Kapitel 5

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(Überarbeitet am 23.02.18)

„Wie schmeckt es dir?"

„Es ist köstlich!" Genießerisch schloss ich die Augen und schob mir noch ein Stück Schokokuchen in den Mund. Das Stück schmolz beinahe auf meiner Zunge.

„Ich hatte noch nie einen besseren Schokokuchen!", schwärmte ich und leckte mir die verbleibenden Krümel von den Lippen.

„Das freut mich." Er sah sehr zufrieden aus wie er so entspannt auf seinem Stuhl saß. Vor ihm stand ein kleines Schälchen mit einer weißen Creme und Blaubeeren. Meine Augen folgten den langsamen Bewegungen seiner Hände und ich beobachtete fasziniert wie der Löffel zwischen seinen Lippen verschwand. Sein Blick war auf meinen Mund gerichtet und ich merkte, dass ich mir unbewusst die Lippen leckte. Diesmal aber nicht um verbleibende Krümel zu beseitigen.

„Möchtest du etwas probieren?" Fragend zog er eine Augenbraue in die Höhe, als er meinen gierigen Blick bemerkte. Da ich ihm schlecht sagen konnte, dass ich seinen Mund angestarrt hatte, weil ich ihn faszinierend fand, nickte ich einfach nur. Ich griff nach meiner Kuchengabel und strecke meine Hand aus um mir etwas von der Creme zu nehmen, doch er schüttelte den Kopf, füllte etwas in seinen Löffel und hielt ihn mir hin.

„Mach den Mund auf." Seine Stimme war leise und eindringlich, schuf in diesem vollen Restaurant eine intime Atmosphäre. Ich beugte mich zu ihm und öffnete meinen Mund. Mit einer langsamen Bewegung schob er den Löffel zwischen meine Lippen und zog ihn sehr langsam wieder heraus. Die Creme war köstlich, Vanille und Blaubeeren. Lecker!

„Bekomme ich auch etwas von deinem Kuchen?" Bevor ich etwas erwidern konnte, beugte er sich schon vor und öffnete den Mund. Bei diesem Anblick musste ich schmunzeln. Er war sehr Selbstsicher. Da es mir nichts ausmacht meinen Nachtisch mit ihm zu teilen, trennte ich ein Stückchen ab und schob es ihm in den Mund. Während er das kleine Stückchen Kuchen kaute, schaute er die ganze Zeit über mich an.

„Du hast Recht, er ist köstlich." Seine Augen hingen an meinem Gesicht und ich hatte nicht das Gefühl das er vom Kuchen sprach. Dafür war sein Blick viel zu eindeutig. Ein dezentes Hüsteln riss uns aus unserer Starre. Es war der Kellner der uns die Rechnung brachte.

„Ihre Rechnung, Monsieur." James griff in seine Tasche und holte eine Karte heraus, die er dem Kellner ohne ein Wort reichte. Dieser verschwand wieder so leise wie er gekommen war.

„Willst du denn nicht die Rechnung überprüfen?"

„Wozu denn? Ich denke nicht dass mein Freund mich über den Tisch ziehen würde." Er lächelte mir charmant zu und aß sein Dessert weiter. Ich folgte seinem Beispiel und genoss die letzten Bissen meines Kuchens. Wenn ich diesen Kuchen schon vor Jahren entdeckt hätte, würde ich wahrscheinlich über die Straßen rollen, so lecker wie er war. Wir saßen noch einige Zeit einfach so da und unterhielten uns über die unterschiedlichsten Dinge. Ich erfuhr so einiges über ihn, was ich aus den Magazinen natürlich nicht erfahren hatte. Zum Beispiel mochte er die Farbe orange. Er liebte Hunde, konnte aber keine halten, weil er in einem Penthaus wohnte und ein Hund einen großen Garten brauchte und jemanden, der regelmäßig für ihn da war. Er erzählte mir auch, das seine Eltern, als er ein Kind war, viel beruflich unterwegs waren und wie er sich aus der Not heraus das Kochen selber beigebracht hatte. Er wollte nämlich nicht ständig das Essen seines mexikanischen Au-pairs essen. Als er mir erzählte, wie er das erste Mal in seinem Leben Nudeln gekocht hatte, musste ich laut lachen und zog so die Aufmerksamkeit anderer auf uns, doch das war mir egal. Er hatte bei seinem ersten Versuch die Nudeln auf dem Herd vergessen und das Wasser war durch das lange kochen verschwunden. Am Ende waren die Nudeln steinhart und braun. Zum Glück war das Haus nicht abgebrannt. Da er so offen mit mir sprach, beantwortete ich natürlich auch seine Fragen. Als er mich fragte, was der peinlichste Moment in meinem Leben war, musste ich lange überlegen, denn als ungeschickliche Person, passierten mir oft Dinge, die mir peinlich waren. Doch nur ein Ereignis hatte sich so stark in mein Gedächtnis gebrannt, dass ich es nie vergessen würde.
„Es war damals in der 9 Klasse. Es war Herbst und der Morgen war kühl, deshalb zog ich meine neue schicke Jacke an und meinen neuen Pullover. Ich war ziemlich stolz auf die Sachen, weil es die ersten waren die ich selbst gekauft hatte. Also stolzierte ich durch die Schule und schaute natürlich nicht wo ich hin lief. Ich weiß bis heute nicht wie es genau passiert ist, aber ich denke ich bin mit der Jackentasche am Lauf des Treppengeländes hängengeblieben. Dabei habe ich meine neue Jacke ruiniert, da die Tasche aufgerissen ist. Das schlimmste war aber, das ich Kopfüber die Treppe runtergefallen bin. Mir ist zum Glück nichts passiert, aber mein Pullover hat sich selbstständig gemacht und ich kam nur im BH unten an und die ganzen Jungs starrten mich an."

Nachdem ich zu Ende erzählt hatte, schlug ich mir die Hände vors Gesicht, da mich selbst nach Jahren diese Geschichte zum erröten brachte. Ich selbst grinste bei meiner Geschichte, doch James sah nicht so begeistert aus.
„Ich bin nur froh, dass du dir nicht den Hals bei dieser Aktion gebrochen hast, sonst hätten wir heute diesen wunderbaren Abend nicht erleben können." Während er sprach, legte er seine warme Hand auf meine und lächelte mich beinahe schon liebevoll an.

Vor meiner Wohnungstür blieben wir stehen. Sollte ich ihn noch herein bitten oder würde ich damit zu weit gehen? Der Abend war sehr gut verlaufen und obwohl James mir einige eindeutige Signale geschickt hatte, wusste ich nicht so recht was ich jetzt tun sollte.

„Ich rufe dich in den nächsten Tagen an.", sagte er in diesem Moment und riss mich aus meinen Gedanken. So einfach wurde mir die Entscheidung abgenommen.

„Was? Willst du schon etwa gehen?"

„So ist es am besten." Oh. Also wollte er sich wirklich nur mit dem Essen entschuldigen. Ich war etwas enttäuscht und kam mir ehrlich gesagt ziemlich dumm vor. Irgendwie hatte ich gehofft, er würde doch noch mit hoch kommen und mich auch auf ein zweites Date einladen. Ich sagte mir zwar ständig, dass aus uns beiden nichts werden konnte, doch jetzt wo er es aussprach, enttäuschte es mich. „Schade. Aber danke für den schönen Abend." Ich wollte die peinliche Szene nicht länger in die Länge ziehen als nötig und drehte mich zur Tür um sie zu öffnen.

„Wo willst du denn hin?" Seine Hand legte sich mit einem festen Griff um meine Schulter und drehte mich um.

„Aber ich dachte ... du hast ..." Mir fehlten die Worte. Ich war total verwirrt von seinen Reaktionen. „Ich sagte, dass ich heute nicht mit dir gehen kann. Nicht, dass ich kein Interesse hätte." Er beugte sich zu mir herunter und drückte mir seine festen Lippen auf den Mund. Ich war von seinen Handlungen so überrumpelt, dass ich ihn einfach gewähren ließ. Seine Lippen lagen fest und warm auf meinen, eroberten meinen Mund und ließen mich Sterne sehen. Der Kuss wurde innig und heiß, als er sich plötzlich von mir löste.

„Es gibt noch einige Dinge die wir vorher klären sollten." Er richtete sich auf und strich mir ein paar Haarsträhnen hinter mein Ohr. Seine Finger waren kräftig und rau. So wie ich sie am liebsten mochte.

„Wir klären alles wenn ich mich bei dir melde." Mit einem letzten Kuss verabschiedete er sich und ließ mich total verwirrt vor dem Eingang stehen. Unbewusst legte ich meine Finger auf die Lippen, um das erregende Kribbeln zu dämpfen. Ich brauchte noch einige Minuten bis ich es schaffte mich der Tür zuzuwenden und sie zu öffnen.

Es war ein sehr schöner Abend, doch es gab einige verwirrende Dinge an ihm die mich verunsicherten. Dinge die er sagte, aber ganz anders meinte, wenn man seinen Blicken glauben konnte. Oder bildete ich mir das nur ein? Genervt über meine eigenen Gedanken, räumte ich meine Kleidung in den Schrank und verkroch mich unter der weichen Bettdecke. Morgen war Wochenende und ich konnte mich noch etwas entspannen bevor ich nächste Woche wichtige Termine hatte. Und endlich den Termin mit dem unzuverlässigen Kunden. Wenn er den neuen Termin nicht auch noch absagte.

Das Wochenende verlief ereignislos. Ich erzählte meiner Mutter vom geklauten Auto und meinem Fuß, und ließ mich von Samy über die Verabredung ausquetschen. Nun saß ich vor dem Fernseher und sah mir den Rest des Actionfilms an. Es war Sonntag, 22:11 Uhr und James hatte sich nicht gemeldet. Obwohl ich versuchte nicht ständig an ihn zu denken, schaffte ich es nicht. Ob ihm was passiert war? Ob er es sich anders überlegt hatte und mich doch nicht Wiedersehen wollte? Bei meinen Grübeleien fiel mir auf, dass ich ihm weder meine Festnetz noch Handynummer gegeben hatte. Da ist es ja kein Wunder das er mich nicht erreichen konnte. Aber so schnell wie er verschwunden war, hatte ich auch nicht daran gedacht. Enttäuscht ließ ich meinen Kopf an die Sofalehne fallen. Wenn er mich wirklich sehen wollte, würde er im Notfall auch herkommen können. Schließlich wusste er ja wo ich wohnte, versuchte ich mich selbst zu beruhigen. Als ich wieder den Kopf hob, lief bereits der Abspann. Na toll, jetzt hab ich auch noch das Ende verpasst! Obwohl ich vom Film überhaupt nicht viel mitbekommen hatte. Wir waren nicht zusammen, ich wusste nicht mal ob er sich bei mir melden wird und trotzdem schaffte er es irgendwie meinen ganzen Tagesablauf und meine Gedanken zu beherrschen. Spukte durch meine Gedanken wie ein Geist.

„Hör auf!" Das hatte ich mir heute schon mehrmals gesagt. Doch ich konnte einfach nicht damit aufhören. Genervt kroch ich in mein Bett und zog mir die Decke über den Kopf.

Verrückt nach dir!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt