arme. "Wir haben dich vermisst.", knurrte er. Kenzo zog den Kopf ein und erwiderte leise: "Ich war bei Eric, aber jetzt bin ich ja hier." Atayo nickte verstehend. Warte, was war hier los? Keine Schläge? Auch Kenzo schien überrascht darüber. Aber auch froh.
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Vamp Zone 《1》
Paranormal《Abgeschlossen》 Risa hat noch nie wirklich die Welt der Menschen erlebt. Sie kennt keine Telefone und die moderne Kleidung ist ihr suspekt. Sie kennt auch niemanden bis auf ihre vier Brüder. Doch dann wird ihr Leben durch einen Traum um 180 Grad ge...