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„Tschau Felicia." Elana winkt mir kurz zu und die beiden Jungs lächeln nur kurz bevor sie zur großen Tür des Ostflügels laufen.
„Geht schon mal." sagt Leander hinter mir und die drei bleiben stehen.
„Leander!" mit hochgezogenen Brauen schaut Kester uns an. Die anderen grinsen nur vielsagend.
„Was denn?" Leander kann sein Lächeln nicht verstecken.
„Ich komm gleich nach."
Nur wiederwillig öffnet Elana die Tür.
„Tut nichts was ich nicht auch tun würde!" trällert Bene über seine Schulter und Kester lacht.
„Na dann haben sie ja freie Fahrt."
„Man Jungs!" Elana schaut die beiden angewidert an und ich werde ein bisschen rot. Bevor das hier noch komischer werden kann, öffnet Leander die Tür des Südflügels und schiebt mich hin durch. Bevor ich die Tür zu meiner Wohnung aufschließen kann, wird sie schon geöffnet. Luise, Alica und Flora treten heraus.
„Oh Felicia wir haben dir gerade geschrieben. Wir wollten jetzt zum Essen." Luise lächelt mich an.
„Ich habe gerade schon gegessen." entschuldige ich mich und die drei sehen ein klein wenig enttäuscht aus. Wir essen eigentlich immer zusammen, seitdem ich hier bin.
„Sorry das ist meine Schuld." mischt Leander sich ein.
„Wir haben vorhin zusammen gelernt und ich konnte einfach nicht länger auf das Essen warten. Und weil wir jetzt noch weiter lernen, habe ich sie überredet heute mit mir zu essen."
Wie könnte man jemanden mit so einem Lächeln böse sein? Die drei können Leanders Charme auch nicht standhalten und nicken verständnisvoll.
„Schon gut. Aber beim Abendessen bist du dabei oder?" ich antworte Luise nur mit einem Nicken. Ohne weitere Worte zu verlieren laufen die drei los und verschwinden hinter der großen Flügeltür.
„Wir lernen?" ich grinse ihn an.
„Wir lernen uns besser kennen." er drängt mich mit seinem Körper durch die Tür, welche kurz darauf zu schlägt. Er verschließt meine Zimmertür und kommt dann wieder zu mir. Er drängt sich wieder an mich, so lange bis ich die Bettkante in den Kniekehlen habe und mit dem Rücken aufs Bett falle. Er packt meine Hüften, hebt mich ein Stück weiter auf das Bett und beugt sich dann über mich. Einen Moment lang schaue ich nur in seine grauen Augen. Bis vor kurzen dachte ich, dass grau eine kalte Farbe ist. Kalt, gefühllos und voller Dunkelheit. Wenn ich in Leanders Augen schaue sehe ich dort nur Wärme, Zuneigung, so viele Gefühle. Ich weiß mittlerweile, dass er nicht gerne über seine Gefühle redet. Das braucht er auch nicht. Er zeigt mir mit seiner Körpersprache, seinen Augen, seinem Lächeln, seinen Berührungen und Gesten was er für mich empfindet.
Er neigt seinen Kopf zu mir und legt seine warmen Lippen auf meine. Leanders küsse und Berührungen sind zärtlich und gleichzeitig so intensiv. Überall wo seine Finger meinen Körper berühren fängt es an zu kribbeln. Seine Lippen ziehen eine feuchte Spur über meinen Hals. Er schiebt seine warmen Hände langsam unter mein Shirt. Berührt mich. Küsst mich. Hält mich.
Er hält mich seitdem wir uns kennen. Schon von Anfang an konnte ich mich auf ihn verlassen. Ich vertraue ihm. Es gab noch nie jemanden dem ich nach so kurzer Zeit mein Leben anvertraut hätte, doch bei Leander ist es so. Sobald er in meiner Nähe ist, fühle ich mich sicher.
Plötzlich knurrt Leander genervt auf, und löst sich von meinem Hals. Erst jetzt höre ich das leise klingeln eines Handys. Er greift in seine Hosentasche und zieht sein Handy raus. Auf dem Bildschirm taucht Benes Name auf und Leander nimmt den Anruf an. In der selben Sekunde lässt er sich wieder auf mich sinken und drückt mich mit seinem schweren Körper wieder in die Matratze.
„Was willst du?" brummt er in das Handy und ich spüre die leichte Vibration in seinem Brustkorb.
„Was will er?"
„Ja okay. Ich komm gleich."
Einen Moment lang hält er inne. Ich spüre nur seinen warmen Atem an meinem Hals.
„Was ist los?" frage ich leise.
„Mein Bruder." stöhnt er an meinem Hals.
Er küsst mich noch einmal sanft am Hals und steht dann auf.
„Kommst du mit?" er hält mir auffordernd seine Hand hin. Kurz zögere ich, lege meine dann aber in seine und lasse mich von ihm hochziehen. Bevor wir meine Wohnungstür öffnen, lässt er meine Hand los. Ich weiß das es anders nicht geht, trotzdem fühlt es sich nicht gut an. Seine Wärme ist sofort weit weg. Ich muss wieder umschalten, in die Felicia, die Leander nicht berühren darf, die ihm keine verliebten Blicke zuwerfen darf und auch nicht seine Hand halten darf.
„Irgendwann..." flüstert er leise. Er scheint meinen Blick bemerkt zu haben. Ich versuchen mich an einem Lächeln und schließe hinter mir die Tür.
Ich folge ihm in den Ostflügel und in seine Wohnung. Dort stehen schon Bene und Leanders kleinerer Bruder Julius. Ich habe ihn mittlerweile schon öfter getroffen, und auch mit ihm bei seinen Eltern gegessen, trotzdem habe ich bisher kaum mit ihm gesprochen. Ich kenne ihn soweit, dass ich ihn als das Gegenteil seines großen Bruders betiteln kann. Er ist nur ungefähr so groß wie ich, nicht so trainiert wie sein Bruder, und auch nicht so selbstbewusst. Er hat weichere Gesichtszüge und braune Augen, die im Gegenteil zu Leanders, nicht dauerhaft die Umgebung abscannen. Leander hat immer alles im Blick. Jede kleine Veränderung in seinem Umfeld be,erst er sofort. Julius dagegen, scheint das alles hier entspannt zu sehen. Seine lieben Augen scheinen nicht na h den Gefahren zu suchen.
„Was willst du?" fragt Leander ihn.
„Unsere Mutter konnte dich nicht erreichen. Sie ist gerade zuhause und du wolltest sie irgendwas fragen." erklärt Julius.
„Und dafür bist du extra her gekommen?" Leander ist skeptisch.
„Es hat sich wohl dringend angehört. Und ich war sowieso noch hier."
„Okay danke." Ich finde es interessant wie unterschiedlich die Beziehungen zwischen Geschwistern sein können. Ich hatte zudem Kindern in meinen Pflegefamilien nie eine mega enge Beziehung. Ich wusste aber auch nie wie lange ich dort bleibe, und wollte mir den Schmerz dann gar nicht erst antuen. Nur mit Clara war es irgendwie anders. Es war eine neue Stadt, eine neue Schule, eine neue Familie. Meine Mitschüler kannten sich alle schonend hatten garnicht das Interesse mich kennenzulernen. Clara war die einzige die sich für mich interessiert hat, mich aufgemuntert hat und der ich mich anvertraut habe.
Leander scheint kein besonders enges Verhältnis zu seinem Bruder zu haben. Wie auch? Er wohnt hier im Internat, sein Bruder in einem anderen Zimmer, zeitweise in einem ganz anderen Gebäude, und teilweise auch zu Hause. Sie haben nicht viele Orte wo sie aufeinander treffen. Ihre Vertrauensperson sind ihre Freunde, und ein allzu großes Familienleben scheint es bei den Buchners auch nicht zu geben.
„Kommst du mit?" fragt er mich erneut, aber ohne mir dieses Mal seine Hand zu reichen.
„Zu deiner Mutter?"
„Ja!" sagt er und verschwindet aus der Wohnung. Ich verabschiede mich schnell von Bene und Julius und folge dann Leander. Wir verlassen das Wohngebäude und laufen in die kleine Wohnsiedlung am Schulgebäude. Leander schließt die Tür seines Elternhauses auf und wir betreten den Flur. Es fühlt sich komisch an. Es ist das Haus der Direktorin, welche nicht da,ist rechnet, dass ich hier bin. Vielleicht sitzt sie gleich mit Bademantel und Gesichtsmaske auf dem Sofa, genießt die Ruhe und die kurze Zeit, in der sie sich nicht mit ihren Schülern befassen muss.
Leises Murmeln kommt uns aus der Küche entgegen, als wir das Haus durchqueren.
„Och nein..." stöhnt Leander leise. Bevor ich ihn fragen kann, was er hat betreten wir schon die Küche und schauen in die Augen von Direktorin Buchner und dem Großmeister.
„Hi Mum, Hi Dad!"
„Hallo Gr..." sie bricht ab als sie mich entdeckt. Der kurze unauffällige Blick zu ihrem Mann entgeht mir nicht, bevor sie erneut ansetzt.
„Hallo ihr beiden!"
„Hallo." sage nun auch ich höflich. Ich muss mich zusammenreißen nicht auch noch einen Knicks oder so was zu machen. Wie verhält man sich dem Großmeister gegenüber? Ich habe es nie gelernt.
„Leander wo ist dein Handy schon wieder?" seine Mutter schaut ihn vorwurfsvoll an.
„Der Akku war leer."antwortet er schulterzuckend.
„Und wo warst du? In deinem Zimmer ja scheinbar nicht, denn Julius konnte dich dort ja nicht antreffen." mischt sich nun auch sein Vater ein.
„Bei Felicia. Wir haben gelernt." Gott kann der Junge gut lügen. Ohne eine Miene zu verziehen, erzählt er seinen Eltern irgendwelche Lügen. So gut, dass ich sie glauben würde, wäre ich nicht dabei gewesen, was er gerade eben getan hat.
„Ich wollte eigentlich auch nur fragen..."
„Nein!" unterbricht sein Vater ihn sofort.
„Ihr beide könnt doch mit uns essen. Gemüsepfanne mit Reis?"
Wir wussten beide das es keine höfliche Frage ist, sonder das sein vater darauf besteht.
„Was habt ihr denn heute gelernt?" fragt der Großmeister, als wir alle mit gefüllten Tellern am Tisch sitzen.
„Wir gehen die letzten Tage die wichtigsten Lebensabschnitte der mächtigsten Familien durch." erzähle ich, was nicht mal eine Lüge ist. Wir haben uns einige Familienbücher durchgelesen, vorallem die der Costellos und Decanters.
„Spannend. Ich hoffe die Familie. Ich er ist die besonders positiv aufgefallen." ein selbstbewusstes Grinsen taucht auf seinem Gesicht auf, ähnlich wie Leander.
„Ich glaube eine Familie die seit Jahren oder eher Jahrhunderten den Platz des Großmeisters besetzt, kann nur positiv auffallen." antworte ich und er grinst noch mehr.
„Wie läuft es denn ansonsten? Du nimmst mittlerweile am normalen Elementunterricht Teil richtig? Läuft es gut?"
„Ja das stimmt. Und ich denke es läuft gut. Meine Lehrer sagen, ich lerne schnell dazu und sie haben viel Hoffnung in mich, das ich es weit bringen könnte." beantworte ich seine Fragen.
„Ja das habe ich auch schon gehört." stellt er fest und ich wundere mich kurz. Woher hat er das denn gehört?
„Felicia du musst wissen, das ich im Regen Austausch mit deinen Lehrern bin. Eine Schülerin wie dich gibt es nicht oft. Falls es mal zu einem Zwischenfall kommen sollte, indem du beispielsweise plötzlich ein anderes Element als dein jetziges nutzt, muss ich davon natürlich Bescheid wissen. Nachdem meine Frau und mein Sohn sich so für dich eingesetzt haben, habe ich die Verantwortung für dich übernommen. Die anderen Großmeister haben. Ihr in diesem Fall vertraut und sollte es schief gehen, bin ich daran schuld. Natürlich hoffen wir alle, dass es gut geht, keine Zwischenfälle auftauchenden du hier in Ruhe deinen Abschluss machen kannst. Deine Eltern hatten beide ein ziemlich starkes Element und wir wissen noch nicht wie stark du bist. Der Ausbruch wegen dem Giordano Jungen hat uns aber schon einen Einblick erschaffen. Ich bin also ganz froh, dass unser Sohn seinen Job gut macht und..."
„Dad!" unterbricht Leander ihn, doch er ignoriert seinen Sohn.
„Und er gut auf dich aufpasst und vor Auseinandersetzungen schützt!"
Wow... was sagt ,an nach so einer Ansage. Ich bin nur ein Fall für ihn. Er hat sich nur wegen seiner Frau und seinem Sohn für mich eingesetzt. Keiner der Großmeister scheint an mich zu glauben oder mir irgendwie helfen zu wollen. Großmeister Buchner hofft einfach das sein Sohn seinen Job macht und mich unter Kontrolle behält. Ich nicke einfach nur stumm.
Eine unangenehme Stille breitet sich aus. Ich starre auf meinen halb vollen Teller, der Großmeister ist seelenruhig weiter, Leander starrt ihn fassungslos an und die Direktorin scheint nach einem guten Thema für ein neues Gespräch zu suchen.
„Was wolltest du mich denn jetzt wichtiges fragen Leander?"
Leander löst seinen Blick von seinem Vater und schaut nun seine Mutter an.
„Die Tochter von Felicias Pflegeeltern hat morgen Geburtstag und Felicia wurde eingeladen. Ich weiß das die Fahrt mit der Bahn viel zu gefährlich ist, weshalb ich mit ihr reisen würde. Wir könnten mit dem Kreuz springen und ich würde aufpassen, das ihr nichts passiert."
Stille. Die Direktorin scheint lange darüber nachzudenken, ob sie es zulassen könnte mich in die freie Welt zu lassen. Ein paar Falten auf der Stirn, ein paar Blicke zu ihrem Mann und ein tiefes durchatmen.
„Keine großen Menschenmengen, kein Risiko und bei irgendeinem Problem, oder Gefühl, oder Kontrollverlust, kommt ihr sofort zurück."
„Klar!" willigt Leander ein.
„Dankeschön." sage ich hastig und versuche meine Begeisterung einwenig zurückhalten und nicht vor Freude um den Tisch zu springen. Ich werde nach mittlerweile über einem Monat endlich Clara wieder sehen.

Wächter der ElementeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt