Barry starrte in das vom Heulen verzerrte Gesicht seines elfjährigen Halbbruders, der sich an seinen Arm gehängt hatte und ihn schluchzend anflehte nicht zu gehen. Die Beiden standen in der Türschwelle, Barry hatte eine Sporttasche über seine Schulter geworfen und war bereit zu gehen, doch Josh versuchte ihn aufzuhalten. Er schubste ihn grob von sich. "Stell dich nicht so an, man" Doch Josh klammerte sich wieder wie ein kleines Äffchen an ihn und weigerte sich ihn los zu lassen.
"Bitte geh' nicht. Die meinen es doch überhaupt nicht so."
Aber sie meinten es so. Barrys Mutter hatte nachdem sie sich von seinem gewalttätigem und drogenabhängigen Vater getrennt hatte, einen neuen gewalttätigen und drogenabhängigen Mann kennengelernt mit dem sie vier weitere Kinder zeugte, darunter Josh. Er war der Einzige seiner neuen Geschwister die Barry leiden konnte, vielleicht lag es auch an dem Fakt dass er der Älteste war und sich am Ehesten anfühlte wie ein richtiger Bruder.
Die restlichen Drei behandelten Barry wie einen Fremden, der überhaupt nicht in die Familie passte weil er einen anderen Dad hatte. Seine Mutter gab sich allerdings auch keine Mühe, Barrys Gefühl von Ausgeschlossenheit irgendwie zu kompensieren, im Gegenteil.
Barrys Stiefvater wartete nur darauf, bis sich der Junge einen Fehltritt erlaubte. Als er ihn mit 15 mit ein paar Drogen erwischte, schmiss er ihn ohne groß zu diskutieren raus. Barry war wütend und schwor sich, nie wieder einen Fuß in sein altes zuhause zu setzen. Es machte keinen Sinn, seine Eltern waren selbst die größten Junkies und nahmen dann Drogen als Grund, Barry aus seinem zuhause zu verbannen.
Aber es war egal, Barry war determiniert sein Leben selbst auf die Reihe zu bekommen. Sein Cousin hatte ihm angeboten, in seinem Wohnwagen zu bleiben, bis er etwas Besseres gefunden hatte. Offensichtlich fand er nie etwas Besseres.
Barry versuchte sich fluchend aus den Armen seines kleinen Bruders zu befreien und spürte, wie Josh' Schluchzen ihm einen schmerzhaften Stich in die Brust versetzte. Er war nicht gut darin, Zuneigung zu zeigen, doch Josh wusste wie er war. Josh war dagegen zu gut darin Zuneigung zu zeigen, zum Beispiel schüttete er jedem Mädchen dass er traf, in der ersten Nacht direkt sein Herz aus. Barry hatte ihm schon von Anfang an gesagt dass Evelyn nichts für ihn wäre. Aber Josh hörte nicht auf ihn.
Später dachte er oft an seinen Bruder, wenn Rafe sich mal wieder bei ihm ausheulte über irgendwelche banalen Dinge. Rafe verzog sein Gesicht genau so wie der elfjährige Josh und auch seine Lippen zitterten auf die genau selbe Weise. Barrys Meinung nach waren Rafes Schwierigkeiten Reiche-Leute Probleme, kaum nachvollziehbar und unnötig. Rafe war verweichlicht, genau so wie alle anderen Kooks.
Abgesehen von beleidigenden Sprüchen sagte er aber nie etwas, schließlich war es Rafes Sache. Barry war ein stiller Beobachter, ein Zuschauer. Viele hielten ihn für nicht besonders intelligent oder aufmerksam, aber Barry bekam fast alles mit was um ihn passierte. Somit war er wahrscheinlich der Erste, der die Art bemerkte wie Rafe Evelyn ansah. Allein an Rafes Reaktion auf seine Drohung, Evelyn als Pfand für seine Schulden zu nehmen war es Barry eigentlich sofort klar, dass das mehr war als beiläufiger Sex, oder was auch immer die Beiden immer zusammen trieben.
Als er Evelyn mit Josh auf der Straße aufgesammelt hatte, war er insgeheim erleichtert. Er wusste dass Rafe ihren Tod trauern würde, und auch wenn sein Kummer kurzfristig wahrscheinlich eine gute Einnahmequelle für sein Nebengeschäft war, wollte er nicht Zeuge von Rafes endgültigem Untergang werden.
Nachdem er Evelyn bei ihr zuhause abgesetzt hatte, beschwerte er sich den ganzen Weg bis zum Friedhof. "Jetzt kommen wir zu spät zu der scheiß' Zeremonie"
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𝗴𝗼𝗹𝗱𝗲𝗻 // rafe cameron (ger)
FanfictionStrand, Jachten, Surfing und Rivalität zwischen arm und reich. Irgendwo dazwischen lebt Evelyn Taylor in der weniger wohlhabenderen Gegend der Inselkette Outer Banks. Um ihren mit Geldsorgen geplagten Vater zu unterstützen, arbeitet sie nach der Sc...