Die Begeisterung für die Kleinigkeit

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Kapitel 2 Die Begeisterung für die Kleinigkeit

Bis zum Mittag arbeite ich an meinen Heizungsproblem. Ich entferne ein paar Teile ohne die Hauptmaschine berühren zu müssen. Keine Anzeichen. Keine Löcher. Keine Ideen. Ich bin langsam, aber sicher resigniert. Die Hitze in dem kleinen Raum hemmt meine Denkfähigkeit. Ich versuche mich zu sammeln und krame in den hintersten Ecken meiner Gehirnwindungen nach nützlichen Erinnerungen. Die Abdichtungen. Das Thermostatventil. In meinen Kopf bildet sich eine Liste belangloser Fakten, die überhaupt nichts mit dieser Maschine zu tun haben. Bei meinem Glück ist es etwas mit der Elektrik und dann gucke ich blöd aus der Wäsche. Meine verschwommenen Erinnerungen an Elektrik und Sicherungen verdanke ich den verschlafenden Momenten meiner Ausbildung. Bis heute schiebe ich die andauernde Müdigkeit auf den Mangel an frischer Luft und Freiraum. Ähnlich wie in diesem vermaledeiten Kellerraum. Doch diesen konnte ich wenigstens einfach öffnen. Unwillkürlich schließe ich meine Augen und fühle mich zurückversetzt. Das Gefühl der kühlen Metalltür unter meinen Fingern. Die Unebenheiten der Lackierung. Ich kenne sie auswendig.

Der leichte Luftzug als die Tür auf geht ist herrlich und reißt mich zurück ins Hier und Jetzt. Ich schaue verwundert zur Tür. Nichts, doch plötzlich schiebt sich Kaleys Kopf hinein. Sie sieht erst zur falschen Seite und dann zu mir.

„Oh, hier ist es aber warm", sagt sie und lächelt.

„Und ich habe gehofft, dass ich die firmeneigene Haussauna noch etwas für mich allein habe", kommentiere ich ungewollt heiter und luge hinter den Heizungsrohren hervor.

„Hast du nicht ein bisschen zu viel an für Sauna?", begegnet sie humorvoll.

„Woher willst du wissen, wie viel ich wirklich anhabe?", frage ich berechtigter Weise, denn ich bin von einigen Rohren und Kästen verdeckt.

„Touché" Ein leise Kichern.

„Funktioniert schon wieder eure Klimaanlage nicht richtig?", frage ich und komme aus meiner Ecke hervor.

„Nein. Nein, alles gut, abgesehen davon dass Beatrice anscheinend in ihren Wechseljahren ist und alle 10 Minuten die Temperatur verändert." Ich stelle mir die rundliche Sekretärin vor, wie sie hektisch vom Thermostat zu ihrem Schreibtisch stöckelte und wieder zurück. Dabei gibt sie quietschende, meckernde Geräusche von sich. Das Klackern ihrer hohen Schuhe.

„Das erklärt, warum die Sicherungen so verschlissen sind", sage ich beiläufig und versuche das Bild der Schreibdame aus meinem Kopf zu bekommen.

„Wahrscheinlich." Sie kichert mädchenhaft, trotz ihrer vollen tiefen Stimme und ich kann für einen Moment ihre schönen graden Zähne aufblitzen sehen. Es steht ihr.

„Wie kann ich dir dann helfen?", erkundige ich mich. Sie tritt in den Raum und runzelte leicht ihre Nase. Kleine unscheinbare Fältchen schlängeln sich vom Nasenbein zur Spitze. Der Geruch muss für einen empfindsamen Geist grausig sein. Doch sie schenkt sich jeden Kommentar.

Ihr schlanker, großgewachsener Körper steckt diesmal in einen körperbetonten schwarzen Rock und einen dünnen senfgelben Pullover. Ihr schöner dunkler Hautton bringt das satte Gelb zum Leuchten.

„Ich möchte dich fragen, ob du Lust hast mit mir Mittag essen zu gehen?", erfragt sie als sie bei mir angekommen ist. Eine vorsichtige Frage und ich sehe sie verblüfft an. Mit so etwas habe ich nicht gerechnet und weiß auch prompt nicht, was ich antworten soll.

„Nur, wenn du möchtest natürlich", rudert sie etwas zurück und lächelt dennoch hoffungsvoll.

„Oh, danke, aber ich denke nicht, dass das eine gute Idee ist", gestehe ich. Ihr Lächeln versiegt und ich kann sehen, dass sie wirklich enttäuscht ist. Mein Bruder würde sagen, dass ich mich schon wieder selbst isoliere. Er hat Recht, doch auch ich habe dafür meine Gründe. Ich höre seine mahnenden Worte. Im Moment stelle ich ihn mir zusätzlich mit roten Warnschildern vor, was im Grunde eine komödiantische Note hat. Sein andauernder Tenor, der im Grunde nichts anderes sagte als ‚tue dies nicht und tue das nicht' geht mir auf die Nerven. Er meint es gut, doch ich bin es leid. Ich schüttele die Gedanken von mir.

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