Die Schwere leerer Worte

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Kapitel 29 Die Schwere leerer Worte

„Bist du dir sicher?" Ein gutes Maß an Skepsis schwingt in seiner Stimme mit. So, wie immer und so, wie es ihm sein einstiger Beruf eintrichterte. Moore nimmt mir das Bild aus der Hand und notiert den Namen meines Arbeitskollegen auf die Rückseite. In meinem Magen beginnt es zu simmern. All die Empfindungen bündeln sich mit einem Mal zu einem glühenden Stein. Es fällt mir schwer, mich nicht darauf zu konzentrieren. Es ist flau und unangenehm. Doch ich versuche es zu ignorieren, verschränke locker die Arme vor der Brust und gebe mir große Mühe, mich auf Moore zu fokussieren.

„Nein, sicher bin ich mir nicht. Aber der Aufnäher dort, der kommt mir bekannt vor. Es könnte aber auch ein Schmierfleck sein", erläutere ich meine Gedanken und übe Kritik an der Qualität der Aufnahme. Ich weiß es nicht hundertprozentig und habe ich den Patch erst beim letzten Aufeinandertreffen kurz gesehen. Er wirkte, als wäre er händisch dort angebracht worden. Auch auf dem Bild wirkt diese Stelle seltsam deplatziert. Zu plakativ. Trotz alledem will mir nicht einmal einfallen, was dort stand.

„Hast du zufällig die Marke der Jacke erkannt?"

„Nein. Ich habe auch nicht darauf geachtet" Ich hatte mehr damit zu tun, gegen meine Angst und die Wut anzukämpfen. Der glühende Stein pulsiert und man erkennt es deutlich auf meiner Haut.

„Wie kommt es, dass du kein bisschen überrascht klingst", merkt Moore an und kräuselt seine helle, buschige Augenbraue.

„Überrascht?", frage ich verwundert.

„Ja, in dem Sinne, dass dein Arbeitskollege auf den Aufnahmen einer Überwachungskamera zu sehen sein könnte, die zeigen, wie er in ein Polizeiarchiv einbricht." Wenn er es so sagt, dann sollte ich wirklich überrascht sein, aber ich bin es nicht. Mein Blick huscht über den Tisch und über die Mappe, über Moores tippende Finger. Zurück zu ihm. Ich schaue ihm ins Gesicht, doch die hellen blau-grauen Augen lassen mich augenblicklich etwas zusammenschrumpfen. Sie haben schon immer eine gewisse Kühle in sich, eine Distanz, die auch jetzt noch allgegenwertig ist, auch wenn ich längst weiß, dass sich etwas geändert hat.

„Ich bin überrascht...", gebe ich wieder. Es ist nur ein hohles Echo.

„Ja, du bist wahrlich die Definition eines dieser Schokoladeneier", spottet er, „Ernsthaft Eleen, lass den Scheiß und spuck aus, was du zurückhältst. Was ist dieser Pfennig für einer? Du weißt doch etwas." Stevens Namen liest er nach einem schnellen Blick von dem beschriebenen Foto ab.

„Er ist der Typ widerliches Wiesel", bringe ich schlicht, aber verbittert hervor und wende mich von Moore ab, um die Emotionen zu verbergen, die sich mit Garantie in meinem Gesicht abzeichnen wie Theaterschminke. Ich öffne den Oberschrank, um ein paar Gläser hervorzuholen. Die Umschreibung Wiesel trifft Steven wirklich gut, aber es ist noch viel schlimmer. In all meinen Gliedern beginnt es zu kribbeln und das kühle Glas in meinen Händen ist vor Dumpfheit kaum zu spüren.

„Kannst du das ein wenig ausführen?", murrt der ehemalige Detective in seiner Brummbärmanier.

„Will ich nicht", watsche ich schnell ab. Moore schnaubt. Ich fülle beide Gläser mit Wasser und stelle eines nach sinnierendem Zögern vor dem älteren Mann ab. Er sieht mich nur an, folgt meinen Bewegungen mit hoher Intensität. Ich fühle mich fast ein wenig entblößt.

„Okay. Was kann der Typ mit der ganzen Sache zu tun haben? Ist es Zufall? Wurde er dafür bezahlt? Was sind seine Intentionen?", fährt er nach einem Moment fort. Ich weiß es nicht. Ich verstehe es nicht. Meine Schultern zucken lediglich nach, denn eine nützlichere Reaktion will sich gerade nicht ergeben. Mein Kopf fühlt sich schwer an und leer. Alles zur selben Zeit. Es ist eigenartig. „Verdammt noch mal, muss ich dir wirklich ständig alles aus der Nase ziehen? Er begeht doch keine derartige Straftat aus Spaß an der Freude", wettert der alte Detective los. Die Lautstärke lässt mich zusammenfahren.

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