Chapter 4

15K 730 48
                                    

„Was machst du hier?“, frage ich genervt. Da steht doch  tatsächlich der Grund dafür, dass meine Mutter meinen Vater und mich allein gelassen hat. Der Grund dafür, dass mein Vater ein Alkoholproblem hat. Und der Grund, dass ich mit meinen 17 Jahren schon Geld zum Leben verdienen muss.
„Du bist doch der Sohn von Sonya, nicht? Noel?“
„So ungefähr.“, antworte ich genervt.
„Arbeitest du hier?“
„Ja.“
„Okay gut, dann hätte ich gern zwei Pizza Hawaii zum Mitnehmen.“, bestellt er. Ich gehe ohne eine Antwort zur Küche und gebe die Bestellung auf. Danach gehe ich wieder zurück in den vorderen Bereich der Pizzeria. Er steht nach wie vor am Tresen. Super.
„Warum bist du überhaupt hier? Meine Mutter und du seid doch was weiß ich wohin gezogen.“, will ich wissen.
„Wir haben uns dazu entschieden, wieder hier herzukommen.“, sagt er mit einem Lächeln. Ich beiße meine Zähne aufeinander um nicht auszurasten und beschäftige mich damit, den Tresen zu säubern.
„Hey, ähm hast du was zu schreiben? Dann kann ich dir unsere Adresse notieren.“ Stumm gebe ich ihm einen Stift und einen Zettel. Ich werde in die Küche gerufen um die Pizzen zu holen. Dann hohle ich noch zwei Verpackungen und lege die Pizzen hinein. Der Macker meiner Mutter gibt mir das Geld und ich überreiche ihm die Verpackungen. Er verlässt den Laden und ich gehe hinter den Tresen. Dort liegt der Zettel mit der Adresse und einer Telefonnummer. Ich stecke ihn schnell in meine Hosentasche und mache mit meiner Arbeit weiter.
Als ich nach 7 Stunden endlich fertig bin, gehe ich nach Hause. Hoffentlich ist mein Vater nicht da, auf ihn hab ich heute wirklich gar keine Lust.
Die Lichter im Haus sind aus. Anscheinend hab auch ich mal Glück. Doch zu früh gefreut. Sobald ich das Haus betrete, höre ich ein Husten und das Geräusch von Glas, das auf einem Tisch abgestellt wird. Ich versuche mich leise und unbemerkt nach oben zu schleichen. Jedoch auf der Hälfte der Treppe werde ich am Kragen von meinem T-Shirt zurückgerissen. Ich stolpere und lande grob auf dem Boden vor der Treppe. Vor mir steht mein Vater. Seinen nach Alkohol stinkenden Mundgeruch kann ich sogar aus dieser Entfernung riechen. Da ich weiß was jetzt kommt, versuche ich meinen Kopf mit meinen Armen zu schützen. Dann kommt auch schon der erste Tritt in meinen Bauch.
„Wolltest du dich an mir vorbeischleichen oder was?“, brüllt mich mein Erzeuger an. Ein weiterer Tritt. „Willst du dich nicht entschuldigen?“, schreit er. Nach gefühlt 100 folgenden Schlägen und Tritten sagt er: „Und jetzt hau ab und sieh wo du heut Nacht unterkommst! Dann lernst du deinen Vater vielleicht zu schätzen!“ Er zerrt mich aus der Tür und schon stehe ich vor verschlossener Tür. Ist das jetzt sein ernst? Er sperrt mich aus? Was soll ich denn jetzt machen? Ich hab keinen Platz zum Schlafen und noch dazu tut mir alles weh. Logan. Ich hole mein Handy aus meiner Hosentasche und wähle seine Nummer. Er geht nicht ran. Verdammt. Was soll ich jetzt nur machen? Ich stecke mein Handy wieder in meine Hosentasche. Dabei bemerke ich einen Zettel. Der Zettel! Ich könnte zu der neuen Adresse meiner Mutter gehen. Aber… Will ich das wirklich? Ich hab ihr noch nicht verziehen, dass sie uns im Stich gelassen hat. Ich weiß nicht zu wem ich noch könnte, ich hab ja bekanntlich nicht grad viele Freunde. Logan geht nicht an sein Handy und Steve... Steve. Ich hole mein Handy wieder aus der Hosentasche und wähle seine Nummer. Es tutet. Bitte nimm ab, bitte nimm ab, bitte nimm- „Hallo?“, höre ich Steve´s verschlafene Stimme. „Hey, ähm, hier ist Noah. Tut mir leid, wenn ich dich geweckt hab.“, sage ich entschuldigend.
„Schon gut. Was ist denn los?“
„Ich… ähm… also… Könnte ich vielleicht heute bei dir übernachten? Es ist okay, wenn du das nicht willst.“, frage ich nervös.
„Ja klar. Ist etwas passiert?“
„Nein, ich… ich erklär es dir später okay? Also kann ich jetzt kommen?“
„Ja okay. Und ja du weißt noch wo ich wohne oder?“
„In dem großen Haus in der Westwood-Avenue, stimmt’s?“
„Korrekt. Bis gleich.“, sagt er und legt auf. Ich mache mich auf den Weg und bin 20 Minuten später da. Soll ich klingeln? Lieber nicht, seine Eltern schlafen bestimmt schon. Ich werde ihm einfach schreiben. Kurze Zeit später öffnet sich die Tür und Steve steht in Boxershorts und T-Shirt vor mir. Er lächelt und bittet mich rein. Wir gehen hoch in sein Zimmer, das nebenbei bemerkt riesig ist.
„Du kannst in meinem Bett schlafen, dann geh ich auf die Couch.“, schlägt Steve vor.
„Quatsch. Das ist dein Zimmer. Ich bin froh, dass ich überhaupt hier schlafen darf.“
„Okay gut. Brauchst du andere Klamotten zum Schlafen?“, fragt Steve.
„Nein, ist schon gut. Aber für morgen früh vielleicht?“, antworte ich schüchtern.
„Geht klar. Aber das klären wir morgen früh ja? Ich bin echt müde. Und dann kannst du mir auch gleich noch erzählen was passiert ist, okay?“, schlägt er vor.
„Okay. Danke, Steve.“, lächel ich.
„Kein Problem.“, lächelt auch er.
Ich leg mich auf die Couch und Steve sich in sein Bett.

Am nächsten Morgen werde ich durch Stimmen geweckt.
„… ist das?“, sagt eine weibliche Stimme.
„Noah. Ich hab dir doch von ihm erzählt.“, sagt… Steve?
„Okay, dann lass ich euch mal wieder allein.“, antwortet die weibliche Stimme.
„Mach das. Tschüss.“, verabschiedet sich Steve, bevor man das Geräusch einer schließenden Tür hört. Ich beschließe mich bemerkbar zu machen und tu so, als würde ich gerade erst aufwachen. „Morgen“, werde ich von Steve angelächelt.
„Morgen“, antworte ich und muss daraufhin gähnen.
„Ich zeig dir das Bad, dann kannst du dich fertig machen.“
Erst da merke ich, dass Steve schon umgezogen und gestylt ist. Steve führt mich in ein anliegendes Zimmer, welches sich als Bad herausstellt. Steve gibt mir eine Zahnbürste und will gehen, da frage ich noch: „Ist das dein eigenes Bad?“
„Ja. Cool oder?“, fragt er lächelnd. Ich lächel auch und Steve geht aus dem Bad. Ich mache mich fertig und gehe wieder in sein Zimmer. Steve sitzt dort auf seinem Bett und blickt auf, als er mich bemerkt.
„Willst du mit uns frühstücken?“
„Uns….?“, frage ich verunsichert.
„Meiner Familie.“, sagt er grinsend.
„Wenn es keinen stört.“, antworte ich fröhlich.
„Komm mit.“ Steve geht aus dem Raum und ich folge ihm in die Küche, wo schon seine Eltern und Geschwister am Tisch sitzen.
„Noah, das sind meine Eltern, meine Schwester Zoe und mein Bruder John.“, stellt er mir seine Familie vor. Wir begrüßen uns gegenseitig und essen dann gemeinsam. Nach dem Essen gehen wir wieder hoch in sein Zimmer.
„Also?“
„Also was?“, frage ich.
„Du weißt genau was. Was war gestern los?“ Ich schaue beschämt nach unten. Wie soll ich ihm das erklären? Wird er es verstehen? Oder mich verurteilen?
„Noah, ich weiß wir kennen uns erst seit ein paar Tagen, aber du kannst mir vertrauen.“, sagt Steve sanft. Ich setze mich auf sein Bett und beginne zu erzählen.
„Naja als ich gestern von der Arbeit nach Hause bin, war mein Vater da und… er hat getrunken. Dann hat er mich… egal. Danach meinte er mich für die Nacht rauswerfen zu müssen, damit ich ihn zu schätzen lerne.“ Während meiner Erzählung haben sich Tränen in meinen Augen gesammelt, aber ich versuche sie zurückzuhalten.
„Einfach so? Und was hat er mit dir gemacht, Noah? Hat er… Er hat dich nicht geschlagen, oder?“, fragt Steve besorgt. Ich antworte nicht. Ich kann das nicht zugeben, nicht vor ihm.
„Noah? Bitte antworte mir.“ Steve sieht mich flehend an. Ich schaue im in die Augen und sage: „Ja. Er hat…“, ich bringe den Satz nicht zu Ende und nun läuft mir doch eine einzelne Träne die Wange runter. Ich spüre einen Arm um meine Schulter. Steve zieht mich in eine Umarmung und streicht mir durch die Haare und über den Rücken. In diesem Moment fühle ich mich so wohl wie seit langem nicht mehr.

-----------

auf dem Bild ist Noah zu sehen

Change Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt