16

214 11 3
                                    

Felicia:
Die ganze Nacht habe ich mich in meinem Bett herum gedreht, immer mit den Gedanken bei Leander und diesem unglaublichen Kuss. Diese Gefühle die ich dort hatte, konnte noch niemand vor ihm auslösen. Der bisherige Morgen war genauso wie die Nacht. Unruhig, in Gedanken versunken und zerstreut. Draußen ist es bewölkt, dunkel und hin und wieder kommen ein paar Regentropfen vom Himmel.Im Badezimmer bin ich gedankenverloren ausgerutscht und habe mir meinen Ellenbogen angestoßen. Jetzt sitze ich unmotiviert in dem halb vollen Speisesaal und rühre in meinem Müsli rum. Immer wieder schaue ich unauffällig zu Leander. Er sitzt zusammen mit Fynn und Elana. Seine Haare hängen ihm ins Gesicht, während er auf seinen Teller schaut, sodass ich seine Augen zeitweise nicht sehen kann. Ich sehe nur seine wunderschönen Lippen, welche wieder den gestrigen Abend in meine Gedanken rufen. Wie sie weich und vorsichtig auf meinen lagen. Als er einmal hoch schaut und meinen Blick erwidert, breitet sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. Eine angenehme Gänsehaut bildet sich auf meinen Armen und ich muss auf Lächeln.
„Wieso lächelst du so?" Alica beobachtet mich amüsiert.
„Hm?" frage ich und unterbreche den Blickkontakt zu Leander.
„Wie war es gestern?"fragt sie, statt ihre vorherige Frage zu wiederholen.
„Es war gut." antworte ich knapp.
„Naw." stöhnt Nea enttäuscht neben mir.
„Wir wollen Details!"
„Sie waren alle sehr nett. Das Essen hat gut geschmeckt und... es war ein schöner Abend."
„War der Großmeister auch da?" mit ihren großen blauen Augen starrt Nea mich interessiert an.
„Ja, ich denke bei einem Familienessen ist es normal das der Vater dabei ist oder nicht?" antworte ich.
„Ist das Haus schön? Direktorin Buchner hat bestimmt einen tollen Einrichtungsgeschmack." fragt Alica.
„Es ist hübsch. Gemütlich, modern mit ein paar wunderschönen alten Gegenständen." erkläre ich.
„Es war aber auch echt ein bisschen komisch dort zu sein. In deren zuhause, bei deren Familienessen..."
„Das kann ich mir vorstellen." stimmt Alica mir zu.
„Wie war euer Tag gestern?" frage ich die beiden und sie fangen an zu erzählen.

„Hey." begrüßt Leander mich und nimmt neben mir Platz. Ich habe mich nach dem Frühstück auf eine der Bänke draußen gesetzt, um meine Gedanken zu sortieren. Die letzten Wochen ist soviel passiert, sodass ich dass alles erstmal zusammen setzten muss und mir Gedanken darüber machen muss.
„Hey." sage ich ihm und packe mein kleines Notizbuch zur Seite.
„Was machst du?" fragt er  und schaut interessiert auf das kleine schwarze Buch.
„Nachdenken." antworte ich und beobachte wie die Regenwolken hinter den Bergen verschwinden.
„Worüber?"
„Alles mögliche. Meine Eltern, die Schule... uns." meine Augen wandern zu ihm und ich kann beobachten das er etwas sagen möchte, scheinbar aber nicht weiß wie er es sagen soll.
„Uns..." sagt er abwesend und ein kleines Lächeln huscht über seine Lippen.
„Und was denkst du über uns?"
„Was das gestern bedeutet hat, wie es weiter gehen soll, ob es richtig ist. Es gibt viele Sachen an die ich gedacht habe." antworte ich.
„Hat es dir denn was bedeutet?" unsicher schaut er zu mir rüber. Diese grauen Dunkeln Augen, die trotzdem so warm und weich sind, bringen mich immer wieder zum Schmelzen.
„Denn mir hat etwas bedeutet." bricht es aus ihm heraus.
„Ich bereue es auch nicht, und ich weiß auch das es gegen die Regeln ist, das es uns echten Schwierigkeiten bringen kann, wenn es jemand mitbekommt, aber um ehrlich zu sein, riskiere ich es gern. Ich kann diesen Kuss nicht vergessen, ich will ihn auch nicht vergessen und..."
„Leander!" stoppe ich ihn.
„Ich will ihn doch auch nicht vergessen." vorsichtig berühre ich mit meinen Fingerspitzen seine Hand. Die Wärme, die dabei in meinem ganzen Körper entsteht ist unkontrolliert. Sie erwärmt meinen ganzen Körper, sodass er förmlich glüht. Auch für Leander scheint diese Berührung schon zu reichen, um die Kontrolle zu verlieren. Ein leichter Wind zieht durch die Landschaft und lässt die grünen Blätter an den Bäumen rascheln. Ich ziehe meine Hand schnell zurück. Leander scheint das nicht zu gefallen, denn er greift entschlossen nach meiner Hand und umschließt sie.
„Wir müssen lernen damit umzugehen, wenn wir uns unter den anderen ausversehen berühren und plötzlich ein Sturm durch die Gegend weht, finden wir keine gute Erklärung dafür." Er hat recht. So einen Ausbruch zu erklären könnte schwierig werden. Unter Freunden löst eine Berührung keinen Kontrollverlust aus. In einigen Fällen können mal winzige Ausbrüche des Elements vorkommen, jedoch immer sehr schwach, sodass man sich dabei nichts denken wird. Bei uns werden sich aber viele Fragen auftuen, da es offensichtlich ist, das das mehr als nur Freundschaft ist.
„Du hast gestern gehört was meinen Eltern passiert ist, sie wurden verstoßen, von den Wächtern, ihren Freunden und ihren Familien. Wenn das hier irgendjemand mit bekommt, kann das auch dir passieren. Du kannst deine Familie, deine Freunde und dein Zuhause verlieren. Willst du das alles riskieren? Wir wissen doch noch nicht einmal ob wir unsere Elemente irgendwann kontrollieren können."
Er ist still. Er schaut an mir vorbei, kaut nachdenklich auf seiner Unterlippe herum, während sein Daumen kleine Kreise auf meiner Hand malt.
„Da bist du, man! Ich such dich schon seit einer halben Stunde." Benes gestallt taucht hinter uns auf und Leander lässt schnell meine Hand los, und rückt ein Stück von mir ab.
„Du bist wieder da." Leander grinst und sie begrüßen sich mit einem Handschlag.
„Kester wartet drinnen auf uns. Kommst du?" Bene dreht sich schon wieder zum gehen um. Leander schaut erst ihn, dann mich und wieder ihn an.
„Felicia willst du auch mit?" fragt Bene stockend.
„Geht ihr beiden ruhig, ich wollte sowieso noch ein bisschen was aufschreiben." ich Wedel mit dem Notizbuch in meiner Hand rum. Leander schenkt mir ein entschuldigendes Lächeln und verschwindet dann mit Bene.
Ich bin nicht viel schlauer als vorher. Er hat mir keine Antwort gegeben. Ich weiß immer noch nicht wie ich mich ihm gegenüber verhakten soll. Was das zwischen uns ist und was es werden kann.

Nachdem ich mir nicht weiter den Kopf zerbrechen wollte, habe ich mich auf mein Zimmer zurückgezogen, mein iPad angeschaltet und lese mir die Kurse durch die ich über die Ferien belegen kann. Neben dem Elementunterricht habe ich jetzt schon Volleyball und Wander auf meiner Liste stehen. Eigentlich bin ich nicht der größte Fan von wandern, aber in dieser Kulisse konnte ich mich doch dazu aufraffen, und freue mich schon ein bisschen, die nächsten Wochen die Natur hier zu erkunden.
Während ich mir weiter die verschiedenen Kursangebote durchlese, klopft es leise an der Tür. Ich stehe von meinem Bett auf und laufe an die Tür. Als ich sie öffne schaue ich in Leanders Dunkle Augen.
„Darf ich rein?" fragt er und ich trete zur Seite um ihn durch zulassen.
„Ich will es riskieren!" selbstsicher und entschlossen schaut er mich an. Okay... da habe ich meine Antwort. Er will alles dafür riskieren. Er könnte alles verlieren und geht dieses Risiko für mich ein. Ich weiß nicht ob ich es mutig oder dumm finde. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass ich ihn jetzt nicht mehr davon abbringen kann. Und ich... habe sowieso nichts was ich verlieren kann.
Ich überwinde die letzten Zentimeter zu ihm, lege meine Hände an sein Gesicht und küsse ihn. Sofort spüre ich seine Hände an meiner Hüfte und die Hitze die durch meinen Körper schießt. Ich spüre seine weichen Lippen, wie sie sich auf meinen bewegen, und ich spüre wie wohl ich mich mit ihm fühle.
Als wir uns irgendwann von einander lösen konnten, haben wir erstmal einwenig Abstand zwischen uns gebracht. Leander hat sich auf meinen Schreibtischstuhl  gesetzt und ich habe versucht auf meinem Bett meine Körpertemperatur wieder herunter zu fahren. Ich habe mir nach einer Weile wieder mein iPad geholt und lese mir weiter die Kurse durch. Irgendwann schaut Leander von seinem Handy hoch und wird neugierig.
„Was machst du da?"
„Ich gucke welche Kurse ich in den Ferien Belege." erzähle ich ihm und er grinst.
„Du solltest Kochen belegen."
„Warum?" frage ich verwirrt.
„Ehm... weil ich auch da bin und ich gerne mit dir Zeit verbringen würde." er lächelt mich an.
„Dann solltest du aber wandern belegen, denn da bin ich dabei." sage ich und muss mir bei seinem angeekelten Gesicht das Lachen verkneifen.
„Wandern? Dein Ernst?"
„Ja! Ich will die Natur hier sehen." sage ich überzeugt.
„Okay ich gehe mit dir wandern."stimmt er zu und ich fange glücklich an zu lächeln.
„Aber allein." sagt er.
„Nur du und ich, ohne irgendeinen Kurs in dem ich Stundenlang mit Abstand neben dir laufen müsste."
Und damit streiche ich Wandern von meiner Liste und füge dafür den Kurs Kochen hinzu.
„Felicia!" ertönt Eliras Stimme hinter der Tür, gemeinsam mit einem Klopfen.
„Ehm... Ja?" antworte ich unschlüssig und schaue kurz zu Leander. Der sitzt völlig entspannt auf dem Stuhl und tippt auf seinem Handy. Die Tür geht auf und Elira, Alica und Luise stürmen in mein Zimmer. Kurz darauf bleiben sie alle gleichzeitig stehen, schauen erst Leander, dann mich und wieder Leander an.
„Hallöchen." begrüßt Leander die drei mit einem völlig entspannten Blick. Die drei wirken sichtlich verwirrt, versuchen es aber zu überspielen und begrüßen ihn ebenfalls.
„Wir wollten eigentlich nur die Kurse mit dir besprechen, ob wir irgendwelche davon zusammen machen wollen." erklärt Luise und schaut fragend zu Leander. Der deutet mit einer Handbewegung auf mein Bett und sagt:
„Alles gut, macht ruhig."
Die drei setzen sich auf neben mich und gemeinsam lesen wir uns erneut die Liste der Kurse durch.
Wir haben uns am Ende dazu entschieden alle zusammen Volleyball zu wählen, zudem gehe ich mit Luise Töpfern und Elira und ich belegen den Yogakurs. Während all der Zeit, saß Leander ruhig da, hat auf seinem Handy getippt und immer wieder zu mir geschaut. Seine Anwesenheit hat mich ein bisschen nervös gemacht, sodass ich den Blickkontakt oft nicht standhalten konnte. Trotzdem war es schön ihn hier gehabt zuhaben und auch das die Mädels keine weiteren Fragen gestellt haben und ihn sogar manchmal mit in die Gespräche eingebunden haben.

Wächter der ElementeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt