Kapitel 21

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(Überarbeitet am 08.03.18)

„Meine Eltern haben uns übers Wochenende zu sich eingeladen." James und ich saßen im französischen Restaurant, in dem wir unser erstes Date hatten.

James grinste mich von der anderen Seite des Tisches an.

„Ich dachte schon du willst mich deinen Eltern überhaupt nicht vorstellen."

„Ich wollte schon, aber ich dachte dass es noch viel zu früh sei." Wir waren erst seit etwa sechs Monaten zusammen. Conner hatte ich meinen Eltern erst nach einem Jahr vorgestellt. Ich war immer der Ansicht, dass meine Eltern erst meinen Freund treffen sollten, wenn unsere Beziehung stabil und ausgeglichen war und nicht die Gefahr bestand, dass wir uns nur wenige Wochen später trennten. Mein Verhalten hatte viel mit meiner Schwester zu tun. Sie brachte jeden Freund mit nach Hause, sogar die, mit denen sie erst seit einigen Wochen zusammen war. Es hieß dann immer er wäre der Mann fürs Leben und sie würde ihn heiraten und mit ihm Kinder kriegen. Und wenige Wochen später kam sie in Tränen aufgelöst nach Hause um dann eine Woche später wieder einen neuen zu haben, der, Überraschung!, die Liebe ihres Lebens war. Deshalb war ich das genaue Gegenteil meiner Schwester. Ich liebte sie zwar, aber ihr flatterhaftes Wessen machte mir manchmal zu schaffen.

„Stella?" Ich schaute zu James, der mich komisch ansah.

„Hm? Was ist?" Anscheinend war ich so tief in meine Gedanken versunken, dass ich nicht mitbekommen hatte was er sagte.

„Ich würde dir auch gerne meine Eltern vorstellen. Meine Mutter veranstaltet eine Wohltätigkeitsfeier bei sich zu Hause. Und ich möchte dich gerne mitbringen und dich ihr vorstellen." Etwas breitete sich in meiner Brust aus. Etwas Warmes, dass man um jeden Preis festhalten wollte. Was das wohl war? Zuneigung, Liebe, Vertrauen? Egal was es war, es fühlte sich wunderbar an. Ich nickte und streckte die Hand nach seiner aus. Er hob sein Glas und prostete mir zu, während er unsere Finger in einander verschränkte.

„Auf uns. Und auf die sechs wunderbaren Monate die wir gemeinsam verbracht haben." Bevor wir anstießen fügte ich noch hinzu: „Und auf die wunderbaren Monate die wir noch miteinander haben werden."

Verträumt saß ich an meinem Schreibtisch und blätterte durch einige Unterlagen, ohne wirklich etwas zu sehen. Die letzten Monate waren wie im Flug vergangen und mein Leben hatte sich gravierend verändert, obwohl doch alles beim gleichen geblieben war. Ein Klopfen an meiner Tür riss mich aus meinen Gedanken.

„Herein." Die Tür öffnete sich und meine Schwester trat mit einem breiten Grinsen ein.

„Tada!" Sie breitete die Arme aus und stellte sich in Pose. Überrascht kam ich hinter dem Tisch hervor und umarmte sie.

„Rebecca, was machst du denn hier?" Ich trat einige Schritte zurück und betrachtete sie.

„Ich bin auf der Durchreise und dachte ich besuche meine kleine Schwester." Ihr Gesicht verzog sich kurz und sie presste eine Hand auf ihren Unterleib.

„Stimmt etwas nicht?", fragte ich besorgt.

„Alles ok. Ich habe nur ein paar Krämpfe."

„Setzt dich doch. Ich habe irgendwo in meinem Schreibtisch Schmerztabletten." Ich öffnete eine Schublade nach der anderen, bis ich auf eine kleine, weise Dose stieß. Ich holte zwei Tabletten heraus und reichte sie meiner Schwester. Als ich die Dose zurücklegen wollte, fiel mein Blick auf einen kleinen roten Kalender. Hitze breitete sich in mir aus als ich den Kalender mit zitternden Fingern aus der Schublade holte und ihn aufschlug. Ich blätterte durch die leeren Seiten bis ich den letzten Eintrag fand. Im Juni. Und heute war schon Oktober. Plötzlich wurde mir schlecht und ich lief schnell aus meinem Büro, stürmte in die Toilette und kotzte mir die Seele aus dem Leib. Angst breitete sich in meinem ganzen Körper aus. Die Ungewissheit drehte mir den Magen um und ließ mich würgen, obwohl mein Magen bereits leer war.

Verrückt nach dir!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt