Chapter 8

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Steve sieht mir auf die Lippen und dann wieder in die Augen. Ich öffne leicht meine Lippen. Auf einmal ertönt die Schulglocke und wir fahren auseinander. Total verwirrt und mit geröteten Wangen verlasse ich hinter Steve die Toilette und wir gehen zurück zum Klassenzimmer. Wir kommen gerade noch rechtzeitig an und setzen uns auf unsere Plätze.

„Wo wart ihr denn? Ich hab in der Cafeteria auf euch gewartet.", flüstert mir Logan zu.

„Später", antworte ich ihm nur kurz. Selbst wenn ich wollte, könnte ich die Situation von eben nicht in Worte fassen, zumindest noch nicht. Den Rest der letzten zwei Stunden verbringe ich nachdenklich. Wir waren uns so nah und es hat sich nicht falsch angefühlt. Aber... ich bin nicht schwul. Das bin nicht ICH. Oder? Langsam beginne ich zu zweifeln. Ich bin einfach nur noch verwirrt. Als die Schulglocke das Ende der letzten Stunde verkündet, habe ich mein Zeug längst zusammen gepackt und eile aus dem Klassenzimmer. Ich brauche jetzt etwas Zeit allein, bevor ich nachher an die Arbeit muss.


Zuhause angekommen, sehe ich meinen Vater auf der Couch schlafen. Leise schleiche ich die Treppe hoch in mein Zimmer. Ich schmeiße mich auf mein Bett und schließe die Augen. Mein Handy klingelt. Steve. Soll ich rangehen? Lieber nicht. Ich warte bis mein Handy wieder verstummt. Daraufhin klingelt es nochmal. Und noch ein weiteres. Langsam reicht es mir, ich schnappe mir mein Handy und gehe genervt ran.

„Was?", fauche ich.

„Hey ähm, ist es gerade schlecht?", höre ich die verunsicherte Stimme von Alice.

„Hey, nein, tut mir leid. Mein Handy hat nur grad zum tausendsten Mal geklingelt.", erkläre ich.

„Haha okay. Naja ich wollte auch nur mal kurz fragen, ob du grad Zeit hast was zu unternehmen?", fragt sie schüchtern.

„Ja, noch etwa zwei Stunden."

„Wollen wir dann vielleicht was unternehmen?"

„Gerne. Wir können ja in den Park gehen, bei dem Wetter.", schlage ich vor.

„Okay gute Idee. Also in 15 Minuten dort?"

„Ja, bis gleich."

„Bis gleich!", antwortet Alice begeistert, was mich zum Lächeln bringt.

Ich packe noch das Zeug was ich mit zur Arbeit nehme in einen Rucksack, da ich vorhabe gleich nach dem Treffen ins Restaurant zu gehen. Mit etwas gemischten Gefühlen mache ich mich auf den Weg in den Park. Einerseits möchte ich mich mit Alice treffen, aber ist das richtig in meiner jetzigen Situation? Egal, jetzt ist es eh zu spät. Mittlerweile erkenne ich Alice schon vor dem Eingang stehen. Das erinnert mich an die Situation mit Steve heute Morgen, bevor wir die Schule betraten. Alice und ich begrüßen uns mit einer Umarmung und gehen in den Park. Wir setzen uns auf eine Bank, die an einem kleinen Teich steht. Wir unterhalten uns über unsere Hobbys (sie arbeitet im Tierheim, da sie Tiere liebt), Musik die wir beide gerne hören (Rock) und so weiter. Mit ihr kann man sich echt gut unterhalten. Als es Zeit wird für mich zu gehen, frage ich sie, ob sie mich noch begleiten will. Alice stimmt zu und wir laufen los, Richtung Pizzeria. Sie fragt mich, warum ich dort arbeite. Ich lüge, sage ihr, dass ich für meine Fahrprüfung spare. Ich kann ihr einfach nichts über meine finanzielle Lage erzählen.

An der Pizzeria angekommen, bleiben wir stehen.

„Also... sehen wir uns wieder?", fragt Alice und wird leicht rot.

„Natürlich.", lächle ich.

„Okay gut. Dann bis demnächst."

„Bis dann.", sage ich und sie gibt mir einen Kuss auf die Wange. Sie dreht sich um und geht. Mein Blick schweift nach vorn. Steve. Als ich auf ihn zugehen will, geht er davon. Aber das lass ich nicht so einfach zu. Ich renne ihm hinter her und halte ihn an seinem Handgelenk fest. Gezwungenermaßen bleibt er stehen, dreht sich aber nicht um.

„Steve..."

„Ja?", fragt er kalt.

„Was ist denn los?"

„Was los ist? In der Schule bist du noch vor mir geflüchtet und jetzt triffst du dich mit dieser Alice?"

„Ja, aber... ich... weiß auch nicht. Am besten wir vergessen das, was vorhin fast passiert wäre."

„Ja genau. Vergessen wir es. Vergessen wir alles. Ich muss jetzt los. Tschüss.", sagt Steve kalt, reißt sich los, da ich immer noch sein Handgelenk festgehalten habe und geht weg. Hab ich einen Fehler gemacht? Oder war es die richtige Entscheidung? Niedergeschlagen gehe ich in die Pizzeria. Ich ziehe mich um und sehe Jeff am Tresen arbeiten.

„Hey Jeff", grüße ich ihn leise.

„Hey! Was ist denn los mit dir?", fragt e besorgt. Soll ich es ihm erzählen? Ich entscheide mich dafür und fange mit der Geschichte von Anfang an an. Jeff hört gespannt zu und gibt nur ab und an einen Kommentar ab. Als ich mit Steve's Abgang abschließe, sagt Jeff: „Er ist verletzt, Noah. Ihr habt euch fast geküsst, dann bist du weggelaufen und hast dich mit einem Mädchen getroffen, die dich dann auch noch geküsst hat. Zwar nur auf die Wange, aber das macht für ihn wahrscheinlich keinen großen Unterschied.", sagt Jeff.

„Ich bin doch nicht mal schwul! Ich kann ihm doch keine falschen Hoffnungen machen!"

„Aber er ist dir wichtig. Vielleicht solltest du dir erstmal darüber klar werden, auf was du stehst. So wie ich das sehe, bist sowohl gegenüber Mädchen, als auch gegenüber Jungen nicht abgeneigt."

„Ach ich weiß doch auch nicht! Was soll ich denn machen?", frage ich verzweifelt.

„Am besten du triffst dich mit keinem mehr, bis du es nicht weißt.", rät mir Jeff.

„Hmm", sage ich noch und gehe dann die Kunden, die eben den Laden betreten haben, bedienen. Ich versuche mich so gut wie es geht mit meiner Arbeit abzulenken, aber mein Kopf will einfach nicht abschalten. Da hilft nur noch eins. Alkohol. Ich beschließe nach der Arbeit noch kurz in eine Bar zu gehen. Ich frage meinen Chef ob ich eher schlussmachen kann, da es mir angeblich nicht gut geht. Da fast keine Kunden mehr da sind, stimmt er zu und ich mache mich auf den Weg in die nächst gelegene Bar. Dort bestelle ich einen Vodka und leere das Glas in einem Zug. So geht das weiter, bis mir der Barkeeper nichts weiter geben will, da ich zu ‚betrunken' bin. Geeenau. Ich hab doch erst 3...4...6 Shots oder so getrunken... Ich stehe vom Barhocker auf und schwanke beim Rausgehen leicht. Vielleicht bin ich nicht mehr soo nüchtern. Ohne darauf zu achten, wo ich hingehe, setze ich meinen Weg fort. Ich bemerke erst, wo ich bin, als ich vor dem großen Haus stehen bleibe.

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