Kapitel XLVII

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Ich stand immer noch wie erstarrt da. Ein Klingeln dröhnte durch meine Ohren, aber ich bewegte mich nicht, sondern sah einfach weiter zu dem Mann vor mir. Das Blut floss unter seinem Körper hervor und färbte den Boden rot.
Deine Mutter starb, weil....
Deine Mutter starb, weil...
Deine Mutter starb, weil...

Diese Worte hallten immer und immer wieder durch meinem Kopf, wie ein Echo.
Ich hob meine Hand und fasste mir ins Gesicht, an die Stelle, an welcher ich die Flüssigkeit spürte.
Ich sah auf meine Finger, dessen Spitzen nun mit knallroter Farbe bedeckt waren.
Nur war es keine Farbe, es war Blut.
Es war das Blut des Mannes, welcher vor mir niedergeschossen wurde.
Meine Hand zitterte und mein Atem kam stockweise.

Bitte nicht, keine Panikattake. Ich schaff das jetzt nicht.
Wieder ertönte dieses Klingeln. Der Ton war gedämpfter, als hätte ich Watte in den Ohren.
Plötzlich griff jemand nach meiner Schulter und drehte mich um. Vor Schreck sprang ich einen Schritt zurück und hätte fast mein Gleichgewicht verloren, doch wurde ich noch in letzter Sekunde am Arm gepackt.
Vor mir tauchte Pablos Gesicht auf.
Ich sah, wie sich seine Lippen bewegten, aber kein Ton kam an meine Ohren.
Pablo fing an mich an den Schultern zu schütteln, aber das brachte nichts. Der Nebel vor meinen Augen und der Druck auf meinen Ohren lichtete sich nicht.
Zwei weitere Männer tauchten auf und beschäftigten sich mit der Leiche am Boden.
Pablo zückte sein Handy und ging einige Schritte nach hinten, aber behielt mich trotzdem im Auge.
Zwischen seinen Sätzen nickte er immer mal wieder.
Ich musste an das Telefonat zwischen Dante und mir am Strand denken. Wie ich ihm als Antwort auch so zu genickt hatte.
Verdammt, Dante!
Er wird jetzt alles erfahren. Wenn er es nicht schon hatte. Mein Gefühl sagte mir, dass die Person am anderen Hörer vom Pablos Telefonat genau er war.
Ein wütender, belogender Ehemann.
Er beendete sein Gespräch und kam wieder zu mir.
"Signora Martinelli, kommen sie! Ich bringe sie nach Hause." Er streckte mir seinen Arm entgegen.
Ich schüttelte den Kopf, ich konnte jetzt nicht nach Hause, ich hatte
doch nichts erfahren.
"Weeer hat geschossen?" Mit kaum hörbarer Stimme, richtete ich mich an Pablo.
Aber anstatt mir zu antwortet, streckte er mir wieder seinen Arm entgegen.
"Bitte Signora, ich hab meine Anweisungen."
Ich schlug wieder seine Hand weg. "Hör auf. Hör auf, bitte.!"
Zum Ende hin wurde ich leiser. Pablo ließ den Arm fallen und sah mich sorgenvoll an.
"Geht es ihnen gut Signora?" Ich schloss meine Augen und atmete tief durch.
"Mein Gott Pablo, nenn mich nicht Signora. Ich heiße Anastasia!
A N A S T A S I A", zog ich meinen Namen deutlich in die länge und betonte jeden Buchstaben. Dieser senkte bloß den Kopf und schon überkam mich mein schlechtes Gewissen.
"Pablo, verzeih. Ich wollte nicht laut werden. Ich hab die Nerven verloren."
"Natürlich Sign...Anastasia." Wieder klingelte Pablos Telefon, welches er sofort an sein Ohr legte. Er sprach in italienisch, weshalb ich mich von ihm abwendete und wieder zu der Stelle sah, wo die Leiche lag. Doch alles was ich sehen konnte, war eine Blutlache, der Körper war weg. Pablos Männer müssen ihn fortgeschafft haben.

Ich sah von der roten Pfütze hoch und in die Ferne. Ungefähr hundert Meter entfernt stand ein hohes Gebäude. Rechts war das Meer und links die Straße.
"Anastasia, wir müssen jetzt wirklich fahren, ich bitte sie mir zum Wagen zu folgen." Immer noch dieses Sie, aber wenigstens verwendete er meinen Namen. Ich nickte und folgte Pablo und einem schwarzen Geländewagen.
"Warte das Motorrad." Ich wollte mich gerade umdrehen und zu der Stelle gehen, an der ich es geparkt hatte, wurde aber von Pablo aufgehalten. "Darum hab ich mich bereits gekümmert."
Ich ließ mir die Tür aufhalten und stieg hinten ein. Pablo setzte sich auf den Beifahrerplatz und einer seiner Männer startete den Wagen. Die ganze Fahrt über war es still.

Als ich endlich in meinem Zimmer angekommen war, legte ich mich ins Bett. Ich konnte meinen Körper kaum spüren, so müde war ich. Bevor ich auch nur einen Gedanken an den heutigen Abend verschwenden konnte schloss ich die Augen und schlief ein.

Lautes Gebrüll weckte mich auf. Ich lag immer noch in den Klamotten vom Treffen im Bett.
Die Stimmen kamen von unten, beziehungsweise eine Stimme,
Dantes Stimme.
Oh Gott, er war wieder da. Ich sah zur Uhr, auf welcher es viertel vor vier stand.
Müde stieg ich aus den Bett und ging ins Bad, um mein Gesicht zu waschen.
Das kalte Wasser half mir beim Wach werden.
Dantes Stimme dröhnte wieder laut durchs Haus und ich hatte das miese Gefühl, als wenn mir dieses Geschrei nicht erspart bleibt.

Mit langsamen Schritten ging ich zu meiner eigenen Hinrichtung.
In Erdgeschoss angekommen, konnte ich sofort ausmachen, woher genau dieses Gebrüll kam.
Im Wohnzimmer stand Dante vor einer Mauer aus Männern, welche aufgrund von seiner Schimpftirade den Blick gesenkt hatten.
Pablo saß auf der Couch und war mit einem Laptop beschäftigt.
"Was seid ihr für Wachleute, wenn meine Frau an dem ersten Abend, an dem ich nicht da bin, von euch weglaufen kann?! Nicht nur von euch weglaufen, sie hat euch sogar abhängend!" Schrie er die Männer so laut an, dass sogar ich zusammen zuckte.

Dante drehte sich ruckartig zu mir um.
"Geht, um euch kümmere ich mich später. Und nun zu dir."
Oh, er war nicht nur sauer, er war rot vor Wut.
"Hab ich dich nicht darum gebeten, mir Bescheid zu geben, wenn du das Haus verlässt. Ich habe gesagt, dass du dich an Pablo wenden sollst, aber was machst. Du fährst Mitten in der Nacht zum Hafen und schüttelst auch noch meine Leute ab." Seine Wut hatte sich kein Stück geschmälert.
"Was wolltest du dort überhaupt?"
Nun sah auch Pablo zu mir.

Sollte ich es ihm sagen? Würde er mich überhaupt verstehen?
"Anastasia! Was wolltest du dort?" Versuchte er es erneut, als ich nicht antwortete.
Wahrheit oder Lüge?
Ich hatte mich geirrt.
Nicht das Tattoo auf seiner Brust würde zeigen, ob ich ihm vertraue, denn es ist bloß ein Wort.
Es war nur ein Wort aus vier Buchstaben, mehr nicht.
Ob ich ihm jetzt die Wahrheit sage oder nicht wird zeigen, ob ich ihm wirklich vertraue.
Aber konnte ich es?
Konnte ich ihm vertrauen und dann auch noch in dieser Sache?

Ich würde gerne, ehrlich, aber ich wusste nicht wie. Der Mann wurde erschossen, vor meinen Augen, genau dann, wenn er mich um ein Treffen bittet.
Und jetzt ist er tot und Pablo und seine Männer tauchen nur Sekunden später auf.
Wie konnte ich da jemandem vertrauen?
"Wer hat geschossen?" Stellte ich eine Gegenfrage.
Dante musterte meine Mimik aufmerksam.
"Das selbe wollte ich dich auch fragen. Wer war dieser Mann? Wieso warst du dort und das auch noch Nachts? Und wieso verdammte scheiße ist er jetzt tot." Schrie Dante erneut.
Pablo stand nun von seinem Platz auf und kam zu uns rüber.
"Es sieht danach aus, als wäre es ein Scharfschütze gewesen. Laut der Schussrichtung würde ich sagen, dass er von einer hohen Position aus geschossen haben muss. Aber wir werden genaueres wissen, wenn Fernando ihn sich angesehen hat. Die Jungs bringen die Leiche bereits zu ihm."
Dante nickte, sah mich währenddessen aber die ganze Zeit an.
Ein Scharfschütze?
Pablo war mit zwei Männern dort, wenn sie geschossen haben und das von einer erhöhten Position, dann kommt nur das Hochhaus in Frage, welches ca. hundert Meter entfernt stand.
Wenn sie das waren, dann hätten sie es doch nicht rechtzeitig zu mir geschafft oder? Die Zeit Planung passt nicht.
Und weshalb sollten sie ihn erschießen? Ich meine, sie wussten doch nichts von ihm, geschweige denn von meiner Mutter.
Also war es jemand Drittes?
Oh Gott, mein Kopf brummt bereits. Ich verstand gar nichts mehr. Ich werde es jedoch herausfinden.
Aber alleine schaff ich das nicht.
Ich brauche Hilfe und zwar von jemanden, der weiß, was er tat.
Demnach blieb mir nur eins übrig.

"Er hat mich zu diesem Treffpunkt gerufen."

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