Kapitel 6 Das Aroma der Begierde
Blind tippe ich die Nummer ein und stocke. Mein Herz pumpt pure Aufregung durch meine Adern, aber auch Furcht. Was, wenn es nicht seine Nummer ist? Was, wenn sie nicht mehr aktuell ist? Ich mache mich unnötig verrückt. Er hätte mir den Ring nicht gegeben, wenn die Nummer nicht stimmen würde. Ich atme unkontrolliert und wieder bildet sich dieses mahnende Gefühl in mir. Es nagt sich durch meine Knochen. Es ist nicht richtig ihn anzurufen, doch der warnende Schall wird von meinem Verlangen seine Stimme zu hören, überschallt. Ich drücke den grünen Hörer und vernehme das ruhige Klingeln. Mit jedem Ringen wird mein Herzschlag schneller. Meine Atemgeräusche werden lauter und unruhiger. Sie scheinen an den gekachelten Wänden widerzuhallen. Der Zug fährt ab und ich bin vollkommen allein auf dem Bahnsteig.
„Paddock." Seine Stimme ist warm, jagt Erinnerungen durch meinen Kopf und trotzdem höre ich diese Spur von Vorsicht. Es ist ein Fehler.
„Hallo?", fragt Rick und ich bekomme noch immer kein Wort heraus. Das Telefon rutscht langsam von meinem Ohr.
„Lee! Leg nicht auf. Bitte! Bitte, leg nicht auf", kommt hektisch von der anderen Seite des Hörers als er zu begreifen scheint, was der leere Anruf zu bedeuten hat. „Ich habe gehofft, dass du die Nummer wählst...Nur reden, Lee. Ich möchte nur mit dir reden können." Mir geht es ähnlich, aber ich weiß nicht, ob mir Reden auf Dauer reicht. Allein seine Stimme jagt tausende kleine Blitze durch meinen Körper, entfacht den Sturm, das Beben. Wohltuend und sehnsüchtig.
„Reden ist gut", höre ich mich sagen und lausche dem beruhigten Ausatmen des anderen Mannes. Ich weiß, dass es ihn glücklich macht. „Wieso trägst du einen Ring mit dir rum, auf dem deine Telefonnummer eingraviert ist?", frage ich, nachdem ich mich etwas gefasst habe.
„Ich trug ihn für den Fall, dass ich betrunken nicht mehr nach Hause finde", sagt Rick belustigt und ein vergnügtes Schnaufen perlt von meinen Lippen.
„Um dann das Handy in deiner Tasche anrufen zu können?", frage ich und springe auf den Witzzug auf.
„Okay, du hast mich erwischt", gesteht er mit einem leichten Lachen ein, dann folgt ein kurzes Schweigen.
„Ich habe ihn vor 7 Jahren für dich machen lassen.", erklärt er, "Ich wollte ihn dir unbedingt noch geben und dir damit zeigen, dass ich dich nicht vergessen werde. Niemals, aber sie haben mich nicht mehr zu dir gelassen." Ich erinnere mich schmerzlich.
„Dann habe ich versucht ihn dir zu schicken, aber meine Briefe kamen ungeöffnet wieder zurück." Die Traurigkeit in seiner Stimme verursacht mir Gänsehaut. Ich drücke das Telefon dichter an mein Ohr, so als würde ich ihm damit näher kommen können.
„Mehrere Male. Wahrscheinlich hat die Tatsache, dass ich keinen echten Namen als Absender drauf geschrieben habe den Umstand nicht verbessert", fährt er fort. Ein Hauch von Witzigkeit und ich komme nicht umher zu lächeln. Richard hat immer seine Witze und Späße gemacht. Ein Versuch die Stimmung auf zu lockern oder den Ernst aus einer Situation zu nehmen. Es gelang ihm nicht immer, aber oft genug zauberte er mir damit ein Lächeln ins Gesicht. Auch jetzt.
„Ich freue mich deine Stimme zu hören", ergänzt er. Seine Stimme bebt. Ich horche auf. Ein erregendes Kitzeln. Es arbeitet sich von meinen Bauch in die Spitzen meiner Glieder, in die Enden meiner Fingerkuppen und in die entfernten Stellen meiner Zehen. Mit jedem seiner Worte wird es intensiver.
„Ich auch", erwidere ich und stelle mir sein schönstes Lächeln vor. In meiner Vorstellung sieht er aus, wie vor 7 Jahren. Sonderbar. Ein seltsamer Fakt, doch er ist genauso eigenartig, wie die Tatsache nach all den Jahren seine Stimme zu hören. Eine weitere U-Bahn fährt ein. Niemand steigt aus und niemand steigt ein.
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Behind the Wall
RomanceWir waren Kinder und erlebten die ersten wichtigen Momente der Jugend miteinander. Wir sind mehr als zwei Freunde. Wir teilen ein Geheimnis. Ich wurde dafür bestraft. Er lebt mit den Konsequenzen. 🔞 Achtung Erwachseneninhalt! !Diese Geschichte ent...