Kapitel 27 Der Versuch, sich zu irren
„Antworte mir! Glaubst du wirklich, dass ich dir das antun würde?"
„Nein, ich... vielleicht? Keine Ahnung. Ich weiß im Moment überhaupt nicht mehr, was ich denken soll", gestehe ich ihm ehrlich und schaffe es nicht, ihn dabei anzusehen. Ich kann es einfach nicht. Es reicht, dass ich seinen enttäuschten Blick auf mir spüre, der durch jedes meiner Worte der Verunsicherung ein Wechselbad der Gefühle auslöst. Er arbeitet sich tief in mich hinein, brennt und schmerzt. Die Luft um uns herum ist mit einem Mal so schwer, dass ich das Bedürfnis verspüre, mich zu setzen. Ermattet lasse ich mich auf einen der Stühle fallen und schlage die Hände vor das Gesicht.
„Was um Himmelswillen hätte ich davon? Hä? Was, Eleen?", spricht Rick energisch weiter. Als ich darauf nicht antworte, fährt er fort. „Es ist Moore, oder? Er hat dir diesen Floh ins Ohr gesetzt?" Nun blicke ich doch auf und schaffe es nicht zu verbergen, dass es durchaus mit dem alternden Detective zu tun hat, dass ich mit meinen Gedanken in diese Richtung gerutscht bin. Doch was soll ich tun? „Dir ist doch aber bewusst, dass er alles dafür tun würde, mich am Arsch zu haben?"
„Ist mir bewusst."
„Also..."
„Nichts mit also, Rick. Es ändert doch nichts daran, dass du mit den Briefen Mist gebaut hast. Wie konntest du nur so dämlich sein?", schleudere ich ihm an den Kopf und halte mich nicht zurück, „Ist dir klar, was alles hätte passieren können? Was, wenn meine Mutter direkt zu Moore gegangen wäre? Was, wenn er doch noch irgendwelche Beweise gefunden hätte? Was, wenn ihm doch jemand geglaubt hätte und sie weitere Fragen gestellt hätten? Was ..."
„Genug!", jault Richard auf und unterbricht meine Tirade. Ich merke sogleich, wie mir der Rest der Vorwürfe schwer auf der Zunge zurückbleibt. Also wende ich meinen Blick ab. Nichts davon ist hilfreich, nichts davon ist der Situation zuträglich. Ich sehe erst wieder auf als Richard fortfährt und mich der Klang seiner Stimme erneut zaudern lässt. „Du hast Recht, das, was ich getan habe, war dämlich, dumm und unverantwortlich... Aber auch das, was wir getan haben, war dumm, Lee. Wir hätten von Anfang an die Wahrheit sagen sollen. Dass das alles meine Schuld war!" Ich will nicht, dass er sich so fühlt. Ich möchte nicht, dass er das denkt.
„So meinte ich es nicht", rudere ich mit gequälter Stimme zurück. Ich habe ihm niemals die Schuld dafür gegeben wegen dem, was damals passiert ist und das werde ich auch nicht. Es würde nicht stimmen. Es war nicht mutwillig. Es war nicht böswillig. Keine Absicht. Wir haben nur zusammen sein wollen. Wir haben uns nur lieben wollen. Deswegen haben wir gemeinsam entschieden, diesen Weg zu gehen. Dass die Konsequenzen, die sich daraus ergaben, für uns nicht abzusehen waren, war der Jugend geschuldet und der naiven Liebe.
„Aber so ist es doch. Ich hätte nicht dauernd provozieren dürfen. Vielleicht wäre es dann...", erwidert Richard mit schwacher Stimme und katapultiert mich zurück in die Realität der bitteren Wahrheit. Liebe ist kein Allheilmittel. Sie kann nicht alles abwehren. Nicht im echten Leben. Das musste ich in all den Jahren lernen und dennoch zerrt mir die Gewissheit jedes Mal wieder den Boden unter den Füßen davon. Liebe ist eine der größten Stärken und kann im gleichen Atemzug die schlimmste Schwäche sein.
„Rick..."; setze ich an, doch er stoppt mich, indem er zaghaft den Kopf schüttelt und so jedes weitere Wort im Keim erstickt. Es ist schmerzhafter als alles zuvor. Richard streicht sich durch die Haare, ballt seine Hand am Hinterkopf zu einer Faust und beißt die Zähne zusammen. Sein Atem bebt, als er sich mir gegenüber auf dem Stuhl niederlässt. Ich beobachte jede Regung seiner Miene. Wie sich seine Lider senken, aber nicht vollständig schließen. Wie sich seine Lippen rhythmisch aufeinanderpressen, als würden sie mit den Worten kämpfen, die noch nicht ausgesprochen sind, aber gesagt werden sollten. Ich bemerke zum ersten Mal die unscheinbaren Falten auf seiner Stirn und um die Lider, die zeigen, dass er nicht mehr der 18-jährige junge Mann ist, der im Gras meine Hand hielt.
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Behind the Wall
RomanceWir waren Kinder und erlebten die ersten wichtigen Momente der Jugend miteinander. Wir sind mehr als zwei Freunde. Wir teilen ein Geheimnis. Ich wurde dafür bestraft. Er lebt mit den Konsequenzen. 🔞 Achtung Erwachseneninhalt! !Diese Geschichte ent...