Das nervöse Kitzeln der Furcht

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Kapitel 15 Das nervöse Kitzeln der Furcht

Das Geräusch des Klingelns durchdringt mich als ich tatsächlich den grünen Hörer betätige. Jede Sekunde des Wartens ist blanke Unsicherheit. Ich bekomme Gänsehaut, die mit jeder deutlichen Klingelspitze immer weiter aufzuflammen scheint.

„Lee?", geht er ran. Ich kann nicht ausmachen, ob seine Stimme überrascht oder sorgenvoll klingt. Ich weiß nur, dass sie mir ein sanftes Kribbeln der Erleichterung schenkt. Ich starre auf die angelehnte Tür und höre ein Rascheln.

„Lee, alles okay?", wiederholt Rick flüsternd, weil ich noch immer nicht reagiere.

„Ich glaube in meine Wohnung wurde eingebrochen", sage ich nun. Ich beuge mich vor und schmule durch den Spalt. Richard scheint für einen Moment die Luft anzuhalten. In seinem Kopf spielen sich genauso, wie in meinem die unzähligen Eventualitäten ab.

„Bist du in der Wohnung?", fragt Rick ruhig und ich bin fast erstaunt, dass er nicht zu erst nach dem Verschließen der Tür fragt. Ich bin mir sicher, dass ich sie verschlossen habe. Zweimal. Ich achte darauf. Immer. Rick war doch sogar dabei gewesen. Mit einem Mal bin ich mir nicht mehr sicher. War es wirklich ein Zufall, dass genau zu diesem Zeitpunkt jemand bei mir einbricht? Sicher fragt sich Rick dasselbe. Ich höre, wie er leise, aber zischend Luft einzieht. Meine Hand legt sich in diesem Moment an das Holz der Tür. Ich drücke sie weiter auf und ich kann nun ein Stück in den Flur sehen. Im Übergang zum Wohnzimmer liegen Papiere am Boden.

„Bist du in der Wohnung?", wiederholt Rick leise, aber erregt. Ich höre deutlich, wie seine Atemfrequenz zugenommen hat. Immer wieder dringt ein Rauschen durch den Hörer.

„Nein, ich stehe davor." Ich drücke die Tür weiter auf und sehe noch mehr Papiere, die einen Pfad vom Wohnzimmer zum Schlafzimmer bilden. Die gesamte Flur entlang.

„Hast du die Polizei gerufen?", fragt Rick mich und ich schüttele ungesehen den Kopf. Auf diese Idee bin ich gar nicht gekommen. Ich habe eine innere Sperre, die jeglichen Gedanken an die Polizei verdrängt. Sie war nie mein Freund und Helfer. Ich mache einen ersten Schritt in die Wohnung. Nichts ist zu hören. Mein Blick wandert zur Küche rechts neben mir.

„Lee?" Energisch, aber leise schleudert er mir meinen Namen durch das Telefon als ich nicht reagiere. Mein Herz macht einen Satz und rammt sich dann ein wenig heftiger gegen meinen Brustkorb.

„Nein", antworte ich leise.

„Dann mach das, bitte. Geh nach draußen und warte bis die Beamten da sind. Geh nicht in die Wohnung! Hast du verstanden?" Das habe ich, aber dennoch mache ich einen weiteren Schritt hinein. Natürlich verlangt er, dass ich die Polizei dazu hole. Ich würde nicht anders reagieren, wenn er mich mit so einer Nachricht anruft. Ich will jedoch nur seine Stimme hören und ihn in dieser Situation an meiner Seite wissen, wenn auch nur in Form des Telefons. Zur Beruhigung und um mir selbst die Aufregung zu nehmen.

„Ruf die Polizei, sofort!", kommt es erneut mahnend von dem anderen Ende des Telefonhörers. Rick duldet keine weitere Verzögerung, aber in meinem Kopf spülen sich gerade die Auswirkungen ab, die ein Polizeieinsatz in meiner Wohnung mit sich bringen würde.

„Nein, Rick, das werde ich nicht. Sie werden deine Fingerabdrücke finden und Fragen stellen. Und wenn es der gleiche Kerl ist, der mit diese Hinweise zu steckt, dann hat er vielleicht etwas zurückgelassen, was uns miteinander in Verbindung bringt." Rick setzt zu einem Gegenkommentar an, doch dann stockt er. Meine Argumente sind stichhaltig. Er hat selbst nicht daran gedacht, dass höre ich dadurch, dass er scharf die Luft einzieht und nichts erwidert. Ich stelle mir Richards Gesichtsausdruck vor. Die senkrechten Falten auf seiner Stirn, die sich bilden, wenn er mit etwas nicht einverstanden ist. Seine Augenbrauen, die sich leicht zusammen ziehen und ihm diesem strengen Blick verleihen. Leider hat er diesen von seiner Mutter. Noch nie war ich der Grund gewesen, weswegen er so schauen musste. Ich gehe zuerst in die Küche. Sie scheint vollkommen unberührt. Das Glas mit der Schokocreme steht noch immer auf der Arbeitsplatte. Darauf abgelegt das benutzte Messer. Rick muss es abgeleckt haben, denn es wirkt relativ sauber.

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