Ein Knochen, der bricht, wächst stärker zusammen

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Kapitel 23 Ein Knochen, der bricht, wächst stärker zusammen

Ich schaffe es kaum ihn anzusehen, da stößt er mich wiederholt gegen den Schrank. Die Wut in seinem Gesicht ist beängstigend. Sie verzerrt sein Gesicht zu einer Fratze mit funkelnden Blick. Ich spüre, wie sich mein Herz pulsierend in meiner Brust bewegt und die Angst als Motor benutzt. Jeder Impuls als markerschütternder Beben, welches meinen Fluchtreflex aktiviert. Ich weiche zur Seite aus, doch er folgt mir prompt und verstellt mir erneut den Weg.

„Oooh, wo ist denn dein großes Mundwerk? Na komm! Droh mir!" Die letzte Aufforderung spukt er mir laut entgegen. Das Blut in meinen Ohren rauscht. Ich weiche erneut zurück. Es bleibt beim Versuch, denn Steven greift nach meinem Handgelenk und dreht mir den Arm hinten den Rücken und meinen Körper zurück gegen die Metallschrankreihe. Der blitzartige Schmerz, der mich durchzuckt, lässt mich aufkeuchen und sorgt dafür, dass ich mich unwillkürlich weiter nach vorn lehne. Das kühle Metall des Spinds trifft meine Wange, sorgt für einen Moment für bittere Erkenntnis.

„Weißt du, was mich wirklich brennend interessiert...", flüstert er und trotzdem schneidet sich seine Stimme Stahl, „Wie hast du im Knast überlebt, mh? Wie?"

„Fass mich nicht an...Lass los" Sein Griff wird noch fester. Die Panik wird immer stärker. Ich spüre, wie sie an die Oberfläche steigt und meinen gesamten Körper ausfüllt.

„Steven, lass mich endlich los...du machst nur schlimmer", wiederhole ich und schaffe es nicht, das verräterische Zittern aus meiner Stimme zu bekommen. Beim letzten Teil bricht sie sogar. Er gibt einen Laut von sich, der klingt, als wäre ihm in diesem Moment etwas Bestimmtes eingefallen.

Er presst mich heftig gegen den Schrank. Ich beginne mich zu wehren, reiße mich endlich von ihm los. Doch ich weiche nicht zurück, sondern greife nach seinem Kragen, drücke ihn stattdessen gegen das harte Metall. Steven wehrt sich nicht, grunzt nur vergnügt. Ich lasse ihn schnell wieder los.

„Vier Jahre Knast. Ich kann nicht glauben, dass du nicht gefickt wurdest. Du warst doch gefundenes Fressen. Ganz hübsch bist du auch. Du bist die perfekte Pussi für jeden langsitzenden Knastbruder. Ein dreckiger Fick." Noch bevor ich begreife, was passiert ist, spüre ich heftigen Schmerz in meinen Fingerknöcheln. Mein Kollege taumelt zurück und rutscht dann zu Boden. Seine Unterlippe ist an der rechten Seite aufgeplatzt. Blut fließt langsam sein Kinn hinab. Meine Hand beginnt noch heftiger zu zittern.

„Sicher weißt du ganz genau, wovon du sprichst.", presse ich atemlos heraus.

„Fick dich, de Faro!", zischt er mir entgegen, „Wenn ich wegen dir den Job verliere, wirst du dafür büßen." Eine klare Drohung. Damit lässt er mich allein zurück.

Den Weg in meine Wohnung nehme ich wie betäubt. Meine Fingerknöchel sind rot. Sie schmerzen und ich kann noch immer nicht fassen, dass ich ihn geschlagen habe. Das passt nicht zu mir. Das bin ich nicht. Ich lasse den Rucksack im Flur stehen, gehe ins Badezimmer und lasse mir kühles Wasser über die malträtierte Hand fließen. Mehrere Minuten lang, bis meine Finger taub sind. Was passiert hier? Ich verstehe einfach nicht, wie es dazu kommen konnte. Wer hat es dem Chef gesteckt?

Mit einem Handtuch in der Hand schlürfe ich ins Wohnzimmer. Sofort geht mein Blick zu der rotblinkenden Anzeige an meinem Telefon. Die generierte Stimme informiert mich über einen eingegangenen Anruf. Sie wiederholt die Nummer. Ich kenne sie nicht. Das passiert in der letzten Zeit viel zu oft und verursacht mir augenblicklich Gänsehaut. Ich merke, wie sich meine Glieder anspannen und wie sich ein nervöser Kitzel durch meinen Körper arbeitet. Das Handtuch lasse ich auf die Couch fallen.

„Eleen, hier ist Moore." Eine kurze Pause. Die Anspannung fällt von mir ab und das obwohl die Tatsache, von dem alten Detective zu hören, meistens nichts Gutes mit sich bringt. Ich höre den schweren Atem, der über seine Lippen flieht und stelle mir vor, wie er sich angestrengt aus seinem Auto hievt.

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