Prolog - Die Zeichen der Kindheit

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Prolog – Die Zeichen der Kindheit

„Ellen", ertönt es schrill.

„Ellen", witzelt mir ein anderer Kollege, eine Frauenstimme nachahmend entgegen. Ich verdrehe ohne mich umzuwenden die Augen und versuche die Rufe bestmöglich zu ignorieren. Nach dem zigsten Mal reicht es mir.

„E-lee-n", berichtige ich laut, ziehe die E's in meinem Namen zum wiederholten Mal an diesem Tag besonders lang und verfluche leise meine Mutter dafür, dass sie mir diesen Namen gegeben hat. Schlimm genug, dass sie unmissverständlich ausdrückt, dass ihr ein Mädchen lieber gewesen wäre, nein, sie musste den Namen auch noch so wählen, dass ihn alle, wie den eines Mädchens aussprechen. Wieso ist ihr kein geschlechtsneutraler Name eingefallen? Irgendwas Langweiliges. Banales. Es gibt eine Fülle davon. Doch ich bekam ausgerechnet diesen. Eleen. Licht des Mondes, so die Bedeutung. Schmeichelhaft für eine Frau, doch ich bin keine.

Ich ernte blechernes Gelächter und gebe es für den heutigen Tag endgültig auf. So, wie ich es immer mache. Ich ziehe die Tür mit dem Fuß ran, so dass sie nur noch einen Spaltbreit geöffnet ist und entgehe  den Blicken meiner nervigen Arbeitskollegen. Ihre Stimmen werden zu einem dumpfen Rauschen, welches von dem tosenden Summen der mich umgebenden Maschine geschluckt wird.

Mit einem heftigen Ruck drücke ich den Schraubenschlüssel nach unten und spüre mit Genugtuung, dass die Mutter endlich festsitzt. Wenigstens hierauf habe ich Einfluss. Ich wische mir mit dem Ärmel meines ausgezogenen Pullovers über die verschwitzte Stirn. Die Wärme des Heizungsraumes bringt mich noch mal um. Doch das ist bei weitem nicht das Schlimmste. Nerviger ist der beißende Gestank. Seit Tagen wechsele ich ein Teil nach dem anderen aus. Die Düsen. Den Filter. Doch nichts hilft. Der Geruch nach Schmierölen und alten, ranzigen Verschmutzungen beißt sich überall fest, sodass ich trotz einer Stunde duschen oft noch das Gefühle habe, darin gebadet zu haben. Ich bekomme den Gestank nicht aus meiner Nase, egal wo ich bin, egal was ich mache. Ich bilde mir ein ihn auf meiner Haut zu riechen und auf meiner Zunge zu schmecken. Jeder Gedanke daran lässt mich erschaudern. Die geschlossene Tür macht es natürlich nicht besser, aber wenigstens habe ich so meine Ruhe.

Ich lasse meinen Kopf von links nach rechts kreisen, merke, wie es in meinem Hals knackt und lege den Schraubenschlüssel zur Seite. Seit gut einem Monat bin ich für die Wartungen der Heizungs- und Kühlanlagen eines großen Bürogebäudes einer Immobilienfirma zuständig und so lange plage ich mich auch schon mit dem olfaktorischen Angriff auf meine Nerven herum. Im Grunde bin ich ein einfacher Hausmeister. Kein herausragender Job, aber er ernährt mich und ich bin froh ihn zu haben. Nach einer langen Suche habe ich hier eine Chance bekommen. Ich will sie nutzen und mein Leben wieder in die richtigen Bahnen lenken. Ich lasse mich auf die Knie fallen und entferne die Abdeckung der Elektrik. In diesem Moment geht mein Handy los. Auf dem Display erscheint eine interne Nummer und mit einem leisen Seufzen gehe ich ran.

„de Faro", melde ich mich mit meinem Nachnamen und vernehme sofort die piepsige Stimme der Sekretärin aus der dritten Etage.

„Ah, wunderbar, dass ich Sie sofort erreiche. Die Klimaanlage spinnt. Sie müssen ganz schnell kommen, sonst erfrieren wir hier. Es ist, wie bei den Pinguinen in der Arktis.", gibt sie theatralisch von sich. Mit jedem Wort wird ihre Stimme höher und ich halte mein Telefon weiter weg. Auch die persönlichen Gespräche mit ihr kommen akustischen Messerstichen gleich, die sich hoch aber tief in einen Körper bohren.

„Antarktis", berichtige ich ruhig.

„Wie bitte?"

„Pinguine leben in der Antarktis", erkläre ich ihr und ernte ein empörtes und unverständliches Schnauben.

„Nun, das ist mir vollkommen egal. Wir erfrieren hier und Sie müssen sofort etwas dagegen unternehmen", fordert sie. Ich werfe einen Blick auf die Uhr. Der Feierabend ist so nah und rückt damit in weite Ferne.

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