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Felicia:
Schrilles Wecker klingeln, Kindergeschrei und das laute pfeifen meiner Heizung, wecken mich wie jeden Morgen, holen mich aus einer Traumwelt in mein schreckliches Leben zurück. Wie jeden Morgen laufe ich in das kleine Badezimmer, wasche mich, kämme meine Haare und ziehe mich in meinem Zimmer um und versuche an meinem kleinen Schminktisch meine Müdigkeit über zu schminken.
„Nur noch einen Tag." sage ich zu meinem Spiegelbild.
Nur noch einen Tag, dann bin ich 18 Jahre alt, und kann hier hoffentlich weg. Seit meinem 5 Lebensjahr, lebe ich in Pflegefamilien. Diese hier ist meine 5. und die in der ich am längsten bin. Vor 4 Jahren wurde ich von dem Ehepaar Scheiter aufgenommen und seitdem hoffe ich, dass sie mich wieder abgeben. Ich lebe kein schönes Leben, mit Familienabenden, Pyjamapartys und Lollis. Ich arbeite hier. Ich wasche die Wäsche, mache das Essen, kümmere mich um die anderen Kinder und mache das Katzenklo sauber. Nebenbei versuche ich meine Schule zu schaffen und arbeite drei Abende in der Woche in einem Restaurant um mir bald meine eigene Wohnung finanzieren zu können. Ich bin hier kein Kind der Familie, sowie die anderen Kinder, ich bin eine Haushaltshilfe, und werde umher geschickt wie es die Scheiters wollen.
„Du bist wunderschön und du kannst alles schaffen was du willst." ein Satz den ich mir täglich vorsage. Meine Mutter hat ihn mir früher immer vor dem schlafengehen gesagt, bis sie und mein Vater nach einem Wohnungsbrand nie wieder aufgetaucht sind. Weder sie in Person noch ihre Überreste, sie sind einfach verschwunden, ohne mich.
„Felicia!" ruft die Stimme von meinem Pflegevater Stefan durch das Haus.
„Ja?"
„Mathilda braucht noch ihre Zöpfe." höre ich ihn wieder rufen.
Ich laufe schnell die Treppe in den ersten Stock hinunter, in das kleine Zimmer von Mathilda. Sie ist eines der anderen 4 Kinder, welche im Haus wohnen. Sie ist das einzige andere Pflegekind der Familie, wird aber behandelt wie ihr eigenes. Mathilda ist mit ihren blonden langen Haaren und den blauen großen Augen eines der süßesten 5 jährigen Mädchen die ich kenne. Neben ihr gibt es noch die 2 Jahre alten Zwillinge Elias und Paul und die 17 Jährige Clara. Clara versucht mir so viel zu helfen wie sie kann, und entschuldigt sich immer wieder dafür, das ihre Eltern mich so behandeln.
„Ich hoffe meine Zöpfe sind irgendwann genauso lang wie deine Feli." sagt Mathilda zu mir, während ich ihre Haare zu zwei Zöpfen pflechte. Seitdem sie hier ist, also fast einem Jahr, besteht sie darauf das ich ihr die selben Zöpfe pflechte, wie ich sie mir auch oft pflechte.
„Sie werden bestimmt noch viel länger, wenn deine Haare weiter so schnell wachsen wie jetzt." antworte ich ihr.
„Und fertig. Hast du schon etwas zum anziehen rausgelegt bekommen?"
„Nein." antwortet sie und schaut sich im Spiegel an.
„Kleid oder T-Shirt?" frage ich abwesend, während ich den Kleiderschrank von Mathilda durchsuche.
Jetzt liegt ein Pinkes Kleid, mit einer dünnen Strumpfhose und Sandalen auf Mathildas Bett bereit, und ich kann in die Küche gehen und für mich Frühstück vorbereiten.
„Guten Morgen." begrüßt mich Clara müde, und versteckt ein Gähnen hinter ihrer Hand.
„Guten Morgen mein Schatz, Guten Morgen Felicia!" Susann betritt gleich hinter Clara die Küche.
Clara ist das komplette Gegenteil ihrer Mutter. Susann ist klein und breit gebaut, hat ein rundes Gesicht, hell blaue Augen und dunkel Braune Haare. Clara ist groß und schlank, mit einem wunderschönen schmalen Gesicht, fein geschwungenen Lippen, dunkel braunen Rehaugen und hell braunen Haaren. Zudem ist sie einer der nettesten Menschen die ich kenne. Susann ist mir gegenüber aber auch nicht so streng wie ihr Mann, dennoch könnte ich mir niemals vorstellen sie freiwillig als meine Mutter zusehen.
„Braucht ihr auch etwas zum Frühstücken? Oder muss ich noch etwas für die Kleinen vorbereiten?"
„Nein, für die anderen ist alles schon fertig." antwortet Susann und deutet auf die fünf Brotdosen auf dem Tisch.
„Hast du heute Abend etwas vor? Samstag Abend, du kannst ja Lena oder Lucy einladen." fragt Susann Clara.
„Ich wollte fragen ob ich mit Felicia auf den Jahrmarkt kann?" antwortet Clara und schaut ihre Mutter an, diese schaut mich an und ich schaue verwirrt Clara an. Ich wusste nichts von ihrem Vorhaben, und sonst planen wir immer unser Vorgehen, wenn wir ihre Eltern fragen ob ich mit darf.
„Mama bitte... sie hat morgen Geburtstag und ich denke wenn wir zusammen rein feiern können, wäre es sehr schön und es würde Spaß machen." Clara packt ihren flehendsten Hundeblick aus, um ihre Mutter zu überreden.
„Okay." sagt Susann nach ein paar stillen Momenten.
Geschrei, Jubel und eine Umarmung folgen.
„Aber um spätestens halb zwei seit ihr zurück okay?" sagt Susann, als sich Clara wieder von ihr gelöst hat.
Wir beide Nicken glücklich und strahlen uns an.

„Wir sind die nächsten Stunden hier um Spaß zu haben Okay? Also Lächeln." Clara stupst mir in die Seite und grinst.
„Ich war seit Jahren nicht mehr auf einem Jahrmarkt. Ich habe ganz vergessen wie groß die sein können." antworte ich und beobachte die leuchtenden Buden und Fahrgeschäfte.
„Guck mal... der Junge da vorne starrt dich die ganze Zeit schon an." Clara deutet unauffällig in die Richtung einer kleinen Gruppe aus drei Jungs und einem Mädchen. Immer mal wieder schauen alle zu mir rüber und stecken dann die Köpfe zusammen, bis auf einer der Jungs, dieser schaut die ganze Zeit zu mir.
„Er ist süß." stellt Clara fest.
„Autoscooter?" Wechsel ich schnell das Thema und ziehe sie hinter mir her.

„Pass auf Felicia!" ruft Clara zu spät... bum! Wir wurden schon wieder von einem anderen Paar gerammt. Bum! Nochmal. Und jetzt von vorne. Wir sind zu geparkt, von allen Seiten. Und direkt vor uns im Fahrzeug sitzt ein Mädchen und der Junge von vorhin. Wir können uns irgendwie aus der Situation retten, werden in den folgenden Runden aber immer wieder von der Gruppe gerammt, zu geparkt und provoziert und immer wieder schauen sie mich erwartungsvoll an und warten.
Immer wieder treffen wir auf diese Gruppe, welche guckt, tuschelt und wieder guckt.
Um Punkt null Uhr fällt mir Clara in die Arme und überhäuft mich mit Glückwünschen.
„Ich habe auch ein kleines Geschenk für dich." Clara zieht ein kleines Päckchen mit einer Schleife aus ihrer Tasche. Ich nehme es entgegen und packe es vorsichtig aus. Es ist eine feine silberne Kette mit einem Kleeblatt Anhänger. Ich spüre wie meine Augen feucht werden und nehme Clara dankend in den Arm. Ich bin so dankbar, das sie mir mein Leben einwenig verschönert und mich ablenken kann. Das sie sich Gedanken darüber gemacht hat was sie mir schenken will, und wie sie mir einen schönen Abend bescheren kann.
„Du hast Geburtstag? Heute? Herzlichen Glückwunsch." ein Mädchen tritt zu uns und lächelt mich freundlich an. Hinter ihr her kommen drei Jungen. Es sind die Leute die mich seit Stunden beobachten.
„Was für eine wunderschöne Kette. Ist das Silber?" ein groß gewachsener Junge stellt sich neben mich und berührt die Kette.
„Finger weg!" sage ich deutlich und schlage seine Hände weg.
„Okay sorry, nicht gleich so empfindlich." sagt der Junge und hebt abwehrend seine Hände.
„Ich mag es nur nicht wenn mir fremde Menschen auf die Nerven gehen."
„Wir gehen, komm Le!" sagt einer der anderen beiden Jungen und geht.

Wächter der ElementeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt