T W A A L F | BESUCH

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Entschuldigt, dass letzte Woche nichts kam. Der Klausuren Stress hat mich voll im Griff. 

M A Y L A

Die Rapper waren mittlerweile schon zwei Wochen unter meinem Dach untergebracht. Der Kuchen war bis auf den letzten Krümel aufgegessen. 

Heute Morgen war ich schon früh aufgestanden. Früher als es an einem Sonntag für die meisten Menschen gewöhnlich war. Es war noch dunkel, doch die Laternen wiesen mir den Weg. Mit dem Fahrrad und den Blumen vorne im Fahrradkorb. Ich hatte Dahlien in verschiedenen Farben gekauft. Als ich am Tag zuvor bei der Floristin gewesen war, hatte sie mir erklärt, dass sie lange blühen würden.

 Finn war auf einem Friedhof etwas außerhalb begraben. Die Sonne ging langsam auf und ich hoffte so früh noch niemanden zu begegnen. Als ich nach einer Dreiviertelstunde am Friedhof ankam, atmete ich tief durch, nachdem ich mein Fahrrad abgestellt hatte. Ich mochte den Friedhof und mittlerweile viel es mir auch deutlich leichter zum Grab meines besten Freundes zu gehen. 

Doch ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich nicht jedes Mal mit den Tränen kämpfen musste. Sein Tod hatte mich damals völlig aus der Bahn geworfen und mich in ein tiefes Loch gestoßen. In Deutschland hatte ich mich zurückgezogen und nur noch gearbeitet und funktioniert. Irgendwann hatte ich es selbst nicht mehr mit mir ausgehalten und nach dem Termin beim Notar hatte ich auch einen Grund mal was anderes zu sehen. 

Für mich war es wie eine Therapie gewesen, durch das Haus zu gehen, das Finn von seinen Eltern geerbt hatte. Ich hatte all die Erinnerungen noch mal durchlebt, mich an die guten wie an die schlechten erinnert. Tagelang war ich einfach nur im Haus gewesen, hatte aussortiert und geweint. Doch als ich dann wieder das Haus verließ, weil ich Geld verdienen musste, hatte ich mich besser gefühlt. 

Mein Herz war zwar immer noch gebrochen gewesen und ein Stück meines Lebens fehlte mir bis heute noch, aber ich hatte gelernt damit zu leben, mit der Lücke in meinem Herzen und meinem Leben. Denn ich wusste, es ließ sich nichts mehr ändern. Ebenfalls hatte ich auch aufgehört mich vorwürfe zu machen. Ich hätte den Unfall nicht verhindern können. Ich hätte auch nicht seine inneren Blutungen oder seinen Herzstillstand verhindern können, auch wenn ich mein Leben geben würde, um es zu verhindern, um zu sehen, dass er immer noch auf der Erde wandeln würde. Das Leben war ungerecht. Doch obwohl Finn ein Mensch wahr, der sich noch nie Gedanken um seine Zukunft gemacht hatte, hatte er einen Notar angerufen, als er noch nicht im Koma gelegen hatte. 

Er hatte mir nie gesagt, wie schlecht es ihm eigentlich ging, zwar hatte ich eine Vorahnung gehabt, aber er hatte sie immer dementiert. Finn hatte keine nähre noch lebende Familie gehabt, deswegen hatte er mir alles vererbt, als er mit dem Notar im Krankenhaus sein Testament aufgesetzt hatte. Der Friedhof bei Sonnenaufgang, begleitet vom dem Gezwitscher der Vögel, war ein schöner und zugleich tröstlicher Anblick. Mein bester Freund war weiter hinten begraben, direkt neben seinen Ahnen. 

Der Kies knirschte unter meinen Füßen, während ich dem Weg folgte. Die Sonne schien mir mittlerweile angenehm ins Gesicht. Als ich um die nächste Ecke bog, sah ich auch schon mein Ziel. Das Grab war einfach gehalten, nicht groß, aber gepflegt. Über der Urne, die vergraben war in der Erde lagen schon ein paar vertrocknete, aber auch ein paar neue Blumen. Mein Fahrrad stellte ich neben der Bank gegenüber des Grabes ab. 

Die Dahlien, die in satten rot, lila und orange tönen bluten, legte ich auf dem Grab ab. Ich arrangierte sie so, dass sie auf dem glänzenden Grabstein standen, den Schriftzug nicht verdeckten und genügend Abstand zu den anderen Blumen hatten. Die alten Blumen, die ich vor zwei Wochen gebracht hatte, waren mittlerweile schon verblüht und wurden von mir zu Kompost gebracht. Als ich wieder an der Bank gegenüber von Finn Grab angekommen war, nahm ich meine Wasserflasche aus dem Fahrradkorb und setzte mich auf die Bank. Mehrere schlucke trank ich von dem Wasser, bevor ich meinen Kopf leicht in den Nacken legte, um die sonne zu genießen. 

Mit geschlossenen Augen sog ich alle Eindrücke, die ich bekommen konnte in mich auf und versuchte mich zu entspannen. Ich nahm ein Notizbuch aus dem Fahrradkorb. Mit samt Stift in der Hand, dem Notizbuch im Schoß und der Flasche neben mir saß ich auf der Bank. An diesem Ort war es ruhig, so ruhig, dass ich Zeit hatte, das wirr war an Ideen, die ich in der letzten Zeit gesammelt hatte, auf Papier zu bringen. Schon lange spielte ich mit dem Gedanken, eigene Bücher zu schreiben. Und jetzt, da ich ein bisschen mehr unter Leute gekommen waren, platzte mein Kopf fast vor lauter Ideen.

 Ich verbrachte so drei Stunden. Die Zeit verflog, während sich eine Idee stark herauskristallisierte. Als ich zum Schluss mein Notizbuch zusammen schlug, hatte ich einen Plan für ein Buch. Mein Blick verweilte für eine Minute nochmal auf dem Grab meines besten Freundes, bevor ich alles zusammen packte. 

Eine Weile später kam ich wieder am Haus an. Als ich wie gewohnt mein Fahrrad im Garten abstellte, entdeckte ich auch die Jungs. „Moin Mayla." wurde ich freudig von Jonas begrüßt. „Moin" grüßte ich zurück, bevor ich zu ihnen rüberging. Alle 187 Mitglieder, Pascal und die beiden Produzenten saßen um den Tisch in meinem kleinen Garten. Der Holztisch bot genug Platz für sie alle. Anscheinend hatte sie es sich zusammen gemütlich gemacht. Auf dem Tisch standen verteilt Getränke vor allem Bier. 

Vor den einzelnen Männern lag jeweils ein Block oder Notizbuch. Sie mussten wohl gerade bei der Arbeiten sein. Als ich bei ihnen ankam, schlitzte ich über Alex und Pascals Schultern. Pascal schien sich Gedanken zu einem Fotoshooting oder Video-Dreh gemacht zu haben, während Alex an einem Text arbeiten musste. „Sach mal kann man den Grill benutzen." erklang die Stimme von Jonas wieder. 

Überrascht sah ich von den Notizen auf. Erwartungsvoll lagen die Blicke auf mir. Mein Blick schweifte zum Grill, der zwei Meter entfernt vom Tisch in der Ecke stand. „Er ist schon ein bisschen älter. Ich weiß nicht, ob er noch rund läuft, geschweige denn ob ich eine Gasflasche da habe. Aber an sich klar könnt ihr ihn benutzen." Auf Jonas Gesicht erscheint sein typisches Lächeln. „Lass das mal meine Sorge sein. Gazo kriegt alles hin."

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