Felicia:
Die letzten zwei Wochen vergingen wie im Flug. Ich habe täglich mit Frau Frosner geübt und kann nun schon eine Flamme an meinem Finger entfachen und diese auch wieder verringern und auflösen. Ich gewöhne mich immer mehr an das Leben hier, die Abläufe, Regeln und meine Mitschüler. Vor allem Alica, Luise, Elira, Flora und Nea sind zu meinen engsten Bezugspersonen geworden. Wir essen gemeinsam, verbringen Freistunden zusammen und schauen abends gemeinsam Filme.
Jetzt sitze ich mit 15 anderen Schülern in einer großen Sitzecke im Wohnbereich. Neben Flora, Alica und Luise kenne ich noch ein paar weitere der Gesichter. Links neben Leander sitzt ein blonder Junge, welcher Kester heißen müsste. Neben ihm sitzt Bene, er hat braune Locken und die weißesten Zähne die ich kenne. Die beiden waren zusammen mit Elana und Leander auf dem Jahrmarkt, auf dem ich gemeinsam mit Clara war.
Auf einem der Sofas rechts neben mir sitzt Mario, und in seinem Arm liegt seine Freundin Fine. Daneben sitzen zwei andere Feuerwächter. Ein großes dünnes Mädchen mit feurig roten langen Haaren, namens Faye und neben ihr ihr dunkelhaariger Freund Miko. Auf dem Sofa links von mir sitzen ebenfalls zwei Wächter des Feuers, Oliver und Gordon. Und die letzten der Runde sind drei Mädchen. Das Mädchen rechts neben Leander hat sich als Leilani vorgestellt und das blonde Mädchen neben ihr als Leila. Beide sind Wächter der Luft. Neben den beiden sitzt die dunkelhaarige Leana, Wächterin des Wassers.
Die Gespräche sind chaotisch, laut und durcheinander. Die anderen erzählen von Einsätzen, Geschichten von ihren Familien, aus ihrer Schulzeit und dem Leben hier. Es ist eine ausgelassene Stimmung. Ich merke, dass die anderen sich zum Teil schon sehr lange kennen, und zusammen leben, sie reden offen über alles mögliche, können übereinander und miteinander lachen, aber auch anderen zuhören. Sie haben mich die letzten zwei Wochen freundlich aufgenommen und auch heute binden sie mich immer wieder in das Gespräch mit ein.
„Wo kommst du her Felicia?" Gordon lehnt sich vor und stützt seine Arme auf den Knien ab.
„Aus einem kleiner kleinen Stadt in der Nähe von Bremen." antworte ich.
„Hast du Geschwister, Haustiere,..." fragt er und wird von Oliver unterbrochen, der scherzhaft weiter aufzählt:
„Lieblingsfarbe, Ex Freunde und Musikinstrument?"
Gordons Ellenbogen landet in Olivers Rippen und er stöhnt schmerzhaft auf.
„Nein, ich habe keine direkten Geschwister. Ich bin in Pflegefamilien aufgewachsen, in meiner letzten gab es zwei kleine Jungen, ein kleines Mädchen und ein Mädchen in meinem Alter." erzähle ich der Runde. Die meisten hören gespannt zu und scheinen interessiert daran, wie ich aufgewachsen bin.
„War es schön dort?" fragt nun Fine.
„Nein, nicht wirklich." antworte ich knapp.
„Wieso nicht?" fragt nun wieder Gordon.
Leander räuspert sich laut und starrt Gordon an. Dieser zieht die Augenbrauen zusammen und starrt ihn zurück an. Leander schüttelt langsam seinen Kopf, wahrscheinlichem um mich vor weiteren Fragen zu meiner Familie zu schützen. Um diesen stillen Konflikt zwischen den beiden zu stoppen antworte ich schnell auf seine Frage.
„Es waren einfach nicht meine Eltern, und sie haben sich auch keine Mühe gegeben um meine Eltern zu werden."
„Wo sind denn deine Eltern?" hackt er weiter nach.
„Gordon!" sagt Leander deutlich.
„Was?"
„Nicht jeder will sowas erzählen." Leander schüttelt wieder seinen Kopf. Ein warmes Gefühl breitet sich in meinem Bauch aus. Es fühlt sich schön an, dass es hier Menschen gibt, welche sich um mein Wohlergehen kümmern, mich vor unangenehmen Fragen schützen und dazwischen gehen falls es mir zu viel wird.
Gordon lässt von mir ab, und die Gruppe hat ein neues Gesprächsthema. Immer wieder schweift mein Blick ungewollt zu Leander. Während Flora gerade etwas über ihre letzten Ferien erzählt, gleiten meine Augen an Leanders markantem Kiefer entlang, über das breite Kinn, die sanft geschwungenen Lippen und die Wangenknochen hinauf. Als ich bei seinen dunkelgrauen Augen ankomme, treffen sich unsere Blicke. Meine Wangen werden warm, als ich sein Grinsen bemerke. Er hat ziemlich sicher mitbekommen, wie ich ihn angestarrt habe. Ertappt wende ich meinen Blick von ihm und versuche der Unterhaltung meiner Mitschüler zu folgen. Mit meinen Gedanken, kann ich dem Gespräch jedoch nicht folgen. Ich denke viel mehr an diese tief grauen Augen. Wieder fällt mein Blick auf Leander, dieses Mal schaut er mich bereits an. Anders als ich, wendet er seinen Blick nicht ab. Die Ruhe die in seinem Blick schwebt, lässt mein Herz schneller schlagen. Um nicht völlig durchzudrehen, wende ich schnell meinen Blick ab und versuche an dem Gespräch teilzunehmen. Jedesmal, wenn meine Augen auf Leander gerichtet sind, schauen mich seine grauen Augen schon an. Irgendwann kann ich nicht mehr, und stehe auf. Mit ein paar Worten verabschiede ich mich und laufe hoch in mein Zimmer.
Den ganzen Abend sehe ich Leanders Augen vor mir, wie sie mich anschauen, ruhig und trotzdem so zerrissen. Ich kann es nicht deuten, was diese Blicke bedeuten. Leander ist ein verantwortungsvoller Wächter, der nicht gegen die Regeln verstoßen würde. Eine unaufgeschriebene Regel verbietet Element übergreifende Beziehungen, weshalb ich mich zwinge sämtliche Gedanken aus meinem Kopf zu streichen. Egal was sich mein Kopf zusammen geträumt hat, es wird niemals passieren.Mein Wecker klingeln holt mich aus dem Schlaf. Mit müden Augen ziehe ich mir Klamotten aus dem Schrank und bewege mich Richtung Badezimmer. Im Flur treffe ich Mareike die frisch geduscht und angezogen aus dem Bad kommt. Sie steht morgens schon um 5 Uhr auf, um eine halbe Stunde laufen zu gehen. Sie ist deswegen immer dann schon fertig, wenn ich ins Badezimmer möchte.
Alica und Luise schlafen meistens so lange, dass sie sich beide beeilen müssen, damit wir genug Zeit zum gemeinsamen Frühstück haben. Die letzten Jahre habe ich mich morgens beeilt, damit ich es schaffe das Essen für die Schule vorzubereiten, den Kindern beim anziehen zu helfen und mich selber auch fertig zu machen. Hier schlafe ich bis 6 Uhr, kann mich in Ruhe fertig machen, mit meinen Freunden frühstücken und pünktlich um 8 Uhr wach und vorbereitet in den Unterricht gehen.
Ich genieße das heiße Wasser auf meiner Haut, die Ruhe die hier morgens herrscht und das leise Vogelgezwitscher von draußen. Jeden Tag stehe ich morgens mit der Zahnbürste im Mund am Fenster und genieße den Ausblick auf die Berge. Ich finde es jeden Tag wieder komisch, dass das hier mein Zuhause ist, meine Schule. Frisch geduscht, ziehe ich meine Klamotten an, eine schwarze Jeans und ein weißes figurbetontes Oberteil.
Mit noch feuchten Haaren gehe ich wieder rüber in mein Zimmer und packe meinen Rucksack für den Tag. Kurz bevor ich mein Zimmer verlassen, greife ich nach der kleinen Goldplatte, welche mir Frau Frosner gegeben hatte.„Guten Morgen!" sage ich fröhlich, als ich Alica und Luise im Flur antreffe. Luises Augen sind noch halb geschlossen und sie versucht gerade ein Gähnen hinter ihrer Hand zu verstecken. Auch Alica wirkt nicht so aufgeweckt wie sonst.
„Ist es gestern noch spät geworden?" frage ich grinsend und öffne die Tür in den großen Flur.
„Ja. Du warst deutlich schlauer, früher zu gehen." sagt Alica mit müder Stimme. Einglück wissen die beiden nicht den wirklichen Grund für mein verfrühtes verschwinden, dass ich einfach nicht mehr in Leanders Nähe bleiben konnte. Die Gespräche am Frühstückstisch halten sich heute in Grenzen, weil alle noch müde und verschlafen sind.
Als wir nach dem Frühstück alle das Wohngebäude verlassen, läuft Leander mal wieder neben mir.
„Guten Morgen." raunt er.
„Wie lange bist du eigentlich noch dazu verpflichtet mich auf dem Hin-und Rückweg zur Schule zu begleiten?" ich sehe ihn nicht an, spüre aber seinen Blick auf mir.
„Ich bin zu nichts verpflichtet." sagt er trocken und scheint das als ausreichende Antwort zu sehen. Mir reicht es aber nicht. Seit zwei Wochen gehe ich hier auf die Schule, ich lerne immer mehr meine Kräfte unter Kontrolle zu halten und habe auch seit meiner ersten Unterrichtsstunde nicht mehr die Kontrolle verloren. Ich sehe einfach keinen Grund mehr für diese dauerhafte Aufsicht und Beobachtung.
„Wieso lässt du es dann nicht?"
Schweigend bleibt Leander stehen und wartet, bis seine Freunde ihn eingeholt haben. Ich höre noch wie Kester zu ihm sagt:
„Na, bist du abgeblitzt?"
Worauf hin Leander ihn genervt anschnauzt:
„Halt deinen Mund!"
Der Abstand wird zu groß und ich kann nichts mehr von ihnen hören. Ich schließe mich meinen Freunden wieder an. Im Schulgebäude trennen sich unsere Wege. Wir haben in der ersten Stunde Elementunterricht, sie trainieren heute draußen und ich wie immer in der dritten Halle. Frau Frosner wartet schon an dem großen Steintisch.
„Guten Morgen!" begrüße ich sie höflich und stelle mich an den Platz gegenüber von ihr.
„Guten Morgen Felicia!" begrüßt sie mich ebenfalls. Auf dem Tisch steht eine Runde Schüssel aus Stein.
„Wir fangen mit Flammen an deinen Fingern an. Danach probieren wir etwas Neues. Fang an bitte."
Ich bringe mich in Position, konzentriere mich und suche nach dem Feuer in mir und lenke es in meine Finger. Mein Körper fängt an zu kribbeln. Einen Moment später tanzt eine Flamme an meinem Zeigefinger. Nach und nach entfachen sich auch Flammen an meinen anderen Fingern.
„Gut! Und jetzt lass sie verschwinden." fordert Frau Frosner mich auf. Ich folge der Anweisung und die Flammen verschwinden.
„Ich möchte das du jetzt in dieser Schüssel eine Flamme entfachst." Frau Frosner macht es mir vor, hält ihre Hände seitlich der Schüssel und eine Flamme entsteht in der Schüssel. Ich tue es ihr gleich und halte ebenfalls meine Hände neben die Schüssel. Ich konzentriere mich auf mein Element und versuche es in die Schüssel zu bringen. Meine Hände kribbeln und fangen Feuer.
„Mist!" rufe ich erschrocken und schüttel aus Reflex meine Hände. Da ich weiß, das die Flammen so nicht verschwinden, versuche ich mich wieder zu konzentrieren und das Feuer wieder auf zu lösen. Je mehr ich zur Ruhe komme, desto kleiner wird das Feuer, und erlischt schließlich vollständig.
Ich bringe mich erneut in Position an der Schüssel und versuche es nochmalige dieses Mal funktioniert es. In der Schüssel blitzt eine Flamme auf.
„Gut gemacht!" lobt meine Lehrerin mich.
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Wächter der Elemente
Teen FictionFelicia musste in ihrem Leben von Pflegefamilie zu Pflegefamilie wandern. Nirgendwo hatte sie ein richtiges Zuhause und nirgendwo hat sie sich wohl gefühlt. An ihrem 18. Geburtstag sollte sich alles änder. Ein Fremder nimmt sie mit in eine andere W...