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Leander:
„Was denkst du, wann können wir das nächste mal raus, um sie zu besuchen?" Felicia sitzt neben mir auf der Couch und tippt eine Nachricht an ihre Eltern. Nach dem Frühstück, haben wir uns im Wohnbereich auf eine der Couches gesetzt. Ich habe gleich noch ein Gespräch mit meiner Mutter über den Einsatz gestern, weshalb es sichtlichst gelohnt hätte wieder hoch zu gehen.
„Ich weiß nicht. Ich hoffe aber bald." antworte ich.
„Solange meine Mutter uns glaubt, dass wir trainieren, sollte es eigentlich weiter hin klappen. Schwierig wird es nur, wenn sie andere mitschicken möchte, oder jemand anders dich trainieren soll."
„Das hoffe ich nicht! Schließlich wird mich der Kampfmeister doch am besten trainieren können." witzelt sie.
„Leander! Das trifft sich gut." ertönt die Stimme meiner Mutter im Raum. Automatisch bringe ich einwenig Abstand zwischen Felicia und mich, obwohl es nicht nötig gewesen werde. Solange wir unter unseren Mitschülern sind, halten wir einen angemessenen Abstand. Ich sehe mich im Raum um und entdecke meine Mutter, gefolgt von zwei anderen Personen. Die drei steuern gezielt auf uns zu.
„Leander das sind Manuela und Marzio Giordano, die Eltern von Matteo und Mario. Das ist mein Sohn Leander und die Feuerwächterin Felicia Scheiter." stellt meine Mutter uns gegenseitig vor. Felicia und stehen beide auf und reichen den Giordanos unsere Hände.
Marzio Giordanos Blick bleibt unangenehm lange an Felicia hängen. Auch als ich mich räusperte, starrt er sie weiter hin an, bis er irgendwann nuschelt:
„Ach du..."
„Marzio?" spricht ihn seine Frau leise an.
„Scheiter sagten sie?" fragt Marzio nach.
„Ja!" sage ich deutlich und wende mich an meine Mutter.
„Sollen wir in dein Büro gehen?"
„Ja. Ich denke das wäre ein guter und ruhiger Ort." ihr Blick huscht nochmal zu Marzio, welcher Felicia immer noch mustert, bevor sie sich in Bewegung setzt. Marzio wird von seiner Frau am Arm gepackt und hinter meiner Mutter her gezogen.
„Was war das?" fragt Felicia verunsichert.
„Ich habe keine Ahnung. Ich schreibe dir, wenn wir durch sind."

„Setzten sie sich." meine Mutter deutet auf die zwei Stühle vor ihrem Schreibtisch. Sie setzt sich auf ihren Stuhl und ich auf den, welcher heute notdürftig neben ihrem steht.
„Leander die beiden wollten mehr über den Einsatz gestern erfahren."
„Um genauer zu sein, wie konnte es passieren, das unser Junge so verletzt wurde, und erst nach einiger Zeit medizinische Versorgung bekommen konnte?" sagt Manuela Giordano.
„Ich denke, dass man damit rechnen muss, dass man auf einem Einsatz verletzt werden kann. Ich weiß nicht genau in welcher Situation er sich die Verletzungen zugezogen hat..." fange ich an zu erklären und Manuela unterbricht mich.
„Da fängt es ja schon an. Wie können sie das denn bitte nicht wissen? Haben sie ihr Team nicht im Blick?"
„Wir waren wie bei jedem Einsatz nicht in einer großen Gruppe zusammen, weshalb ich nicht jeden dauerhaft sehe."
„Warum nicht?"
„Weil es nicht funktionieren würde, wenn wir mit 30 Wächtern in einer Gruppe kämpfen. Man verliert den Überblick, es wird Chaotisch und funktioniert nicht. Seit Jahren wird in kleineren Gruppen gearbeitet, und ich kann eben nicht in allen Gruppen gleichzeitig sein. Zudem sind ihre Söhne welche der besten, und können auf sich selbst genauso gut aufpassen, wie ich auf sie." erkläre ich. Ich weiß das nur Marzio Giordano auf unsere Schule ging. Manuela ist auf eine kleine Schule irgendwo in Italien gegangen und hat dort wohl auch nicht viele Einsätze mitgemacht, weshalb sie wahrscheinlich nicht viel darüber weiß.
„Und wieso hat er erst so spät Hilfe bekommen?"
„Ich war selber auch im Einsatz. Ich habe es nicht mitbekommen, dass er verletzt wurde, und ich wurde auch nicht darüber informiert. Die Sanitäter vor Ort hatten viele Patienten, weshalb die mit den weniger schlimmen Verletzungen eben warten mussten. Marios Arm sah zwar schlimm aus, hatte im Endeffekt aber keine bedrohlichen Wunden."
„Aber wie..."
„Manuela es reicht! Dem Jungen geht es doch gut." unterbricht Marzio seine Frau.
„Ich habe ein viel wichtigeres Thema zu besprechen."
Meine Mutter und ich Runzeln nur die Stirn.
„Felicia Scheiter. Wissen sie wer sie ist?"
Ach du scheiße...
„Was meinen sie?" fragt meine Mutter unwissend nach.
„Wissen sie wer ihre Eltern sind?" fragt Marzio.
„Felicia ist aus einer deutschen Familie zu uns gekommen." erklärt meine Mutter ruhig.
„Ich erkenne das Gesicht. Das Mädchen ist eine Costello. Und nicht irgendeine. Hohe Wangenknochen, volle Lippen, hell braune Augen und feuerrotes Haar... Sie ist das Ebenbild von Elodie Costello. Und wenn man das weiß erkennt man auch ihren vater in dem Mädchen. David Decanter. Als Verwandtschaft der Decanters erkenne ich das. Wussten sie davon?"
„Ja das weiß ich."antwortet meine Mutter.
„Wie können sie das zulassen? Das Mädchen dürfte nicht existieren. Halb Feuer halb Wasser! Sie hätten uns informieren müssen! Wissen die Schüler davon?" brüllt Marzio los.
„Soweit wir wissen, hat das Mädchen nur das Element Feuer. Sie kann ihr Element so wie alle anderen kontrollieren und stellt derzeit keine Gefahr dar. Zu ihrem Schutz wissen nur die Großmeister und ich davon. Das Mädchen ist hier besser aufgehoben, als allein, ohne Training und Hilfe draußen zwischen den normalen Menschen."
„Pff!" stößt Marzio aus.
„Wo sind ihre Eltern?" fragt nun Manuela alarmiert.
„Soweit wir wissen sind sie tot. Bei einem Brand ums Leben gekommen." erklärt meine Mutter sachlich.
„Das Mädchen ist wie alle anderen unserer Schüler, nur das ihre Eltern einen Fehler begangen haben. Jedoch kann sie nichts dafür, und hat hier die Möglichkeit zu lernen. Sie ist bereits seit mehreren Wochen hier, und ist eine ausgezeichnete Schülerin, welche ihre Element sehr gut kontrollieren kann. Ich bitte sie also, lassen sie das Mädchen in Ruhe. Wenn sie sich besser damit fühlen, kann Mario im nächsten Schuljahr in eine andere Klasse wechseln, um keinen Unterricht mit ihr gemeinsam zu haben, aber..."
„Pff..." stoße ich aus.
„Was hast du?" motzt Marzio mich an.
„Es ist albern. Felicia tut niemanden was, ist weder gefährlich noch unkontrolliert oder sonst irgendwas."
„Also hast du kein Problem damit, dass das Mädchen Eltern hat, welche ausgeschlossen worden sind? Welche jeder Zeit irgendeinen Rache Plan mit ihrem Kind planen könnten, oder sie selber die Regeln nicht befolgt?" fragt Manuela mich.
„Nein..." lache ich heiser.
„Ihre Eltern haben einen Fehler gemacht, für den sie aber nicht zahlen sollte. Ihre Eltern werden hier auch nicht plötzlich auftauchen und unsere Schule zerstören. Felicia ebenfalls nicht, sie hat hier ein Zuhause gefunden, welches sie niemals aufgeben würde. Also nein, ich habe gar kein Problem dass sie hier ist. Und wenn ich ehrlich sein darf... ich denke, dass jeder Mensch, der anders denkt, ein dummer Idiot ist!"
„Leander!" ermahnt meine Mutter mich.
„Lassen sie sich das alles durch den Kopf gehen, aber ich bitte sie, lassen sie das Mädchen in Ruhe hier weiter lernen. Wenn sie weitere Fragen haben, stehen meine Türen ihnen immer offen."
„Aha." sagt Marzio spöttisch und steht auf.
„Auf Wiedersehen!" er geht. Ohne ein weiteres Wort, verlässt er den Raum.
„Fuck!" fluche ich laut, als die Tür hinter den beiden zuknallt.
„Leander!"
„Was?" zische ich und zücke mein Handy.
„Beruhige dich. Wer sagt denn, dass die beiden es nicht für sich behalten?"
„Dein Ernst? Das sind Arschlöcher. Genauso wie ihre Söhne, machen sie alles, um einen Skandal zu verursachen."
„Leander wirklich, komm mal wieder runter." sagt meine Mutter mit ruhiger Stimme. In der Spiegelung auf meinem Bildschirm verstehe ich auch wieso sie das immer wieder sagt. Meine Augen strahlen hell blau.
„Ich erreiche sie nicht." fluche ich, nachdem der Anruf schon zwei mal nicht zu ihr durch gekommen ist. Wir haben 13 Uhr, wahrscheinlich sitzt sie mit den anderen schon im Speisesaal beim Essen.
„Leander es ist gut. Falls es raus kommt, kannst du eh nichts machen." meine Mutter hält mich am Arm fest, als ich mich gerade zur Tür drehe.
„Ich kann's vielleicht nicht verhindern, aber ich kann bei ihr sein. Ich kann sie vor den Blicken der anderen beschützen, die Leute von ihr fern halten , die irgendwas dummes sagen und das alles wenigstens ein bisschen leichter für sie machen." ich schaue in ihre dunklen Augen. Zuerst sind sie voller Ernst und strenge, bis irgendwas in ihnen umschaltet. Eine Art Verständnis kommt auf. Sie nickt langsam und lockert den Griff um mein Handgelenk.
„Danke..." flüstere ich und laufe los. Als ich aus dem Schulgebäude laufe, entdecke ich die Giordanos mit ihren Telefonen in der Hand. Wahrscheinlich schreiben sie schon ihren Söhnen, damit sie es der ganzen Schule mitteilen können. Ich renne los, nutze mein Element, um noch schneller zum Speisesaal zu gelangen. Ich platze in den Raum und scanne die Tische ab, auf der Suche nach Felicias Gesicht. Ich entdecke es. Sie sitzt wie so oft mit ihren Freunden zusammen, lacht und sieht glücklich aus. Es tut mir jetzt schon so weh, diese Freude gleich verschwinden zu sehen. Ich drängele mich durch die Reihen um zu ihr zu gelangen.
„Felicia." sage ich als ich bei ihr ankomme. Viele verwirrte Gesichter blicken mich an.
„Hey." sagt sie freundlich.
„Feli wir müssen..." sage ich, doch da ist es zu spät. Im ganzen Saal ertönen die Klingeltöne meiner Mitschüler. Eine Nachricht an alle... natürlich. Die einfachste Art alle sofort darüber zu benachrichtigen. Das Getuschel beginnt, und die ersten Knöpfe und Finger richten sich auf Felicia.
„Stimmt das?" fragt Elira erschrocken.
„Oh mein Gott!" stößt Luise neben uns aus.
„Was denn?" fragt Felicia und zuckt ihr Handy. Sie ließt die Nachricht durch.
Matteo Giordano: Felicia Scheiter oder besser Felicia Decanter/ Costello. Tochter der Feuerwächterin Elodie Costello und des Wasserwächters David Decanter.
Sie wird Kreide bleich. Fast jeder in diesem Raum starrt sie an.
„Wirklich jetzt?" fragt nun auch Alica.
„Felicia komm." sage ich leise, doch sie ist wie erstarrt. Ohne irgendwie einen Blick oder Satz ausgetauscht zu haben, tauchen Kester und Bene neben mir auf. Gemeinsam schirmen wir Felicia einwenig von den Mitschülern ab, und bringen sie aus dem Speisesaal hinaus. Wir bringen sie in mein Zimmer, wo sie sich sofort im Bett zusammen rollt.
„Danke." rauen ich zu meinen besten Freunden und sie lächeln mich vorsichtig an.
„Wir sind hier okay, falls ihr irgendwas braucht."
Sie schließen hinter sich die Tür und ich wende mich Felicia zu. Sie ist immer noch blass, zittert einwenig. Ihr Handy klingelt ununterbrochen. Ich nehme es ihr aus der Hand und schalte es aus, sodass sie keine Nachrichten mehr erreichen können.
Ich weiß nicht wie ich ihr gerade helfen kann. Sie scheint gerade eine leichte Panikattacke zu haben, was verständlich ist. Ihr ganzes Leben wurde gerade erneut auf den Kopf gestellt. Es ist damit zurechnen, dass sich viele von ihr erstmal abwenden werden. Nicht alle werden es verstehen können.
Ich lege mich zu ihr und schließe meine Arme um ihren kalten Körper. Eine Weile lang liegen wir einfach so da, bis sie irgendwann ihre Arme um mich legt und sich an mich klammert. Ich halte sie fest, gebe ihr den Halt den sie braucht. Lange verbleiben wir so. Bis sich ihre Atmung irgendwann wieder beruhigt und ihre Umarmung sich wieder lockert.
Mein Handy klingend, und der Name meiner Mutter erscheint auf dem Bildschirm. Ich nehme den Anruf an und Presse das Handy an mein Ohr.
„Leander? Wo ist sie?" fragt meine Mutter sofort. Sie klingt gestresst, gehetzt und vor allem besorgt.
„Bei mir." antworte ich leise, um Felicia nicht aufzuschrecken.
„Mein Telefon klingelt ununterbrochen. Sämtliche Eltern haben es bereits mitbekommen, und machen sich Sorgen. Sie soll bitte erstmal nicht unbedingt draußen rum rennen Okay? Ich möchte das sich erstmal alles beruhigt."
„Na klar." sage ich und sie verabschiedet sich wieder.

Vorsichtiges Klopfen zieht meine Aufmerksamkeit zur Tür. Wow hat Bene gelernt zu klopfen?
„Ja?" sage ich und die Tür geht vorsichtig auf. Hindurch schlüpft...
„Elira?" stoße ich verwirrt aus. Sie antwortet nicht. Sie starrt nur auf Felicia, die sich immer noch an mich klammert.
„Felicia!" sage ich alarmiert und schiebe sie ein Stück von mir.
„Ehm...ich hatte nur... ich habe sie nur gesucht... und du warst..." stottert sie unsicher.
Felicia scheint jetzt erst wieder richtig ihre Umgebung wahrzunehmen, denn sie setzt sich plötzlich auf, wischt mit ihren Finger unter ihren Augen entlang und schaut dann Elira an, welche immer noch wie angewurzelt im Türrahmen steht.

Wächter der ElementeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt