Kapitel 13 Seine Nähe, mein Heilmittel
„Was wollen sie?", frage ich in den Hörer hinein und schaffe es meine Stimme nicht zittern zu lassen. Mein Blick richtet sich auf den Verlangten, der mir einen fragenden Blick zu wirft. Nein, ich bin nicht gewillt einfach so alles Preis zugeben.
„Ich weiß, dass er da ist." Moores Stimme ist ruhig, sachlich. Rick kommt näher und ich weiche zurück. Unbewusst schüttele ich mit dem Kopf.
„Nein,...", versuche ich es erneut und ernte nur ein bemitleidendes Lachen. Der Telefonhörer rutscht wenige Zentimeter von meinem Ohr und ich blicke zu meinem Kindheitsfreund. Sein Blick ist ernst und er streckt mir seine Hand entgegen. Nun minimal schüttele ich meinen Kopf, doch er nimmt mir den Hörer aus der Hand. Jedoch nicht ohne ihn vorher auf Lautsprecher zu schalten.
„Was wollen Sie?", fragt Rick ohne Umschweife und seine Stimme ist pures Eis.
„Die Wahrheit." Eine simple Antwort, die mir eine Gänsehaut verursacht. Rick sieht mich an. Ich kann sehen, wie sein Blick mit einem Mal die unbändige Schuld ausdrückt, die er in all den Jahren mit sich umher getragen hat. Die Schuld, die ihn langsam zu zerbrechen droht. Ich greife nach seiner Hand und spüre sofort, wie sich seine Finger fest mit meinen verweben. Die Wahrheit wird niemand helfen. Sie macht das Verbrechen nicht ungeschehen und sie nimmt niemanden von uns die Lasten von den Schultern.
„Wie ist es seine Familie zu belügen, all die Jahre lang, Richard? Wie kannst du überhaupt noch ruhig schlafen? Wie kannst du seelenruhig deine Tochter im Arm halten?", spuckt er anklagend durchs Telefon. Richards Hand fasst das Telefon fester, so dass sogar das Plastik leise knirscht. „Ich will, dass endlich der Richtige für den Tod deines Vaters zur Rechenschaft gezogen wird. Ich will Gerechtigkeit."
„Wir haben alle auf irgendeine Weise dafür bezahlt. Wir bezahlen noch immer dafür, also was wollen sie wirklich, Moore? Gerechtigkeit ist es nicht. Und die Wahrheit interessiert sie doch gar nicht." Ein Lachen antwortet.
„Nach all den Jahren hast du noch immer nicht aufgehört dich von ihm beschützen zu lassen, nicht wahr Richard? Wie hast du nur geschafft ihn so sehr an dich binden, dass er sogar für dich ins Gefängnis geht?" Moores Stimme ist eine Qual. Jedes seiner Worte weckt in Richard Schuldgefühle und in mir das Bedürfnis den Anruf zu beenden. Moore weiß gar nichts.
„Sie führen einen Feldzug gegen eitle Luftschlösser. Hören sie auf bevor noch ernsthaft jemand zu Schaden kommt."
„Drohst du mir, Richard? Lässt du wirklich zu, dass er erneut ins Gefängnis geht für ein Verbrechen, welches er nie im Stande gewesen wäre zu begehen?" Ricks Augen ruhen auf mir. Mein Herz pulsiert bei dem Anblick seiner hängenden Schultern. Das Zittern seiner Finger wird immer deutlicher. Wenn es Moore nur darum geht mich zurück ins Gefängnis zu bringen, dann hätte er bereits ausreichend Gelegenheiten gehabt. Nur ein Anruf bei Richards Mutter und sie hätte beim geringsten Verdacht dafür gesorgt, dass die Polizei vor meiner Tür steht. Er selbst hätte es tun können. Bisher ist das nicht geschehen. Stattdessen ruft er hier an. Was also will er von uns? Ging es ihm wirklich nur um die simple Wahrheit? Ich kann es mir nicht vorstellen. Ich würde nicht zulassen, dass Richard für etwas ins Gefängnis geht, wofür schon genug Strafe verbüßt wurde nur um die blinde Vorstellung eines Polizisten zu bestätigen. Moore liegt falsch. Denn Gerechtigkeit ist nicht gleichbedeutend mit Wahrheit.
„Ziehen sie ihre Schergen zurück, Moore. Lassen sie uns in Ruhe und genießen sie ihren Ruhestand. Endlich loszulassen wird ihnen bestimmt besser bekommen. Das ist die Wahrheit." Ein fast freundlicher Hinweis, doch ich vernehme die erneute, deutliche Drohung, die darin verborgen liegt.
„Ein Polizist geht niemals wirklich in den Ruhestand, vor allem dann nicht, wenn ihm einige Fälle schwer im Magen liegen bleiben."
„Dagegen gibt es Medikamente", antwortet Rick trocken. Ich vernehme das geräuschvolle Lachen am anderen Ende der Leitung, was durch die Lautsprecherfunktion noch blechender klingt. Richard schaltet das Telefon ab. Ich sehe die Last, die er auf seinen Schultern trägt. In diesem Moment scheint es als würde er mit jeder Sekunde mehr in sich zusammenfallen. Ich greife seine Hand fester, sehe dabei zu, wie sich seine Augen schließen und wenig später eine erste Träne über seine Wange fließt. Diese Träne trifft mich tief.
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Behind the Wall
RomanceWir waren Kinder und erlebten die ersten wichtigen Momente der Jugend miteinander. Wir sind mehr als zwei Freunde. Wir teilen ein Geheimnis. Ich wurde dafür bestraft. Er lebt mit den Konsequenzen. 🔞 Achtung Erwachseneninhalt! !Diese Geschichte ent...