Kapitel 25

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(Überarbeitet am 13.04.18)

„Ihr seid wieder zusammen?" Ungläubig beugte sich Rebecca über ihren Cappuccino zu mir hin. Auf ihrer Oberlippe klebte etwas Schaum, den sie mit der Zunge ableckte und mich weiterhin anstarrte, eine Antwort fordernd. Auch Samy wirkte nicht glücklich über meine Tat, also versuchte ich ihnen die Situation zu erklären, obwohl ich ihre Zweifel in gewisser Weise nachvollziehen konnte. Wäre Samy oder gar meine Schwester an meiner Stelle, würde ich auf die gleiche Weise reagieren.
„Ich kann nun mal nichts gegen meine Gefühle tun." Ich zuckte entschuldigend mit den Achseln. „Außerdem hat er mich ja nicht betrogen. Und das Kind ist auch nicht von ihm.", verteidigte ich meinen Freund.
„Das hätte er doch gleich klar stellen können!", warf Samy vorwurfsvoll ein.
„Das weiß ich selbst. Aber ich kann auch seine Verwirrung nachvollziehen. Ihr hättet sicher auch nicht gewusst wie ihr euch in so einer Situation verhalten solltet." Kurz schwieg ich. „Ok. Vielleicht im Nachhinein, wenn ihr Zeit hattet das Ganze im Kopf immer und immer wieder durchzuspielen, dann hättet ihr sicher schneller gehandelt."
„Du solltest ihm aber trotzdem nicht so schnell verzeihen.", meinte Samy.
„Aber das tue ich doch nicht." Ich nahm einen Schluck von meinem koffeinfreien Cappuccino und biss ein Stückchen von meinem Blaubeermuffin ab. „Als er kam und sich bei mir entschuldigte, habe ich ihm gleich gesagt dass ich es diesmal langsamer angehen lassen möchte."
„Das ist sehr schlau von dir.", meinte Rebecca mit vor Sarkasmus triefender Stimme. Besorgt runzelte ich die Stirn. Was war denn heute mit ihr los? Ich betrachtete sie von der Seite und stelle fest, dass ihre Haut ganz bleich war und unter ihren Augen dunkle Schatten lagen. Irgendwas stimmte doch ganz eindeutig nicht. Aber ihre fiesen Kommentare trafen mich, also schoss ich zurück.
„Das sagt aber die Richtige.", warf ich meiner Schwester vor. Diese zeigte mir einfach nur die Zunge und trank einen Schluck von ihrem Kaffee.
„Wir haben uns in den letzten Wochen mehrmals zum Essen getroffen und waren im Kino. Alles ganz langsam und unkompliziert."
„Aber er ist doch bestimmt nicht begeistert von diese Situation?"
„Ich weiß dass er mehr möchte. Ich merke es in jeder Berührung und jedem Kuss den er mir gibt." Ich zog das gefaltete Foto aus meiner Handtasche und legte es in die Mitte des Tisches.
„Was ist das?", wollten beide wissen und beugten sich neugierig über das Bild.
„Er hat für uns ein Haus gekauft. Er sagte, als er das Haus zum ersten Mal gesehen hatte, konnte er uns dort sehen. Mit unseren Kindern."
„Hat er dich etwa mit diesem Haus um den Finger gewickelt?"
„Was? Nein!" Aufgebracht schaute ich die beiden an. Warum war es nur so schwer die beiden auf meine Seite zu bringen? Besonders in einer Situation in der ich ihre Unterstützung gebrauchen konnte?
„Er hat das Haus einen Monat vor diesem unglücklichen Zwischenfall gekauft."
„Und das hast du ihm abgekauft? Er hat es sicher gekauft um es als Entschuldigung zu benutzen."
„Wieso bist du denn so negativ, Rebecca? Du warst doch immer die Romantikerin von uns beiden und hast in allem und jedem immer nur das Gute gesehen." Etwas irritiert schaute ich meine Schwester an. Sie war von uns beiden die Romantikerin. Sie war diejenige die an die wahre und ewige Liebe glaubte. Rebecca stützte ihren Kopf in den Händen auf und seufzte.
„Wieso bist du so leichtgläubig?", fragte sie mich.
„Das bin ich nicht."
„Und wieso vertraust du ihm dann bedingungslos?", fragte sie weiter.
„Das habe ich nicht. Ich kenne das Haus schon seit Beginn meines Studiums. Diese ganzen Jahre über stand es leer. Ich hatte sogar mal vorgehabt es selbst zu kaufen, doch ich konnte es mir nicht leisten. Außerdem ich habe meinen ehemaligen Kommilitonen angerufen, der als Immobilienmakler arbeitet. Er hat James Aussage bestätigt. Das Haus wurde vor über zwei Monaten gekauft."
„Vielleicht hat er ja den Typen bestochen?", mutmaßte meine Schwester und verdrehte die Augen.
„Was stimmt denn heute nicht mit dir? Du bist doch normalerweise nicht so ein Biest!" Ich schnappte mir das Foto aus ihren Händen und schob es vorsichtig zurück in meine Tasche.
„Was soll denn nicht stimmen?" Abwehrend verschränkte sie die Arme vor der Brust und schaute aus dem Fenster. Ihre Unterlippe zitterte leicht.
„Was ist los?", fragte jetzt auch Samy.
„Eric hat mit mir Schluss gemacht.", gestand sie mit zitternder Stimme.
„Aber da ist doch sicher noch mehr. Du wirst doch normalerweise nicht so fies." Rebecca spielte mit ihren Fingern. Ich konnte ihr ansehen, dass sie nervös war und Angst hatte die Wahrheit zu sagen.
„Du kannst uns vertrauen Rebecca. Es ist bestimmt nicht so schlimm wie du denkst.", versuchte ich sie auf zu muntern.
„Ich wurde gefeuert."
„Was? Wieso das denn? Ich dachte du bist die beste Sekretärin die er je hatte!"
„Das stimmt schon. Aber es gab einen Zwischenfall." Sie rieb sich mit der Hand über die Stirn und begann zu erzählen: „Eric ist eines Tages bei mir in der Arbeit aufgetaucht und hat versucht mich zu verführen. Und er war so unwiderstehlich, dass ich ihm nachgegeben habe. Dann kam plötzlich Mr. Foster in mein Büro und überraschte uns. Wir waren mittendrin und als Mr. Foster versucht hat Eric rauszuwerfen, ist er ausgerastet und hat ihn zusammen geschlagen."
„Oh mein Gott!", stieß Samy entsetzt hervor.
„Das hat er nicht!" Auch ich konnte nicht glauben was Rebecca da erzählte. „Aber er kann dich doch nicht für das Verhalten eines anderen feuern!"
„Er hat mich nicht deshalb gefeuert, sondern wegen unsittlichem Verhalten am Arbeitsplatz. Und dagegen kann ich nicht angehen. Besonders nicht, wenn er im Recht ist."
„Das wird wieder." Ich legte meine Hand auf ihren Arm und versuchte sie mit meinen Worten zu beruhigen. „Du bist eine intelligente Frau. Die CEOs werden sich darum reißen, Dich als Sekretärin einzustellen. Du hast ausgezeichnete Arbeitszeugnisse."
„Das war aber noch nicht das schlimmste." Rebecca schluchzte bereits und ich kramte nach einem Taschentuch in meiner Tasche.
„Er hat mein ganzes Erspartes und meinen Schmuck mitgenommen." Jetzt weinte sie richtig, dicke Tränen kullerten über ihre Wangen.
„Zum Glück ist er ein Trottel was Mode angeht. Sonst hätte er auch meine Designer Taschen und Schuhe versetzt."
„Oh nein." Ich stand auf und kniete mich vor meine Schwester und zog sie in meine Arme. Es war mir egal wer uns sah. Meine Schwester war am Boden zerstört und weinte bitterlich.
„Es wird alles gut. Du weißt doch dass du dich auf uns verlassen kannst. Wir halten immer zusammen!"
„Aber ich habe so viele Bewerbungen abgeschickt, aber bisher immer nur Absagen erhalten. Es ist so, als ob jeder wüsste, was in diesem verdammten Büro passiert ist." Sie wischte sich die Tränen von den Wangen und schaute mich bittend an. „Und meine Wohnung ist auch nur noch bis zum nächsten Monat bezahlt, dann muss ich raus, wenn ich keinen vernünftigen Job finde."
„Seit wann läuft das denn schon so?"
„Das Ganze ist vor drei Wochen passiert und letzte Woche habe ich die Kündigung bekommen und dann diesen schlimmen Streit mit Eric gehabt. Als er aus meiner Wohnung gestürmt ist, hat er noch über die Schulter gebrüllt, dass er so eine verklemmte Zicke nicht zur Freundin haben wollte und mich deshalb verlässt."
„Du kannst so lange bei mir wohnen.", bot ich ihr an.
„Das kann ich doch nicht machen."
„Natürlich kannst du."
„Aber wir können doch nicht in einem Bett schlafen.", sagte Rebecca lachend.
„Du hast doch noch bis Ende des Monats Zeit. Außerdem möchte James sowieso dass wir langsam zusammen ziehen. Und ich muss ehrlich sagen, dass ich auch schon darüber nachgedacht habe. Ich möchte nämlich dass er mich durch den Rest der Schwangerschaft und durch die Geburt begleitet. Ich möchte, dass er ein Teil meines Lebens wird."
„War das gerade eine Liebeserklärung?" Erschrocken richtete ich mich auf und geriet ins Schwanken.
„James!" Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich ihn an. Seine Haare waren perfekt gestylt und sein Anzug saß wie angegossen auf seinen breiten Schultern. In seiner rechten Hand hielt er eine rosa Papiertüte mit einer riesigen Schleife. Die Tüte war total unmännlich, doch anstatt ihn verweichlicht wirken zulassen, sah er nur umso männlicher und härter aus. Zum Anbeißen.
„Vielleicht." Bei meiner Antwort breitete sich ein wissendes Lächeln auf seinen Zügen aus. Er schob mir den Stuhl zurecht und ich setzte mich wieder.
„Was ist das in der Tüte?", wollte Samy auch schon neugierig von ihm wissen. Er hielt die Tüte in die Höhe und lächelte in die Runde.
„Ein Geschenk für mein kleines Mädchen." Er streichelte über meinen gerundeten Bauch und stellte die Tüte vor mir auf den Tisch. Neugierig zog ich an der Schleife und die Tüte ging auf. Ich zog das Seidenpapier heraus und entdeckte einen weichen, rosafarbenen Strampler. Eine kleine Mütze mit Öhrchen und rosa Socken mit Bommeln an den Seiten.
„Das hast du gekauft?"
„Natürlich."
„Keine Beraterin?", fragte ich skeptisch und schaute ihn fragend an.
„Nein. Und ich bin ganz stolz auf mich. Ich habe mich ganz alleine in diese Abteilung getraut und habe mich durch die ganzen Babykleidchen und Umstandskleidung gekämpft. Die Frauen die dort einkauften, starten mich ganz komisch an."
„Mein tapferer Mann." Ich erhob mich leicht und küsste ihn auf die Wange. Es war das süßeste Geschenk das ich mir vorstellen konnte.
„Steht unser Treffen morgen?", wollte er von mir wissen.
„Natürlich. Du kannst mich um 14:30 Uhr abholen."
„Und danach gehen wir gemeinsam Essen."
„Einverstanden."
„Dann werde ich euch jetzt wieder alleine lassen. Viel Spaß noch." Er beugte sich zu mir herunter und drückte mir einen Kuss auf die Lippen. „Und wir sehen uns morgen." Kaum das James durch die Türen verschwunden war, wandte sich Samy an meine Schwester.
„Sag mal, wieso fragst du nicht James ob er jemanden kennt der eine Sekretärin braucht?" Rebecca und ich schauten überrascht zu Samy. Natürlich! Daran hätte ich auch selber denken können. James war eine angesehene Persönlichkeit in der Geschäftswelt und kannte bestimmt jemanden, der Rebecca helfen könnte.
„Das ist eine echt miese Idee.", sagte Rebecca.
„Wieso denn? James kennt bestimmt jemanden."
„Hör zu, ich weiß dass du mir helfen möchtest. Aber ich kann deinen Freund doch nicht um einen Job anbetteln." Nachdrücklich schüttelte sie den Kopf.
„Wir werden auch nicht betteln. Wir werden ihn nur bitten sich etwas umzuhören und dir so eine Möglichkeit verschaffen dich für diese Stelle zu bewerben bevor sie öffentlich gemacht wird. Mehr werden wir auch nicht verlangen."
„Aber das ist doch genau das, was ich nicht will. Ich möchte es ohne Vitamin B schaffen."
„Gegen ein bisschen Hilfe kannst du doch nichts haben."
„Doch!"
„Wenn man in einer verzweifelten Situation ist, ergreift man eben verzweifelte Mittel. Also Augen zu und durch.", sagte ich bestimmt. Für mich war das Thema damit erledigt. Schließlich wollte ich nicht dass meine Schwester auf der Straße landete, nur weil sie zu Stolz war die Hilfe eines anderen Menschen anzunehmen. Bevor sie noch etwas sagen konnte, fügte ich hinzu: „Ob es dir passt oder nicht, ich werde mit James reden. Und wenn du seine Hilfe nicht annimmst, bist du nicht so schlau wie ich dachte."
„Ok, ok. Ich möchte mich schließlich nicht mit meiner kleinen Schwester anlegen." Sich ergebend, hob sie die Hände in die Höhe und lachte.

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