"Ich möchte dir gegenüber gerne ehrlich sein", beginne ich und schließe meine Finger etwas fester um das Wasserglas vor mir.
"Natürlich", erwidert Kai und schaut mich aufmerksam an. Wir sitzen schon einige Minuten zusammen in einer kleinen Ecke eines Cafés hier am Bahnhof. Es ist sehr geschützt und ich habe das Gefühl wir sind eher unter uns, was mir ganz gut gefällt.
"Ich war einige Zeit hier bei Leon in München und habe ihn oft zu den Trainingseinheiten begleitet. Kennst du seine Teamkollegen?", frage ich kurz und bestätigend nickt mein Gegenüber "Ich verstehe mich mit Benjamin recht gut. Wir haben uns Anfang der Woche getroffen und uns auch geküsst. Ich will bloß, dass du das weißt, falls du denkst wir könnten genau dort weitermachen wo wir aufgehört haben"
Unsicher schaue ich in seine Augen. Kai schluckt schwer und schaut ziemlich traurig aus, was mir sofort einen Stich im Herzen versetzt. Ich mag es nicht ihn so zu sehen, ganz und gar nicht.
"Das denke ich natürlich nicht. Schließlich hatte auch ich zwei Jahre, in denen ich theoretisch jemand neuen hätte treffen können. Ich kann nicht davon ausgehen, dass alles wie vorher wird. Besonders nicht mit den jetzigen Umständen", entgegnet Kai und räuspert sich dann kurz. Verlegen schaut er auf den Kaffee vor sich und fährt sich mit seinen Fingern durch das dunkle Haar "Denkst du ihr zwei werdet etwas?"
Seine Augen schauen wieder auf und treffen auf meine. Ich denke kurz etwas darüber nach. Schließlich habe ich mich mit diesem Gedanken noch nicht wirklich auseinander gesetzt. Die ganze Sache mit Benjamin kam so überraschend und ich wollte einfach schauen wie es sich entwickelt.
"Ich weiß es nicht. Wir wollten einfach sehen wohin es führt", beantworte ich seine Frage ehrlich. Nachdenklich nickt er und schaut wieder so traurig, dass mein Herz ganz schwer wird.
"Ich wünschte wir hätten mehr Zeit. Ich würde gerne so viel erzählen, so viel fragen. Einfach bei dir sein", spricht er offen aus und greift zaghaft nach meiner Hand "Du hast mir so sehr gefehlt"
Warm lächele ich zurück und versuche ihm das beste Gefühl zu geben, was ich in diesem Moment kann. Mein Daumen legt sich auf seinen Handrücken und fährt sanft darüber. Ich mag es mit Kai hier zu sitzen, er ist wirklich sehr lieb. Und es tut mir wahnsinnig leid, dass ich mich an nichts erinnern kann. Es scheint als würde er immer noch sehr an unserer gemeinsamen Vergangenheit hängen.
"Lass uns die Zeit heute einfach nutzen", lächele ich ihn an. Schließlich haben wir noch etwas Zeit, bevor unsere Züge gehen. Nickend stimmt Kai mir zu und wir verfallen in ein Gespräch. Wir reden über alles mögliche. Viel über mein momentanes Leben, über Kais Leben und anderes eher etwas banales Zeug. Den Brief lassen wir außen vor, was mich tatsächlich überhaupt nicht stört.
Ich mag Kai wirklich gerne und den Moment deswegen zu zerstören ist es mir nicht wert. Schließlich kann ich ihn noch wann anders danach fragen.
"Ich glaube wir müssen jetzt los", stelle ich fest, als mein Blick auf die große Bahnhofsuhr in der Ferne fällt. Kais Zug fährt vor meinem ab und ich werde ihn noch begleiten. Das bin ich ihm schuldig. Außerdem fühle ich mich wirklich wohl mit ihm.
Gemeinsam erheben wir uns, greifen unser Gepäck und gehen zu dem Gleis herüber, an dem der Zug nach Stuttgart abfährt. Er steht bereits dort, mit offenen Türen. Als wir vor Kais Abteil zum stehen kommen, wendet er sich mir zu und schaut traurig auf mich hinab.
"Schau nicht so", schmunzel ich "Wir sehen uns wieder, versprochen"
"Es war so schön dich wiederzusehen. Ich würde am liebsten einfach hier bleiben", murmelt er und schaut mich etwas wehleidig an. Für einen Moment überlege ich ob ich ihn fragen sollte mit nach Bremen zu kommen. Doch diesen Gedanken verwerfe ich schnell wieder.
"Du hast sicherlich noch meine Nummer. Schreib mir oder ruf an. Jetzt kann ich schließlich wieder antworten", lächel ich schief und auch auf seinem Gesicht erscheint wieder ein strahlendes Lächeln. Bestätigend nickt er bevor er seine Arme öffnet.
Ohne zu zögern schlinge ich meine Arme um seine Hüfte und drücke mich etwas gegen ihn. Es fällt mir beinahe schwer ihn gleich in diesen Zug steigen zu lassen. Das Gefühl, das Kai mir gibt, ist so wahnsinnig schön und ich würde es am liebsten festhalten. Seit ich wach bin habe ich mich nicht mehr so gefühlt und irgendetwas sagt mir, dass ich ihn nicht gehen lassen sollte.
Es ist beinahe als wüsste mein Körper, dass Kai mich schon einmal verlassen hat und nicht wieder kam. Es ist als hätte mein Körper Angst, dass genau das auch jetzt wieder passiert.
"Ich melde mich bei dir. Komm gut nach Hause und pass etwas auf deine Sachen auf", schmunzelt Kai und schaut gleichzeitig ernst auf mich herab, als wir uns etwas voneinander lösen. Unsere Arme liegen immer noch um den jeweils anderen.
"Das werde ich machen, so etwas passiert mir nicht wieder. Dir einen guten Flug", entgegne ich mit ruhiger Stimme und ich versinke beinahe in seinen Augen. Der Lärm, um uns herum, scheint mich plötzlich überhaupt nicht mehr zu erreichen und mein Herz fühlt sich in diesem Moment wieder so unfassbar leicht an. Das, was ich fühle, kann ich überhaupt nicht in Worte fassen und selbst begreifen erst recht nicht.
Kai beugt sich lächelnd zu mir herunter und setzt einen Kuss auf meine Stirn. Mit einem leisen Seufzen schließe ich meine Augen und genieße das Gefühl. Mein Bauch kribbelt nicht. Es ist alles ganz anders. Ich spüre keine Aufregung, keine Nervosität. Stattdessen bin ich wahnsinnig entspannt und fühle mich vollkommen wohl. Wenn ich ehrlich bin fühlt sich das hier bei weitem besser an, als das Bauchkribbeln.
Als Kai sich wieder aufrichtet schaut er lächelnd auf mich hinab und ich spüre wie meine Wangen leicht warm werden.
"Es war schön dich noch einmal zu sehen", gebe ich zu und löse meine Arme von Kai. Er tut das Gleiche und wir bringen somit etwas Abstand zwischen uns. Seine Hand greift nach der Trainingstasche, die er neben sich gestellt hatte, und mit einer lockeren Bewegung schultert er sie.
"Das fand ich auch", entgegnet er lächelnd und wir hören bereits den Schaffner pfeifen "Ich sollte dann wohl mal los"
Leicht nicke ich. Auch wenn ich ihn in diesem Moment am liebsten hier behalten würde. Kai schaut etwas unsicher, steht schon direkt vor der Tür. Dann dreht er sich noch einmal zu mir um, kommt herüber und setzt einen Kuss auf meine Wange.
"Bis dann, Josi", lächelt er mich an und steigt ein.
"Bis dann", entgegne ich lächelnd und tatsächlich schließt sich kurz darauf die Tür des Abteils. Kai bleibt dahinter stehen und als der Zug langsam beginnt zu rollen, winkt er mir zu. Ich winke zurück, bis er aus meiner Sicht verschwunden ist.
Langsam legt sich meine Hand an meine Wange, die er vor kurzer Zeit noch geküsst hat. Ich glaube wir hatten eine wirklich schöne Beziehung. Wenn ich mich bloß an alles erinnern könnte. Dann wäre es vermutlich um einiges leichter.
Mit meinem kleinen Koffer gehe ich zu meinem eigenen Gleis herüber. Auch mein Zug steht bereits hier, sodass ich gleich einsteige. Auf meinem Platz ziehe ich das Handy hervor und sehe zwei neue Nachrichten. Beide von Kai. Automatisch erscheint ein Lächeln auf meinen Lippen und ich bin überrascht was für eine Wirkung er auf mich hat. Obwohl wir uns erst einmal gesehen haben.
Während er Zug fährt, schreiben wir miteinander. Doch Kai kommt recht schnell in Stuttgart an, weshalb unsere Schreiberei sich dem Ende neigt. Erst als ich etwas aus dem Fenster geschaut habe fällt mir ein, dass ich mich bei Benjamin melden wollte.
Ein Schuldgefühl überkommt mich. Der Franzose war so wahnsinnig nett zu mir, wir haben uns wirklich gut verstanden und sogar geküsst. Und jetzt ist Kai aufgetaucht und plötzlich scheinen meine Gedanken nur noch bei ihm zu sein. Ich mag Benjamin, ich mag ihn wirklich gerne. Aber das Gefühl, das Kai mir geben hat, ist einfach anders.
Mit einem Seufzen öffne ich den Chat mit Benjamin und beginne eine Nachricht zu tippen. Dass ich Kai getroffen habe, lasse ich aus. Ich erkläre ihm lediglich weshalb ich so überstürzt die Stadt verlassen habe und hoffe, dass er mir nicht sauer ist.
Dann schließe ich etwas die Augen und versuche für einen Moment mal alles auszublenden.
Lasst gerne Feedback da <3
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Amnesia // Kai Havertz FF
FanfictionEin einziger Tag kann dein gesamtes Leben auf den Kopf stellen, dich aus der Bahn werfen und komplett aus dem Verkehr ziehen. Alleine das ist bereits schlimm genug. Aber was wenn du keinerlei Erinnerungen mehr hast wenn du aufwachst? Nicht an deine...