Kapitel LXVI

7K 232 4
                                    

Nach der Trauerfeier in einem Restaurant nicht weit vom Friedhof entfernt, waren einige von Pablos und Dantes Freunden noch mit zum Anwesen der Martinellis gefahren. Das Ziel war es sich zu betrinken und in Erinnerungen zu schwelgen. Es kostete mich viel an Überredungskunst um Laura mit zu uns zu nehmen. Ich wollte nicht, dass sie heute alleine war und zum Glück gab sie meiner Bitte nach.
Im Garten wurde eine Feuerstelle aufgebaut und einige Kellner servierten Drinks. Außer der Martinelli Familie kannte ich keinen der Anwesenden, welche sich um das Feuer versammelt hatten. Laura und ich nahmen uns einen Drink und setzten uns zu Marco, welcher bereits seinen zweites Glas leer machte. Ich sah mich auf der Suche nach Dante um und fand ihn einige Meter entfernt mit Leonora reden. Der bitterer Geschmack von Eifersucht breitete sich in meinem Mund aus, doch wie schon den ganzen Tag über schluckte ich ihn einfach runter.
Marco fing an eine Geschichte über Pablo zu erzählen, doch eine ganze Aufmerksamkeit lag auf Dante. Leonora hatte ihre Hand an seinem Bizeps und redete auf ihn ein.
Ich frag mich, was sich seit unserer Hochzeit geändert hatte. Damals schrie er sie für ihr respektloses Handeln mir gegenüber noch an und jetzt stehen die beiden dicht nebeneinander, als wäre sie seine Frau und nicht ich. Luca muss meinem Blick gefolgt sein, denn er stand von seinem Platz auf und kam zu mir rüber.
"Du weißt, dass das nichts zu bedeuten hat oder?" flüsterte er mir leise ins Ohr. Aber ich war mir da nicht so sicher. Seit Tagen meidet Dante mich und wenn wir einen kurzen Moment für uns haben, dann stößt er mich sogleich von sich. Ich weiß, dass er trauert und ich will ihm auch die nötige Zeit dafür geben, aber bin ich ein schlechter Mensch, wenn ich finde, dass er mit jemand anderen trauern sollte?
Wieso öffnet er sich gerade ihr?
Ohne es zu wissen antwortet Luca auf meine unausgesprochene Frage. "Dante sie und Pablo waren früher eng befreundet. Sie sind zusammen aufgewachsen. Ich denke er sucht nicht ihre Nähe, sondern Pablos."
So verdreht diese Logik auch war, sie ergab mehr Sinn, als das er sich plötzlich wieder für sie interessierte. Das hoffte ich zu minderst. Doch genau so schnell wie die Erleichterung kam, ging sie auch wieder und wandelte sich in meinem Kopf zu puren Zweifeln.
Was wenn er sie noch wollte? Oder sie sogar liebte? Vielleicht wurde ihm durch Pablos Tod klar, wie kurz das leben ist und er wollte es nicht in einer gezwungenen Beziehung verbringen. Dieser Gedanke versetzte mir einen Stich im Herzen. Denn auch mir hatte Pablos Tod die Augen geöffnet. Die zwei Tage, in denen er nicht bei mir war, in denen ich nicht wusste, ob er noch lebt und ob er jemals zu mir zurück kehrt hatten mich in den Wahnsinn getrieben.
Zu beginn unserer Beziehung konnte ich es nicht ertragen mit ihm ihn einem Zimmer zu sein und jetzt kann ich mir nicht mehr vorstellen, ohne ihn zu sein.
Werde ich verrückt? Oder ist es das von dem Isabella gesprochen hatte?

Luca berührte kurz meine Schulter und ging dann zu Lorenzo und den anderen rüber. Ich nahm meinen Blick von Dante und stand auf um die Toilette aufzusuchen.
Nachdem ich mich erleichtert hatte wusch ich mir die Hände und überprüfte mein Aussehen im Spiegel. Mein Dutt hatte sich etwas gelockert und einige Strähnen fielen mir ins Gesicht. Gerade als ich mit meiner Frisur fertig war klopfte es an der Tür. In diesem Haus gibt es so viele Badezimmer, derjenige soll sich ein anderes suchen. Ich machte den Wasserhahn wieder auf und füllte meine Handflächen und mein Gesicht zu kühlen.
Plötzlich ertönte ein weiteres klopfen. Ich griff nach dem Handtuch und trocknete mein Gesicht ab, bevor ich die Tür öffnete. Im Türrahmen stand eine teuflisch grinsende Leonora. Ich verdrehte bloß die Augen und wollte an ihr vorbei gehen, doch sie stieß mich wieder zurück in den Raum und verschloss die Tür hinter sich.
"Was genau wird das?" Wollte ich wütend von der Plastik Barbie wissen, doch diese lachte einfach los. Jetzt war ich mir sicher, dass sie einen Psychiater brauchte und das dringend.
"Wie schnell sich doch alles ändern kann. Gestern noch ein treuer Ehemann und heute bereits kein Interesse mehr an seiner Frau." Ihr Lachen schnitt mein Trommelfell und ich atmete ruhig ein und aus. Ich hatte mir geschworen mich heute nicht mit ihr anzulegen, aber diese Schlampe provoziert es grade zu heraus meine Faust in ihrem Clown geschminkten Gesicht zu spüren.
Grade als ich ihr antworten wollte setzte sie noch einen drauf.
"Denkst du wirklich, dass er bei dir bleibt nach dem er weiß, dass deine Familie für den Tod seines besten Freundes verantwortlich ist?"
Nun musste ich stark schlucken. Mit einem solchen Seitenhieb hatte ich nicht gerechnet.
Ich riss mich zusammen und setzte mein bestes Pokerface auf, um ihr nicht zu zeigen, wie hart mich ihr Kommentar getroffen hatte, denn ich würde lügen, wenn ich behaupte ich hätte diesen Gedanken nicht selbst schon einige Male gehabt.
"Ah und du erhoffst dir, dass das ihn zu dir zurück bringt? Er hätte dich zur jeder Zeit heiraten können, ich meine, wie lange kennt ihr euch?" Wird Zeit, dass ich ihre Vorteile zu meinen Gunsten auslege. "und dennoch war er eher bereit eine fremde Frau aus einer verfeindeten Familie zu heiraten als dich!" Das letzte Wort spuckte ich ihr entgegen.
Leonoras Gesicht färbte sich dunkel rot und ich könnte schwören, dass Dampf aus ihren Ohren kam.
"Ich bin nicht der Grund, warum er dich nicht geheiratet hat, sondern du selbst. Du bist nicht mehr als eine Hure für ein paar Nächte, aber kein Ehefrauenmaterial. Wenn du die Schuld bei jemandem suchst, dann schau in den Spiegel."
Mit diesen Worten brachte ich ihr Fass zum Überlaufen und sie holte mit der rechten Hand aus um mir eine zu verpassen, doch war ich schneller. Ich wich ihren hexenartigen Fingernägeln aus und schubste sie gegen die Wand.
"Wage es noch einmal mich anzufassen und ich zeig dir, welche Foltermethoden wir in Russland bevorzugen." Mit diesen Worten drehte ich mich von einer fuchsteufelswilden Leonora um und ging zu Tür.
Ich dachte meine Ansage wäre bei ihr angekommen, doch leider irrte ich mich und machte einen der größten Fehler im Nahkampf, ich drehte ihr den Rücken zu.
Wie eine Furie stürmte sie auf mich zu und vergrub ihre Nägel in meinem Haar. Ich versuchte mich zu wehren, doch ihr Schwung war zu groß als das ich mein Gleichgewicht halten konnte. Mit ihrer Hand an meinem Kopf zielte sie auf die geflieste Wand neben der Tür und Sekunden später durchzog ein stechender Schmer meinen Schädel. Gleich nach dem Aufprall ließ sie meine Haare los und flüchtete aus dem Bad. Ich sackte, an der Wand gelehnt, auf dem Boden zusammen und versuchte mich zu konzentrieren, doch meine Sicht verschwamm immer mehr. Schwarze und weiße Punkte tauchte in meinem Blickfeld auf und ich schaffte es nicht mich zu fokussieren. Ich fasse mir an die Stelle, etwas oberhalb meiner Schläfe, an welcher mein Kopf die Wand getroffen hatte. Höllische Schmerzen ließen mich aufzischen und ohne meine Hand zu sehen, wusste ich, dass diese mit Blut bedeckt war.
Aufgrund unseres Kampfes war meine Handtasche von der Anrichte gefallen und ich nahm meine ganze Kraft zusammen um nach ihr greifen. Ich zog sie an einem Riemen zu mir und wühlte blind nach meinem Handy. Plötzlich überkam mich die Übelkeit, doch ich schaffte es das eklige Gefühl weg zu atmen.
Auf der Kurzwahltaste drückte ich die eins und stellte auf Lautsprecher. Meine Sicht war zu benebelt, als das ich eine Nummer in meinem Telefonbuch heraussuchen könnte.
"Nastja?" ertönte nach einigen Sekunden Vlads Stimme.
"Badezimmer, Erdgeschoss." Wieder wurde mir schlecht und ich robbte zur Toilette.
"Komme!" Seine Stimme war nun besorgt. Vlad wusste über meine Anfälle bescheid, weshalb er nicht auf eine Erklärung wartete, sondern sich sofort auf den Weg machte.
Ich beugte mich über die Schüssel der Toilette und übergab mich. Meine so schon kaum vorhandene Kraft wurde dadurch noch weniger. Ich konnte meinen Kopf kaum aufrecht halten und lehnte ihn gegen meinen Arm, welchen ich um die Schüssel gelegt hatte, um mehr Halt zubekommen.
Die Badezimmertür ging mit einem lauten Schlag auf und Vlad eilte zu mir. Entsetzt sah er mich an, bevor er meinen Kopf hob. Als er meine Platzwunde sah weiteten sich seine Augen.
"Anastasia was ist passiert?" hörte ich nun die besorgte Stimme von Luca. Vlad muss ihn als Unterstützung mitgenommen haben. Ein Tag nach Pablos Tod erzählte ich ihm, dass ich Luca alles gebeichtet hatte und ich ihm vertraue. Die beiden griffen mir unter die Arme und halten mir zum Waschbecken zu gehen. Meine Beine gaben immer wieder nach, aber die Jungs hatte mich in einem festen Griff, sodass ich nicht einmal fiel. Luca machte das Wasser an und wusch mir das Gesicht, während Vlad mich stütze. Als ich wieder einigermaßen frisch war hob Vlad mich hoch und setzte mich auf die Granitplatte, welches um das Waschbecken herum war.
Er inspizierte meine Wunde und fluchte dabei auf russisch.
"Sie hat eine Gehirnerschütterung. Die Blutung ist nicht so schlimm, aber sie braucht trotzdem einen Arzt."
Luca nickte und holte sein Telefon raus. "Nein, den brauch ich nicht." wehrte ich mich und rutschte vorsichtig von der Platte. Meine Beine wackelten noch etwas, aber ich konnte wieder stehen.
"Nastja sein nicht dumm. Du hast dich übergeben und deine linke Gesichtshälfte ist voller Blut." Versuchte Vlad mich zur Vernunft zu bringen, aber mein Entschluss stand fest, zumindest für heute.
"Wenn es mir morgen nicht besser geht, dann geh ich zu Giovanni versprochen, aber nicht heute." Ich setzte meinen Hundeblick auf um die beiden Sturköpfe vor mir zu überzeugen. Vlad könnte diesem Blick sowieso nicht lange stand halten und Luca würde bestimmt auch nach geben.
"Na gut, aber morgen gehst du zu Giovanni, egal ob es dir besser geht." Luca wollte wohl seine eigene Bedingung festsetzten, bevor er meinen zustimmt, aber meinetwegen soll es so sein. Ich nickte und nahm mir ein Handtuch von der Anrichte um das Blut von meinem Gesicht und den Haaren zu waschen.
"Wie ist das passiert?" fragte nun Vlad misstrauisch. Die Ausrede eines Unfalls kann ich wohl vergessen.
"Leonora, ihr gefiel wohl nicht was ich gesagt habe." Hielt ich meine Erklärung kurz. Luca trat nun auch näher zu mir und sah mich durch den Spiegel an. "Was hast du den gesagt?"
Ich wrang das Handtuch aus und führte es wieder an meine Haaransatz. "Das es nicht meine Schuld ist, dass Dante sie nicht geheiratet hat, sondern ihre. Das sie für ihn, selbst nach all den Jahren, nicht als Ehefrau in Betracht kam und sie die Gründe bei sich selbst suchen soll." Die Tatsache, dass ich sie als Schlampe bezeichnet hatte ließ ich aus, denn auch wenn ich keinen Grund dazu hatte, schämte ich mich etwas für diese harten Worte. Eine Frau sollte sowas nicht zu einer anderen sagen, egal wie wahr es ist.
Luca nickte und wandte sich dann einem Schrank in der Ecke des Zimmers zu. Nach einigen Sekunden kam er mit einem Pflaster auf mich zu. Vorsichtig klebte er es mir auf und ich legte meine Haare darüber. Der Dutt, welchen ich noch vor einigen Minuten ordentlich zurückgesteckt hatte, war nun komplett gelöst und meine offenen Haare versteckten nun einen Teil des Pflasters.
"Lasst uns gehen, ich muss eine Nutte aus dem Haus werfen." kam es nun wütend von Luca, der die Tür aufriss. Doch ich schätze dafür war es bereits zu spät. Nicht einmal Leonora war so dumm zu glauben, ich würde meinen Mund halten und sie könnte weiterhin beruhigt im Garten Cocktails schlürfen. Der kurze Schwächeanfall war zum Größtenteils vorbei und ich konnte wieder selbstständig gehen, ohne Aufmerksamkeit zu erregen.
Ich packte Lucas Arm, bevor er den Raum verlassen konnte.
"Was hier passiert ist bleibt unter uns! Zumindest heute." Als Antwort erhielt ich nur entsetzte Gesichtsausdrücke der beiden, doch in dieser Sache würde ich nicht verhandeln. Dante, Laura und die anderen sollen heute die uneingeschränkte Möglichkeit haben zu trauern. Sie brauchten diesen Tag, er brauchte ihn um endlich abschließen zu können.
Ehrlich gesagt erhoffte ich mir, dass Dante danach wieder etwas auftauen würde und da brauch ich keinen weiteren Konflikt.
Nach einigen Sekunden des Starrens knickten die beiden ein und nickten zustimmend.

Ace of HeartsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt