32. feiges Schwein

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Risa

Ich war gegangen, nach dem Jon eingeschlafen war. Meine Gedanken hatten sich überschlagen und ich konnte nicht mehr klar denken.

Auf seinem Schreibtisch lag jetzt ein Zettel mit der Nachricht „Wir dürfen den Fehler von gestern Nacht nicht wiederholen.". Es war fies und ich fühlte mich so unglaublich schlecht, aber das alles war nicht richtig.

Leise öffnete ich die Haustür und stieß im Flur auf Maro. Er sah mich überrascht an und fragte: „Alleine?" Ich nickte. Er nickte ebenfalls und ging seinen Weg nach oben.

Dort stand Kenzo auf der Galerie und sah zu mir runter. „Du riechst anders.", stellte er fest und ich fing kurz an, an mir zu riechen und sah dann verwirrt zu ihm hoch. Kenzo schmunzelte und meinte: Hatten Jon und du einen etwas besonderen Moment?" Bei dem Satz tauchte jetzt auch Sanji auf und ich sah aus der Distanz, wie seine Augen rosa aufleuchteten. Lügen brachte nichts mehr. Er sah es eh. Ich biss mir auf die Unterlippe und murmelte: „Wir haben uns geküsst, aber das war nicht ernstes, ich war nur verwirrt."

Sanji kam die Treppe heruntergelaufen und zog mir besorgt die Jacke aus. Dann brachte er mich ins Wohnzimmer und verfrachtete mich aufs Sofa. Kenzo folgte.

Sanji flitzt in die Küche und brachte mir ein Glas mit roter Flüssigkeit. Dann setzte er sich neben mich und fragte: „Was hat er gemacht?" Kenzo rückte einen Stuhl näher und setzte sich zu uns.

Ich nahm einen kleinen Schluck und murmelte: „Ich bin das Arschloch in der Geschichte. Ich habe ihn dazu gebracht mich zu küssen und ich bin diejenige, die nicht seine Gefühle erwidert, ihn dennoch wieder geküsst hat, weil es so gut war und einen Zettel auf seinem Tisch hinterlassen hat."

Kenzo schnaubte und murmelte was von „Feiges Schwein." Doch Sanji bedachte ihn sofort mit einem bösen Blick.

„Ich wusste, dass ich dich nicht mit ihm alleine hätte lassen sollen.", sagte Sanji und strich mir durch die Haare als ich wieder einen Schluck nahm.

Kenzo schnaubte und murrte: „Jon wäre besser als der Menschenjungen, von dem du mir erzählt hast."

Ich sah Sanji vorwurfsvoll an und jammerte: „Warum erzählst du ihm von ihm?" Sanji hob die Hände und knurrte beleidigt: „Der Arsch hat seine Fähigkeit angewendet. Ich könnte es nicht geheim halten."

Kenzo hatte die Fähigkeit Hypnose. Damit konnte er Personen alles erzählen lassen, was er wissen wollte. Selbst Dinge, die diese Person zwar gesehen, aber nicht aktiv wahrgenommen hatten.

Kenzo lächelte hämisch und zuckte mit den Schultern.

„Apropo.", sagte ich und sah Sanji an. „Hast du an Jons Gefühlen herumgespielt?", fragte ich vorwurfsvoll.

Kenzo lachte und fragte jetzt ebenfalls: „Ja Sanji, hast du?"

Sanji verdrehte die Augen.

„Risa, hör mir bitte bis zum Ende zu. Ran hat mich darum gebeten, es zu tun. Aber er fand dich so oder so gut. Ich habe nur ein bisschen nachgeholfen. Und Jon wird der letzte bleiben, an dem ich meine Fähigkeiten jemals genutzt habe. Deswegen habe ich mich auch mit Ran gestritten. Er will, dass ihr ein Paar seid. Und da du ganz offensichtlich Kenneth willst und nicht Jon, wollte er, dass ich auch an dir herum fusche. Aber das wollte ich nicht."

Ich sah ihn schockiert an.

„Bitte, was?", fragte ich. Sanji senkte seinen Blick und murmelte: „Es tut mir leid." Ich sah zu Kenzo, aber dieser zuckte nur mit den Schultern. „Mach das rückgängig!", verlangte ich von meinem Bruder. Sanji seufzte und sagte leise: „Das geht nicht, Risa. Ich verspreche dir, er hätte so oder so irgendwann etwas für dich empfunden. Ran wollte es nur früher haben. Ich habe nicht viel gemacht."

Ich kippte das Glas mit einem Schluck weg und stand auf. „Gute Nacht.", murrte ich und verließ ihn Raum.

Oben auf der Galerie hörte ich noch wie Sanji anfing zu weinen und Kenzo versuchte ihn zu beruhigen. Er tat mir leid. Ran war ihm wichtig und er wollte ihm alles recht machen. Aber er hatte mich verraten, an meiner Freundschaft herumgepfuscht. Das musste ich erstmal verarbeiten.

Am nächsten Morgen machte ich mich sehr früh auf die Socken, um Sanji nicht zu begegnen und weil ich mit Vanessa verabredet war.

Jedoch als ich die Haustür öffnete, stand das aufgedrehte Huhn schon vor mir. Ich sah sie erstaunt an und fragte: „Wollten wir uns nicht im Park treffen?" Sie nickte bestätigend und meinte: „Ja, aber ich dachte, ich kann dich ja auch abholen und bei der Gelegenheit könntest du mir mal euer Haus zeigen. Ich bin neugierig, tut mir leid." Ich kicherte und hielt ihr die Haustür auf. Wenn sie so fragte. Warum nicht? Schon in der Eingangshalle fiel ihr die Kinnlade auf die Brust und ihre Augen kullerten fast aus ihrem Kopf. Sanft schob ich sie zum Wohnzimmer und öffnete die Tür. Sie drehte sich zu mir und fragte: „Wer sind all diese Menschen? Und warum sehen die so gruselig aus?" Ich räusperte mich und wollte grade ansetzten als eine dunkle Stimme hinter mir sagte: „Das ist unsere Familie." Vanessa fuhr herum. Maro schnaubte belustigt und ging an mir vorbei zur Küche.

Sie starrte ihm hinterher, bis die Tür zu viel. Dann sah sie wieder mich an und fragte: „Eure Familie?" Ich nickte und ging zu einem der unteren Bilder. Auf diesem saß eine junge Frau, schlank, dunkle lange Haare, ihre Augen in einem dunkelbraun. Sie trug ein langes schwarzes Kleid und um ihren Hals lag eine silberne Kette. Sie saß auf einem Sessel und hielt sich in einer sehr formellen Position. „Das ist meine Mutter.", erklärte ich. Dann deutete ich auf das Bild daneben, auf welchem ein Mann stand, mit Anzug. Helles Haar und dieselben rotbraunen Augen wie Sanji. „Und das mein Vater.", fügte ich hinzu. Vanessa trat näher heran und strich vorsichtig mit dem Finger über die Oberfläche des Bildes. „Ist das gemalt?", fragte sie perplex. Ich nickte nur. Beeindruckt ging sie einen Schritt zurück und betrachtete die anderen. „Aber warum so düster?", fragte sie verwirrt. Ich zuckte mit den Schultern. „Fand wohl jemand gut. Ich finde es nicht schlimm. Es passt zu uns.", sagte ich.

Vanessa fing an zu schmunzeln und deutete auf den Fleck auf dem einen Gemälde. „Und was ist da passiert?", fragte sie. Ich lachte nervös. Doch in dem Moment kam Maro wieder aus der Küche. „Unser ältester Bruder hatte die Angewohnheit, Dinge zu werfen. Das war mal der Inhalt einer Tasse.", erklärte er und nahm einen Schluck aus eben solch einer Tasse.

Mein Herz fing an zu rasen, aber Maro schien nichts zu beunruhigen. Vanessa nickte verstehend. „Deswegen auch die Gabel?", fragte sie. Maros Blick ging hoch zu einem der anderen Bilder und verzog nachdenklich das Gesicht. „Ja, jetzt, wo du es sagst. Ich sollte sie da mal herunterholen.", murrte er.

„Guten Morgen", nuschelte Kenzo der grade mit Sanji durch die Tür kamen. Kenzo noch in Schlafanzug und Sanji frisch geduscht, mit aufgeknöpftem Hemd und Hose.

Als er Vanessa sah, schloss er es unauffällig, aber sie hatte eh nur Augen für Maro. Was dieser jedoch nicht bemerkte.

Ich sah aber den Schreck in Kenzos Augen als die Tasse in Maros Händen sah. Panisch sah er zu Vanessa und dann zu mir. Ich zuckte nur mit den Schultern. Maro kippte aber auch in diesem Moment den letzten Rest weg.

„Ja, ähm, wir müssen jetzt auch los.", sagte ich und nahm Vanessas Arm. Doch sie meinte: „Wo müssen wir denn hin?" Ich murmelte: „Meine Brüder sind morgens lieber alleine." Das schien sie zu überzeugen, denn sie folgte mir.

Draußen atmete ich unauffällig durch. Vanessa klammerte sich an meinen Arm und quietschte: „Dein Bruder ist unglaublich heiß." Ich hob eine Augenbraue und fragte: „Welcher?" Sie kicherte und schlug sich vor die Stirn. „Hier, der große. Breite. Ich kann mir keine Namen merken.", stammelte sie.

„Maro.", erwiderte ich stumpf und ging vor. Vanessa nickte und wiederholte seinen Namen.

Ich verdrehte die Augen und fragte: „Ist da jemand verschossen? Ich dachte, Sanji hätte es dir angetan." Vanessa lachte und erwiderte: „Ja, anfangs, aber Maro hat so eine Ausstrahlung. So ein großer Softie. Wie ein freundlicher Bär, der dich vor allen beschützt, aber dich nachts warmhält und sich um dich sorgt." Okay, das war unangenehm. Aber es freute mich auch etwas, dass es offensichtlich jemanden gab, der so über Maro dachte. Sonst wurde er immer von meinen Brüdern geärgert, weil er so emotionslos war. „Kannst du uns näherbringen?", fragte Vanessa. Ich schluckte und sagte: „Ja, mal sehen. Vielleicht." Sie quietschte wieder und sprang auf und ab.

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