Kapitel 13

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"Wie geht es dir? Hast du das Wochenende in München genossen?", erkundigt sich Julian und schließt mich in eine Umarmung. 

"Es wäre wirklich nicht nötig gewesen, dass du wieder herkommst. Dein Trainer war sicherlich nicht sonderlich begeistert", entgegne ich lediglich und lächel ihn an, als er wieder ein Stück zurück tritt. Natürlich ist es schön ihn wieder zu sehen, aber ich habe doch ein schlechtes Gewissen deswegen. 

"Der hat vollstes Verständnis, in seiner Familie gab es mal einen schweren Krankheitsfall für den er sich viel Zeit nehmen konnte. Außerdem hattest du die letzten Jahre genügend Ruhe vor mir. Das müssen wir ändern", grinst mein älterer Bruder und legt seinen Arm um meine Schultern, mit dem er mich in Richtung Wohnbereich schiebt.

"Erzähl doch mal. Was habt ihr schönes gemacht?", fragt er und nimmt sich ein Glas aus dem Schrank, während ich schon einmal am Esszimmertisch Platz nehme. 

"Leon hat mir etwas die Stadt gezeigt. Sonntag war ich dann mit ihm beim Training und hatten danach dann noch Besuch von ein paar Spielern", beantworte ich seine Frage.

"Das hört sich gut an. Konnte er dir etwas helfen?"

"Etwas, aber bei weitem nicht so wie ich es mir erhofft hatte", gebe ich offen zu und lasse ein Seufzen frei. Julian greift sanft nach meiner Hand. Leon und auch die anderen haben mir viel erzählt und ich konnte mich immerhin an Joshua und später auch an einen verrückten Abend mit Manu erinnern, aber das wars. So wohl wie ich mich bei Leon gefühlt hatte, hatte ich mir etwas mehr erhofft. 

"Das wird alles wieder, lass den Kopf nicht hängen", versucht er mich aufzumuntern und lächelt mich schief an. Aber seinen Worten kann ich trotzdem nicht unbedingt Glauben schenken.

"Und wenn nicht? Wenn ich mich nie wieder an alles erinnern kann? Ich habe keine Ahnung wer ich bin und lebe ein Leben, welches nicht mir gehört. Ich weiß nicht wie lange ich das noch aushalte", seufze ich auf und lasse meine Finger durch mein Haar fahren. Diese Angst, dass ich mich nie wieder erinnern kann, ist seit dem Wochenende irgendwie nur noch schlimmer geworden. Ich habe so viele Fragen. 

"Josi, ich kenne dich. Du bist wahnsinnig stark und ausdauernd. Ich bin zuversichtlich, dass du dich wieder erinnern kannst", versucht mich mein Bruder aufzumuntern.

"Und wie bitte? Wenn ich mich versuche zu erinnern kommen jedes mal diese furchtbaren Kopfschmerzen und hier erzählt mir ja auch niemand die Wahrheit", fahre ich ihn leicht an und ziehe verärgert meine Augenbrauen zusammen. Ich merke es, wie sie mich anlügen und mir Sachen verschweigen. Das hilft mir nicht. Gerade nach München, wo alle ehrlich zu mir waren, fällt es besonders auf. 

Mein Bruder lässt ein Seufzen frei, schließt für eine Sekunde seine Augen und lässt den Kopf hängen.

"Wir erzählen dir alles was dir möglicherweise helfen könnte", meint er ernst und dieses Kommentar ist nicht unbedingt hilfreich um meine Nerven zu beruhigen.

"Es ist immer noch mein Leben. Ihr seid nicht in der Position zu entscheiden was mir helfen könnte und was nicht. Wahrscheinlich lasst ihr genau die Trigger aus, die es benötigen würde um mein Gedächtnis wieder zu erlangen", entgegne ich angesäuert und mehr aus Reflex landet meine freie Hand auf der Tischplatte, während sich meine andere aus der von Julian löst. 

"Wir sind deine Familie und unsere Aufgabe ist es, dich zu beschützen. Wir konnten es schon einmal nicht, ein zweites Mal wird uns dann sicherlich nicht passieren", antwortet Julian ernst und schaut mich durchdringend an. Will ich überhaupt wissen was er damit genau meint?

"Eure Aufgabe ist es mich jetzt zu unterstützen, mir zu helfen und mir mein eigenes Leben wieder nahe zu bringen. Es ist mein Leben, ihr könnt mich nicht vor irgendwas beschützen", beharre ich säuerlich und erhebe mich, vor lauter Emotionen, aus dem Stuhl.

Amnesia // Kai Havertz FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt